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Antwort der Christen in der Vertrauenskrise

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Wem glauben?

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“, das am 20. Jänner 1977 beginnt und in acht Sendungen ausgestrahlt wird, wird ähnlich wie das unter dem Titel „Wozu glauben?“ 1974 durchgeführte Programm wichtige Fragen des christlichen Glaubens behandeln.

Das zwischenmenschliche Vertrauensverhältnis ist heute von vielen in Frage gestellt. Die Verringerung des Potentials an Vertrauen bedroht den Menschen und gehört zu den Nöten, die eine Abhilfe auch von den Christen verlangen.

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ will vom Christentum her zuerst diese existentielle Frage der Menschen behandeln. Dabei wird das Andersartige und Neue des Glaubens im christlichen Sinn deutlich. In einer einzigartigen Weise erlebt der Mensch die Einladung, den Anruf, an Christus zu glauben: für viele ist diese Aufforderung eine Provokation zum Ärgernis. Wer das Ärgernis überwindet, erlebt die Chance, die Fragen um Leben und Tod neu beantworten zu können.

Christus glauben, bedeutet die freie Entscheidung für das Vertrauensverhältnis zu Jesus Christus als jenem Menschen, in dem Gott seine Wahrheit und Liebe allen anbietet. Diesem Jesus kann und darf der Mensch seinen

Glauben schenken, weil Gottes Wahrheit und Liebe Inhalt seines Lebens und seiner Aussage sind. In diesem Sinne hat schon Petrus gesagt: „Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6, 67).

Glaube an Jesus Christus als ein persönliches Tun -, scio cui credidi“, ich weiß, auf wen ich mein Vertrauen gesetzt habe (2 Tim 1,12)- ist bereits eine Antwort der Christen in der heutigen Vertrauenskrise. Diese Antwort wird aber dadurch qualifiziert, daß mit der Aussage: Ich glaube dem Jesus von Nazareth, dem Christus, notwendig die Annahme der christlichen Botschaft vom Heil verbunden ist, die Entscheidung für seine Lehre. Seit Anfang des Christentums besteht die Einheit des Glaubens als eines Aktes, einer Tat, die Gott im Menschen vollbringt, mit dem Glauben als der Annahme der christlichen Botschaft.

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ will Informationen über die Art und Weise bringen, wie durch den christlichen Glauben Fragen der Menschen beantwortet werden: es stellt eine Einladung dar, die eigene Situation zu bedenken, die Fragen, die sich aus ihr ergeben, zu analysieren und in der Konfrontation mit Christus, von seinem Wort und seiner Person her eine Antwort zu gewinnen.

Das Ziel des Glaubensgespräches ist so ein Dienst, der in der Vermehrung des Vertrauenspotentials besteht. Es soll Beitrag dazu geleistet werden, oft übermächtig und anonym gewordene Institutionen durch einen neuen Geist zu sanieren. Menschen soll bei der Suche nach dem Sinn des Lebens, auch des durch Krankheit und Tod bedrohten Lebens, eine Hüfe geboten we rden.

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ bietet dafür geeignete Elemente an: Sendungen, Arbeitsbuch, Gruppentage und Tests bilden eine aufeinander abgestimmte Einheit. Jedes dieser Elemente behandelt auf seine Weise die Grundfragen der menschlichen Situation, die Konfrontation mit der christlichen Botschaft und enthält damit die Aufforderung zur christlichen Praxis.

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ ist eine Möglichkeit zu einer vertieften Erwachsenenbildung. Gibt es doch durch die Rundfunksendungen, die Lektionen des Arbeitsbuches, die Mitarbeit bei den drei Gruppentagen und schließlich durch die Bearbeitung der Testfragen Anregungen zu selbsttätigem Bildungserwerb.

Für das Gelingen des Programms ist die persönliche Mitarbeit und Stellungnahme notwendig. So bedeutend die Aussagen der Heiligen Schrift, so anregend die Zeugnisse großer Menschen sind, so richtig sich das zur Unterscheidung führende Wort der kirchlichen Lehre erweist - all dies verlangt vom einzelnen seine Aktivität in der Mitgestaltung, im Mittragen des Ganzen.

Das ORF-Studienprogramm „Wem glauben?“ dient Christen und Nichtchristen. Es kann und will eine Einleitung des Gesprächs über die ernsten Lebensfragen sein. Dies ist besonders in der Gegenwart von Aktualität, da viele Zeitgenossen dazu neigen, über die tiefsten Fragen ihres Lebens nicht zu sprechen - und Christen sich im Gegensatz zu Paulus oft „schämen“ (2 Tim 1,12), ihren Glauben zu bekennen.

Wenn heute Christen auf historische Problemlagen, Herausforderungen adäquat reagieren wollen, müssen sie neue, über das Hergebrachte hinausgehende, gründlichere Legitimierungen für das Wirken der Kirche in der Welt als „Pouvoir spirituel“ glaubhaft machen. Ad-hoc-Umfragen ergeben meist eine breite Anerkennung der kirchlichen Sozialdienste, aber dann beginnt das zage Stottern. Es müßte jedoch deutlich werden, daß der wertneutrale neuzeitliche Staat auf Religion angewiesen ist, in dem Alltagsund politische Tugendstandards wachgehalten werden.

Die Kirche tritt mit ihrer Anthropologie und Soziallehre gegen den individual- und sozialethischen Utilitarismus auf. Darin wurzelt auch das christliche Bemühen um die Stärkung der Konsensbasis, der gemeinsamen Grundwerte, der Verfassung und der Grundrechte, aber auch der Sorge für den inneren (Kärnten!) und den äußeren Frieden.

Die nicht reaktionär zugesperrte Kirche hat ein postkonziliares Verständnis der (Religions-)Freiheit entwickelt, das den Freiheitsraum des Menschen in seiner Personalität und Nichtverfügbarkeit weit über den Kreis der Gläubigkeit hinaus für alle Menschen offenhält, die bedrohten humanen Fähigkeiten zu Spiel, Freude,. Kunst und Meditation schützt und jenseits des isolierten Individuums die Primärgruppen Ehe und Familie als unersetzliche Personalisations- und Sozialisationsinstanzen fördert.

Und doch wäre es verfehlt, nur diese Funktionen anzuführen und das Proprium christlicher, kirchlicher Existenz zu verschweigen: ihr spezifisches Sinnangebot für die Welt, ihren Transzendenzbezug - mit den Worten des Konzils: „Die Kirche… ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ (Gaudium et Spes 76).

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