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Antwort „Ja-Nein” oder nur „No-Na”?

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Am 15. Juni sind die Vorarlberger wieder zur Urne gerufen; zum drittenmal innerhalb eines guten halben Jahres, wenn man die Landtagswahl des vergangenen Herbstes dazurechnet. Und bei der Beurteilung der politischen Hintergründe der bevorstehenden „Föderalismus-Abstimmung” muß man das.

Damals, nämlich im Landtagswahlkampf, rückte ein Bürgerkomitee mit überwiegend recht radikal formulierten Forderungen nach mehr Rechten Vorarlbergs innerhalb des Bundesstaates an, deren Erfüllung ganz eindeutig einen Vorarlberger Sonderstatus bedeuten würde.

Die Politiker der wahlwerbenden drei Parteien wurden damit kräftig unter Druck gesetzt. Während dann die führende ÖVP und ihr kleiner Koalitionspartner FPÖ die Forderungen aufgriffen und eine Behandlung im Landtag mit nachfolgender Volksabstimmung versprachen, machte die SPÖ nach innerparteilicher Diskussion Front gegen die Initiative.

Das Wahlergebnis bedeutete im Stimmenzuwachs (aber nicht im Mandatsgewinn) einen Erfolg für die Sozialisten.

Schlimmeres für das bürgerliche Lager hatte sicher eine besonnene Stellungnahme von Landeshauptmann Kessler kurz vor der Wahl abgewendet, als er die Ultras der Bürgerinitiative klar in die Schranken wies und das Vorarlberger Forderungsprogramm auf den Katalog des „Bundesländer-Forde-rungsprogrammes” mit der gleichzeitigen Zusicherung abstimmte, daß die Bundesverfassung substantiell auf keinen Fall in Frage gestellt werden solle. Dadurch wurden vor allem auch Anbiederungen allzu beflissen stimmenwerbender ÖVP-Mandatare an die Exponenten der Initiative abgeblockt.

Das schließlich im neuen Landtag zur Debatte gestellte Abstimmungspapier war in seinem Forderungskatalog und vor allem auch in seiner Formulierung durchaus auf Konsens aller drei Parteien abgestellt. Vor allem die ÖVP versuchte, die SPÖ für die Einheitsfront zu gewinnen. Aber die Vorentscheidung war bereits gefallen.

Während die Landtagsmehrheit sich auf die allgemein akzeptable Formulierung des Abstimmungspapieres berief, argumentierten die Sozialisten mit den zwar gedämpften aber immer noch sichtbaren Intentionen des im Komitee tonangebenden harten Kerns, als dessen „Chefideologen” allgemein Altlan-desamtsdirektor Dr. Grabherr und der” Chefredakteur der „Vorarlberger Nachrichten”, Franz Ortner, angesehen werden.

Inzwischen dämmerte auch im Komitee der Bürgerinitiative, daß die Volksmeinung mit Extremforderungen kaum zu gewinnen sei und machte verbal ziemliche Abstriche von den ursprünglichen Forderungen. Dies betrifft besonders die Formulierungen in bezug auf die Gastarbeiter und auf die bei der Lehrerschaft auf offenen Unwillen gestoßenen Forderungen nach mehr Länderkompetenzen im Schulwesen.

In Kompensation werden dafür jetzt die Vertreter der Nein-Parole pauschal zu Neolinken gestempelt, denen man sich in öffentlicher Diskussion nicht stellt. Die Befürworter der Nein-Parole kontern mit der ebenso pauschalen Klassifizierung der Befürworter als Alt-Nazis.

Natürlich lassen sich personelle Spuren dieser „Alt-Neu-Mischung” nachweisen, sie sind aber für keines der beiden Lager signifikant. Einziges Ergebnis solcher Polemik könnte ein Anwachsen des Anteiles abstimmungsverdrossener Bürger sein, die zwar der Abstimmungspflicht Folge zu leisten haben, sich aber mit ungültigen Stimmzetteln rächen könnten.

Zudem hat der nun vorliegende Abstimmungstext jede politische Brisanz verloren. Schon geht das Bonmot im Lande um, es handle sich nicht um eine Ja-Nein-Alternative, sondern um eine „No-Na-Frage”.

Vor allem, wenn man die als eher lustlos zu bezeichnende Resonanz bei den ÖVP-Spitzenpolitikern in den anderen Bundesländern betrachtet und das bisherige Schicksal des Bundeslän-derforderungsprogrammes (das ja die Bundesländer und nicht die Bundesregierung schubladisiert haben) in Rechnung stellt, ist kaum anzunehmen, daß mit der Vorarlberger Volksabstimmung in der österreichischen Innenpolitik neue Akzente gesetzt werden.

Umgekehrt wird die Abstimmung ganz bestimmt Wirkungen auf die Vorarlberger Landespolitik haben, wobei die unbestrittene Richtmarke für Erfolg oder Mißerfolg der Ja- und auch der Nein-Parole das Landtagswahlergebnis vom vergangenen Herbst sein wird. Damals konnten die Sozialisten ihren Stimmenanteil von 27,6 auf 29 Prozent verbessern. Wie die Dinge nun einmal liegen, wird also jeder über 70 Prozent hinausgehende Ja-Stimmen-Anteil eine Stärkung der bürgerlichen Regierungskoalition im Landhaus bedeuten und jeder Prozentpunkt der Nein-Stimmen über der 30-Prozent-Marke der sozialistischen Opposition im Landtag Auftrieb geben.

Für die Volkspartei sind beide denkbaren Ergebnisse nicht unproblematisch. Eine starke Ja-Mehrheit wird zweifellos den Ultras in der Bürgerinitiative das Wasser auf die Mühlen leiten.

Bei mehr als 30 Prozent Nein-Stimmen wird man eine parteipolitische Niederlage nur schwer wegdiskutieren können und zudem unweigerlich vom eigenen Lager unter Druck gesetzt werden, vom Land aus mehr „Föderalismus nach unten” zu praktizieren als bisher. Daß hier vor allem in der Beziehung Landesverwaltung zu Gemeinden noch Spielraum für Aktivitäten besteht, wird ernsthaft von niemand bestritten.

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