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Der neuemannte Bischof wurde am 12. Jänner 1936 in Leoben in der Steiermark geboren. Seine Großeltern väterlicherseits waren 1909 aus dem Gurktai (Kärnten) nach Leoben übersiedelt, um in der aufblühenden Eisenindustrie Arbeit und Brot zu finden. Sein Vater arbeitete hier bis 1938 im Kohlebergbau Seegraben, dann als Angestellter bei der Bundespost. Er starb im Herbst dieses Jahres. Die Großeltern mütterlicherseits waren aus der Untersteiermark und aus Krain ebenfalls um 1910 nach Leoben gekommen.

Egon Kapellari, der noch zwei jüngere Geschwister hat, schloß sein Studium der Rechtswissenschaften in Graz bereits 1957 mit dem Doktorat ab und begann noch im selben Jahr das Studium

der Philosophie und Theologie an der Universität Salzburg. Im Herbst 1959 trat er in das Priesterseminar in Graz ein und setzte hier an der Karl-Franzens-Uni- versität sein Theologiestudium fort, das er im Juli 1962 mit dem Erwerb des Absolutoriums beendete.

Schon am 9. Juli 1961 — also noch als Alumne des Priesterseminares — ist Egon Kapellari von Bischof Josef Schoiswohl im Dom zu Graz zum Priester geweiht worden. Die Predigt zur Primiz in seiner Heimatpfarre Leoben-Waasen hielt ihm sein langjähriger Religionslehrer Josef Pfandl, der früher auch Hochschulseelsorger in Leoben gewesen war.

Da auch ich am Lichtenfelsgymnasium in Graz Josef Pfandl

als Religionsprofessor hatte, kann ich abschätzen, welche prägende Bedeutung dieser priesterliche Pädagoge für Egon Kapellari gehabt haben mag. Bei Pfandl gab es kaum eine Religionsstunde, in der nicht die behandelten Fragen auch in ihrem Zusammenhang mit Literatur, Philosophie und Kunst mit hohen intellektuellen Ansprüchen, zugleich aber auch mit spürbarer existentieller Brisanz zur Sprache gekommen sind. Dazu kam seine selbstlose Offenheit für Kontakte und persönliches Gespräch, die jahrzehn- te überdauernde Freundschaften begründet hat. Gerade diese Intentionen hat Egon Kapellari später, als er selbst Hochschulseelsorger geworden war, in eigenständiger Ausprägung und mit denselben Konsequenzen verwirklicht.

Zunächst aber wurde Kapellari nach Abschluß seiner Studien 1962 zum Kaplan in der Stadtrandpfarre Graz-Kalvarienberg bestellt. Hier lernte er ein Milieu kennen, das durch ganz verschiedene Gegebenheiten wie Wallfahrten zum Kalvarienberg, traditionelle Vorstadtverhältnisse, kleine und mittlere Industriebetriebe und große Neubaukomplexe gekennzeichnet war.

Aber schon 1964 wurde Kapellari zum Hochschulseelsorger (zugleich Studentenpfarrer) als Nachfolger von Ludwig Reichenpfader bestellt, und hatte nun beinahe 18 Jahre diesen verantwortungsvollen Posten inne. Mit gutem Grund kann man sagen, daß Kapellari durch diese Aufgabe seine besondere Profilierung erfahren hat, daß aber ebenso auch die Hochschulseelsorge in Graz durch ihn unverwechselbar geprägt worden ist.

Während dieser Zeit ist die Zahl der Studierenden an den drei Grazer Hochschulen von etwa 10.000 auf fast 25.000 gestiegen. Trotz aller Veränderungen in der Hochschulszene während der letzten beiden Jahrzehnte ist die Arbeit in der Grazer Hochschulgemeinde und deren Tätigkeit nach außen durch eine Konstanz gekennzeichnet, die als ein besonderes Charakteristikum für Graz gilt

Bei allem Gewicht, das Kapellari dem sozialen Dienst beigemessen hat (Ausbau der Studentenheime und der Mensa, Mitarbeit in der Bahnhofsmission, in der Sozialfürsorge, in der Caritas, …) und bei all seiner Aufmerksamkeit für Fragen der Entwicklungshilfe und der Verantwortung für die Dritte Welt (Ausbau und Führung des Afro-Asia- tischen Instituts), stellte er das geistliche Leben immer und ganz bewußt in die Mitte der Hochschulgemeinde. Der Liturgie galt seine besondere Sorge; die Entfaltung einer substantiellen und existentiell tragfesten Frömmigkeit, deren gründliche theologische Begründung und die Integration von Theologie, Spiritualität und christlichem Leben waren und blieben seine beharrlich verfolgten Ziele in den vielfältigen Strömungen und Zeiterscheinungen.

Kritische Auseinandersetzung und Integration waren Grundtendenzen, die Kapellaris Konzept der Hochschulseelsorge gekennzeichnet haben. Neue Entwicklungen in Literatur und Kunst, in Theologie und Anthropologie, in Politik und Wirtschaft wurden nicht nur registriert, sondern sorgfältig untersucht und konsequent aufgearbeitet.

Die Verflochtenheit von Ethik und Ästhetik, von Kunst und Frömmigkeit, von Glauben und Wissenschaft trotz aller bemerkbaren Spannungen unterstrich Egon Kapellari immer wieder mit großem Nachdruck. Bei voller Bejahung des nachkonziliaren Pluralismus in theologischen Meinungen und in Äußerungen des Glaubens hat bei ihm die Integration sowohl im Leben des einzelnen wie in der Einheit der Kirche grundsätzlich Vorrang.

So hat sich Kapellari nicht nur als Studentenpfarrer verstanden, sondern als Seelsorger, der auch mit den Professoren und Assistenten der Grazer Hochschulen Kontakte pflegte. Die unzähligen persönlichen Verbindungen mit Absolventen dokumentieren die Tiefe und Nachhaltigkeit seines Wirkens. Für seinen Nachfolger dürfte es jedenfalls schwierig sein, mit den gesetzten Maßstäben konfrontiert zu werden.

In Predigten, Vorträgen und schriftlichen Veröffentlichungen hat sich Egon Kapellari als tiefer Denker und glänzender Formu- lierer profiliert, der die Konzentration und Aufmerksamkeit seiner Leser und Hörer immer herausfordert und manchesmal auch auf die Probe stellt.

Die Lücke, die Kapellari in der Steiermark hinterläßt, wird spürbar sein. Die Diözese Gurk-Klagenfurt aber hat einen Bischof bekommen, der Leitung als Dienst versteht und seine hohe intellektuelle und spirituelle Begabung für seine neuen Aufgaben einsetzen wird.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Liturgiewissenschaft an der Universität Graz.

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