6984254-1986_20_07.jpg
Digital In Arbeit

Apokalypse auf Abruf

19451960198020002020

Grenzprobleme zwischen den beiden Kleinstaaten hat es schon immer gegeben. Durch die Machtübernahme der Sandini-sten in Managua wurde daraus ein Ost-West-Konflikt.

19451960198020002020

Grenzprobleme zwischen den beiden Kleinstaaten hat es schon immer gegeben. Durch die Machtübernahme der Sandini-sten in Managua wurde daraus ein Ost-West-Konflikt.

Werbung
Werbung
Werbung

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Wer von den beiden mittelamerikanischen Staaten Honduras und Nikaragua der Frömmere oder der Böse ist, hängt vom ideologischen Standpunkt des Betrachters ab. Die Lunte am Pulverfaß Zentralamerika brannte in den letzten Wochen schneller und heller denn je zuvor. Ihre Länge beträgt rund 900 Kilometer, was der gemeinsamen Grenze zwischen den verfeindeten Nationen Nikaragua und Honduras entspricht.

An der heißesten Grenze Lateinamerikas stehen einander die Armeen beider Länder zuweilen auf Rufweite Gewehr bei Fuß gegenüber. Ein gegenseitiges Belauern, bei dem es immer wieder zu Scharmützeln und sporadischen Feuergefechten kommt. Mehr als 450 bewaffnete Zusammenstöße wurden in den letzten Jahren in der Grenzregion registriert.

Meist handelt es sich hierbei um Artillerie- und Raketenwerferüberfälle sowie Kommandounternehmen der Sandinisten, die ins nachbarliche Terrain vorgetragen werden. Jedoch legen es die Revolutionsgarden keineswegs darauf an, in Auseinandersetzungen mit regulären honduranischen Streitkräften verwik-kel| zu werden, vielmehr versuchen sie, Stellungen und Trainingslager der Contras ausfindig zu machen, die die Grenzregion zwischen beiden Nationen als Bereitstellungsraum nutzen.

Managua zog bisher bei den bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem Nachbarland den kürzeren. 1961 sprach der internationale Gerichtshof von Den Haag, die im Norden gelegene Misquitia (48.000 Quadratkilometer), die von Nikaragua beansprucht wurde, den Honduranern zu. Heute siedeln zum Teil aus Nikaragua geflohene Eingeborene in der Region. Um seinen berechtigten Gebietsforderungen Nachdruck zu verleihen, bombardierte damals die honduranische Luftwaffe am Geburtstag des Diktators Luis So-moza Debayle das Areal um Mo-coron.

Uberhaupt bildet bis heute die Luftwaffe die Hauptstütze der etwa 25.000 Mann starken honduranischen Streitkräfte, die zahlenmäßig kaum in der Lage sind, die Grenzen ihres Landes wirksam zu sichern. Die Wogen des nikaraguanischen und salvadoriani-schen Bürgerkrieges schwappen oft auf nationales Gebiet über. Mehr als 70.000 legal registrierte Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten müssen von dem zweitärmsten Land Lateinamerikas versorgt werden und stellen für die Regierung Jose Azcona eine zusätzliche soziale Belastung dar.

Hinter den verfeindeten Brüdern stehen jedoch als Drahtzieher die beiden Supermächte. Die von Cuba und Nikaragua beschlossene Expansionsstrategie der Revolution ging bis Ende 1981 davon aus, Honduras von Aktionen auszuklammern und sich ganz auf El Salvador zu konzentrieren. Dies sollte solange so bleiben, wie sich die Honduraner neutral verhalten und nicht die subversiven Kreise Managuas stören würden.

Doch Tegucigalpa, beeinflußt durch die USA, dachte nicht daran, angesichts der Ausdehnung revolutionärer Aktivitäten die Hände in den Schoß zu legen. Da die erhoffte Neutralität nicht eintrat, unterstützten die Sandinisten verschiedene Aktionen der honduranischen Stadtguerilla im Verlauf von 1982.

Im Juli 1983 scheiterte der Versuch, von Nikaragua aus honduranische Guerilleros in die Region von Olancho einzuschleusen, um Lager der Contra auszuheben. Rund zwei Drittel der Truppe ergaben sich der Armee. Der Rest verhungerte im Dschungel. Ein ähnliches Unternehmen scheiterte ebenfalls ein Jahr später. Die Guerilleros stellten sich den staatlichen Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr wurden sieben Mitglieder des nikaraguanischen Sicherheitsdienstes in Honduras verhaftet, die die vier im Lande operierenden Guerillagruppen mit Waffen und Propaganda versorgen sollten.

Auf der anderen Seite wuchs die antisandinistische Widerstandsbewegung in Honduras von 500 Mann 1981 auf 7000 im Mai 1983 bis auf über 20.000 Kämpfer heute an. Mehr als 100 Millionen Dollar flössen der antikommunistischen

Guerilla in den vergangenen fünf Jahren zu. Jetzt hofft der amerikanische Präsident Ronald Reagan, der sich selbst zum Contra erklärt hat, unter dem Motto „Nicht kleckern, klotzen“ mit weiteren 100 Millionen US-Dollar die Kommandanten in Managua an den Verhandlungstisch mit der Opposition zu bomben.

Mit immer neuen gemeinsamen Manövern trimmen die USA die kleine honduranische Armee zu einer kampfstarken Truppe. Rund 158 Millionen US-Dollar Wirtschafts- sowie fast 90 Millionen Dollar Militärhilfe erhält Honduras im kommenden Jahr. Ob die jüngste Nothilfe für die Armee in Höhe von 20 Millionen Dollar in der zuvor genannten Summe enthalten ist, erscheint unklar. Spekulationen laufen darauf hin, daß die Extra-JJnJtex-stützung sich in Form von Kampfhubschraubern ausdrucken wird.

Was den Amerikanern recht, scheint dem Ostblock billig. Nikaragua erhält vorsichtigen Schätzungen nach momentan 260 Millionen Dollar aus der UdSSR sowie 35 und 20 Millionen aus der DDR und Cuba. Insgesamt soll sich die Ostblockhilfe der letzten fünf Jahre auf über eine Milliarde US-Dollar belaufen. Rund zwei Drittel des Betrages machen Rüstungsgüter aus.

Nicht erst die Ost-West-Konfrontation der letzten Jahre trieb den Nachbarstaat Honduras mit einem lachenden und einem weinenden Auge in die Arme des Pentagon. Seit 1954 besteht zwischen beiden Nationen ein Pakt der Kooperation und Verteidigung. Immer wieder drängte die Regierung in Tegucigalpa die Regierung in Managua, den Rüstungswettlauf zu stoppen, stieß jedoch bei den Revolutionären auf taube Ohren. Übrigens genauso wie die Abrüstungsvorschläge-.der Con-tadora-Staaten.

Ein Ende des Rüstungswettlaufs auf dem Isthmus scheint kaum in Sicht. Rund 20 Millionen Zentralamerikaner leben auf einem Pulverfaß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung