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Appell an den Stolz

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Es war das größte Filmfest mit afrikanischen Filmen, das bisher in deutschsprachigen Ländern stattgefunden hat: 40 Filme aus 15 Ländern haben mehr als 2.500 Besucher zu dem von den Grazer Filmgesprächen und dem Grazer Afro Asiatischen Institut veranstalteten Filmfest gebracht, auch sechs Regisseure und mehrere Experten waren eingeladen.

Wenn Meryl Streep vor untergehender Sonne mit Robert Redford tiefsinnige Gespräche führt, so ist Afrika Kulisse für ein Spiel, das sich Amerikaner für ihr amerikanisches und europäisches Publikum ausgedacht haben. „Out of Africa“ bekommt ungewollt eine andere Bedeutung.

Der afrikanische Film, der hier gemeint ist und der im deutschsprachigen Europa noch fast völlig unbekannt ist, spricht eine andere Sprache, weiß mit anderen Bildern zu erzählen. Wie kein zweites Medium entspricht der Film einer Kultur, die vor allem auf mündlicher Uberlieferung beruht und noch stark von Analphabetismus geprägt ist.

Das haben auch eine Reihe von Machthabern in Afrika begriffen, und es mag verwundern, wenn ausgerechnet eines der ärmsten Länder der Welt—Burkina Faso— eines der wichtigsten Filmländer dieses Kontinents ist. Alle zwei Jahre veranstaltet Burkina Faso, alternierend mit den Filmtagen von Karthago (ICC), seit 1969 die FESPACO - ein Filmfestival, das der jüngeren Generation von Regisseuren ein ganz neues Bewußtsein vom afrikanischen Film und vom Kontinent überhaupt vermitteln konnte.

Außer in Ouagadougou (Burkina Faso) gibt es in Afrika keine Filmhochschule, was bedeutet, daß jeder angehende Filmregisseur gezwungen ist, nach Paris oder anderswohin zu gehen. Inkulturation ist also gleichsam eine Voraussetzung für diesen Beruf. Paris ist nach wie vor die wichtigste Adresse für afrikanische Regisseure, die ihren Film meistens nach den Dreharbeiten dort fertigstellen.

Die Anfänge des afrikanischen Films waren ethnologisch und dokumentarisch orientiert. Ganze Generationen von Regisseuren wurden vom „Vater“ des afrikanischen Films, Jean Rouch, geprägt. Nach ihm waren vor allem die politische Entkolonialisierung, die andauernde wirtschaftliche Ausbeutung, die Entfremdung von der Tradition und die Rückbesinnung auf afrikanische Werte Themen der Filmemacher — Filme als Anklage gegen alte und neue Kolonisatoren, Filme als Mittel der politischen Auseinandersetzung.

Ab dem Jahr 1980 etwa ist eine neue Generation von Regisseuren herangewachsen, die nicht mehr so stark unter dem Eindruck des Befreiungskampfes stand und so andere Aspekte in den Vordergrund stellen konnte. Der Tenor der Kritik ist seither nicht destruktiv, sondern appellativ: mehr Stolz auf die eigenen Fähigkeiten, mehr Selbstbewußtsein.

Der überall präsente Konflikt zwischen Tradition und Modernität, die unvermeidliche Akkultu-ration an Einflüssen von außen sind nur einige Stichworte, um dieses Spannungsfeld zu beschreiben. Dieser Konflikt hat viele Seiten, er zeigt sich im Aufeinanderprallen von westlich geprägtem Egoismus und afrikanischem Gemeinschaftsdenken ebenso wie in der Entwicklung von einer fortschrittskritischen Landbevölkerung hin zu einer traditionsverachtenden Stadtbevölkerung.

Bei der zweitägigen Seminarveranstaltung, die anläßlich von „Kinoir“ in Graz stattgefunden hat, konnten anwesende Regisseure wie Med Hondo (Mauretanien), Ferid Boughedir (Tunesien), Jean-Marie Teno (Kamerun) und andere sehr anschaulich die Suche nach einer neuen Identität des afrikanischen Films und des afrikanischen Kontinents überhaupt vermitteln. Es ist eine Suche nach Identität, die mit Rücksicht auf den Wandel der Gesellschaft auf überlieferten Werten aufbaut, ohne sich gleichzeitig fortschrittsgläubig anzupassen.

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