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Arabische Welt: Jeder gegen jeden

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Kurz vor der am 25. November im marokkanischen Fes beginnenden Gipfelkonferenz präsentiert sich die arabische Staatenwelt so gespalten wie eh und je. Zu einer noch schärferen Polarisierung könnte in Fes die Diskussion über den Friedensplan des saudischen Kronprinzen Fahd beitragen.

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Kurz vor der am 25. November im marokkanischen Fes beginnenden Gipfelkonferenz präsentiert sich die arabische Staatenwelt so gespalten wie eh und je. Zu einer noch schärferen Polarisierung könnte in Fes die Diskussion über den Friedensplan des saudischen Kronprinzen Fahd beitragen.

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Auf den ersten Blick scheint die Frontenbildung innerhalb der arabischen Welt eindeutig: Auf der einen Seite stehen die erklärten prowestlichen Staaten, die sich auch nicht scheuen, mit den USA auf militärischem Gebiet eng zusammenzuarbeiten. Es sind dies Ägypten (wobei es nach der Ermordung Sadats freilich fraglich ist, ob der außenpolitische Kurs Kairos auch in Zukunft so klar und ausschließlich auf Washington ausgerichtet ist), Sudan, Somalia und Oman.

In diesen Staaten übt derzeit auch die amerikanische „Rapid Deployment Force“, die mobile Eingreiftruppe der US-Streit- kräfte, die vor allem für Einsätze im Nahen Osten und rund um den Persisch-Arabischen Golf vorgesehen ist.

Auf der anderen Seite stehen die prosowjetischen, arabisch- progressistischen Regime: Syri-

en, Libyen, Südjemen. Mit Vorbehalten muß zu dieser Gruppe der radikalen Araber-Staaten auch Algerien gezählt werden. Diese vier Staaten zusammen bilden gemeinsam mit der PLO die Ablehnungsfront gegen das Camp-Da- vid-Abkommen.

Eine dritte Gruppe bilden schließlich die eher gemäßigten, mehr oder weniger prowestlich orientierten Staaten, die sich um den Erdölgiganten Saudiarabien gruppiert haben: Kuwait, Bahrein, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch Jordanien, Marokko und Tunesien müssen dieser Gruppe zugerechnet werden.

Eine allzu enge Anlehnung an westliche, vor allem aber amerikanische Positionen, ist in diesen Staaten schon aus innenpolitischen Gründen kaum möglich: einmal weil Palästinenser in der

Politik mancher Länder ein gewichtiges Wort mitzureden haben (etwa in Kuwait) - oder weil sich starke islamisch-fundamentalistische Kreise mit ihrer antiwestlichen, antiamerikanischen Ein

stellung gegen einen Schulterschluß mit Washington mit allen Mitteln zur Wehr setzen würden (Saudiarabien).

Ein weiteres wichtiges arabisches Land schließlich, der Irak, steht auf Grund seines Krieges mit dem Iran derzeit ziemlich isoliert da. Einzig Jordanien unterstützt Saddam Husseins Krieg gegen das Chomeini-Regime vorbehaltlos, während Saudiarabien und die Golfstaaten den Irakern finanziell unter die Arme greifen.

Indes ist die arabische Wirklichkeit viel komplexer, als es diese Aufzählung der einzelnen Gruppierungen veranschaulichen mag. Denn selbst innerhalb der Allianzen lassen sich die Interessen der einzelnen Staaten nur schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Dazu kommt die ständige Einflußnahme von außen, vor allem von seiten der Supermächte.

Nicht nur einmal haben gleichsam über Nacht außenpolitische

Kursänderungen einzelner Staaten völlig neue Kräfteverhältnisse geschaffen; das macht die Einschätzung der politischen Situation in der arabischen Welt auch so schwierig. Hier einfache politische Schwarz-Weiß-Schemata anzuwenden, um die Kräftekonstellationen aufzuschlüsseln, beziehungsweise um neue Allianzen zu formen, kann katastrophale Folgen haben.

Wenn es derzeit einen gemeinsamen Nenner aller- arabischen Staaten (mit Ausnahme Ägyptens) gibt, abgesehen jetzt von Sprache und Religion, ist es die gemeinsame Feindschaft gegen Israel. Aber bislang hat dieser Nenner - und das wird wohl auch in Fes nicht anders werden - keineswegs dazu geführt, daß sich die arabische Welt über die tiefen politischen und ideologischen Klüfte hinweg zu einer gemeinsamen Strategie entschließen konnte.

Das gegenseitige Mißtrauen unter den Arabern scheint unüberwindbar: Die prowestlichen mißtrauen den proöstlichen, die laizistischen den religiös-fundamentalistisch regierten Staaten, Sozialisten den Feudalisten, Pro- gressisten den Monarchisten, die irakischen den syrischen Baathi- sten, Sunniten den Schiiten, die nationalen und religiösen Minderheiten den Mehrheiten, die Streitkräfte den Geheimdiensten usw.

Wer da im Trüben fischen will, findet ideale Voraussetzungen und von außen wird diese Tatsache auch weidlich ausgenützt.

Es ist aus diesen Gründen auch kaum anzunehmen, daß der Acht- Punkte-Plan des saudischen Kronprinzen Fahd zur Lösung des Nahost-Konfliktes (siehe FURCHE Nr. 37) von der Gipfelkonferenz der arabischen Staatshäupter in Fes angenommen wird — im Gegenteil: Radikalen Arabern ist schon einmal ein Dorn im Auge, daß darin das Recht der Staaten der Nahostregion anerkannt wird, in Frieden zu leben — also auch Israels.

Zudem muß es für diese Radikalinskis ein Warnsignal sein, daß in Europa, aber auch in höchsten Stellen Washingtons, der Fahd-Plan mit qualifiziertem Wohlwollen betrachtet wird - in den Augen Libyens, Syriens und Südjemens ein Beweis dafür, daß dieser Plan ein „Machwerk der neuen amerikanisch-saudischen Allianz“ ist…

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