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Digital In Arbeit

Arbeit um Gottes Lohn

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Nach einem zwei Jahrhunderte andauernden Anstieg der bezahlten Berufsarbeit mehren sich die Zeichen einer Umkehr zu mehr Eigenleistung und freiwilligen Tätigkeiten.

Zu diesem Schluß kommt zumindest eine von Wirtschaftswissenschaftlern und Statistikern herausgegebene Studie zu einem Thema, zu dem es bislang nur Spekulationen gab: Die sogenannte „parallele” Wirtschaft, besser bekannt als „Pfusch”, Eigenleistungen und Tätigkeiten auf freiwilliger Basis. Mit Hilfe amtlicher Statistiken wurde errechnet, daß die österreichische Bevölkerung außerhalb der reinen Erwerbstätigkeit und der Hausarbeit noch Zeit für produktive Zwecke verwendet, deren Volumen mindestens 30 Prozent der in der „formellen” Wirtschaft geleisteten Arbeit entspricht.

Beachtlich dabei sind die Dimensionen an freiwilligen, unbezahlten Tätigkeiten.

Rund 2,7 Millionen Menschen sind in selbstgewählten Bereichen engagiert, während „nur” 476.000 im Verborgenen wirtschaften.

Untersucht wurden im Rahmen dieser Studie die großen Organisationen, die nicht auf Gewinne ausgerichtet sind und teilweise eine große Zahl an freiwilligen Mitarbeitern aufweisen. Welch ein beachtliches Potential an Engagement, Zeit und Arbeitskraft dabei aufgewendet wird, sei nur anhand eines Beispieles demonstriert.

Eine der traditionsreichsten Hilfsorganisationen dieser Art ist das Rote Kreuz. 1979 betrug dort die Zahl der Freiwilligen 26.471, die der entgeltlich Beschäftigten 1.657. Zwei Jahre später (1981) leisteten hier schon 28.279 ihre frei-wüligen Dienste und die letzte Bestandsaufnahme aus 1983 ergab eine neuerliche Erhöhung auf 30.400 Mitarbeiter.

Einschränkend soll noch hinzugefügt werden, daß die unbezahlten Angehörigen des Roten Kreuzes stundenmäßig sicherlich weniger leisten und umgerechnet „nur” rund 6.100 fiktive Erwerbstätige ersetzen.

Zum Vergleich noch zwei Indikatoren für die Ausmaße dieser Arbeitslust: Die freiwilligen Pflegeleistungen von Frauen entsprechen einem Potential von rund 28.000 ganztägig erwerbstätigen Personen, mehr als 20.000 fiktiv ganztägig beschäftigte Personen sind in der Altenbetreuung tätig.

Die Motive, die hinter dieser Bereitschaft stehen, sind natürlich vielschichtig.

Abgesehen von der Freude, anderen zu helfen und dem Gefühl, gebraucht zu werden, spielen auch egoistische Beweggründe eine Rolle. Die Hoffnung, Vorteile durch entsprechende Kontakte zu erlangen, auf die man später zurückgreifen kann oder die geheime Hoffnung, doch bei entsprechender Gelegenheit eine Gegenleistung zu erhalten. Mangelnde soziale Integration, unter der man leidet oder Unterbeschäftigung am Arbeitsplatz sind nicht unwesentliche Anreize.

Zwei Schlüsse lassen sich aber zweifellos aus dieser Untersuchung ziehen: Die Bereitstellung eines noch so dichten Sozialnetzes reicht nicht aus, vorhandene soziale Bedürfnisse abzudecken.

Andererseits scheint in unserer Arbeitswelt, in der soviel reglementiert und bürokratisiert wird, ein nicht unbeträchtliches Potential an Arbeitslust und schöpferisches Geschick vorhanden zu sein, das in den normalen Arbeitsprozeß nicht eingebracht werden kann und in anderen Bereichen zum Ausdrück kommt.

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