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Digital In Arbeit

Arbeitsleid kann vermindert werden

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Bei der Frage „Wer soll sich anpassen — der Mensch den wirtschaftlichen Gegebenheiten oder umgekehrt?“ scheint auf den ersten Blick die Komplexität wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Beziehungen vernachlässigt zu sein. Und doch: geht es heute nicht wirklich in hohem Maße darum, welche Stellung individuelle Werte im Verhältnis zu bestehenden Rahmenbedingungen einnehmen sollen, die allzuoft als „Sachzwänge“ Einordnung, Anpassung, ja oft sogar Unterordnung verlangen?

Noch nie so deutlich wie heute ist das Spannungsfeld zwischen den Anliegen des Menschen auf der einen Seite und den technisch/ wirtschaftlich/sozialen Entwicklungen andererseits zu spüren.

Noch nie in den letzten Jahrzehnten war in Österreich der Anteil der Bevölkerung höher, der der zukünftigen Entwicklung mit Pessimismus entgegensieht. Das hängt nicht nur damit zusammen, daß man in den neuen Technologien zumeist Job-Killer sieht und nicht Job-Knüller; auch bei vielen anderen Problembereichen sehen die Österreicher mit negativen Erwartungen in die Zukunft. Gegenwärtig ist beispielsweise eine ganz deutliche Mehrheit der

Österreicher davon überzeugt, daß es nicht gelingen wird, die Umweltprobleme, insbesondere das Waldsterben, zu lösen.

Zu bestehenden Verunsicherungen im beruflichen Bereich tritt für viele Menschen noch der Verlust traditioneller Geborgenheit in der Familie. Frühere starke Bindungen und Einbindungen sind lose geworden, Oberflächlichkeit an die Stelle emotionaler Beziehungen getreten. Materielle Ziele und Ansprüche rangieren heute vor menschlicher Verbundenheit.

Hinter den nüchternen Zahlen, wonach jede dritte Ehe geschieden wird, verbergen sich ein tingeahntes Konfliktpotential, Aggression, Frustration und seelische Entwurzelung.

Traditionelle Werte haben stark an Anziehungskraft verloren, neue sind nicht an ihre Stelle getreten. Der Glaube an das Machbare ist längst verlorengegangen, Technik wird heute mehr als Fluch denn als Segen verstanden.

Die Industrie, in früheren Jahrzehnten Hoffnungsträger für Wohlstand und materielle Sicherheit, ist heute zunehmend Anfeindungen ausgesetzt. Aggressionen werden gegen sie frei, geboren und ernährt aus der Unsicherheit der Menschen. Man spricht von Arbeitsleid anstelle von Arbeitsfreude.

Viele Ursachen der „Entfremdung“ von der Arbeit und der Empfindung derselben als „Arbeitsleid“ liegen darin begründet, daß Arbeit heute allzuoft nur als notwendige Voraussetzung dafür angesehen wird, daß man sich persönliche Wünsche in der Freizeit auch materiell leisten kann. Urlaub, Wochenende, Feiertage, Freizeit — dies alles wird heute nicht in einem natürlichen Zusammenhang, sondern oft im Gegensatz zum Begriff der Arbeit gesehen.

Eine der Ursachen für diese Entwicklung liegt zweifellos in der zunehmenden Spezialisierung des Arbeitsprozesses, der einen Uberblick über das Ganze, ein Erkennen des Zusammenhanges und damit eine Einsicht in die Wertigkeit des Arbeitsprozesses zunehmend erschwert. Die moderne Organisationsentwicklung hat dies erkannt und bemüht sich, hier Gegengewichte zu schaffen.

In einem Betrieb, bei dem durch Serienfertigung sehr monotone Tätigkeiten zu verrichten sind -in einem unserer Werke ist dies der Fall -, empfiehlt sich, die Leute bei ihrer Tätigkeit abwechseln zu lassen. Das bringt für den Betrieb den Vorteil, daß er im Personaleinsatz viel flexibler wird, für den Mitarbeiter hat es den Vorteil, daß er mehrere Tätigkeitsbereiche beziehungsweise Arbeitsgebiete kennenlernt und für ihn die Tätigkeit daher interessanter und überschaubarer wird sowie der Sinn der Tätigkeit für den Mitarbeiter leichter zu erkennen ist.

Das Abwechseln bei den einzelnen Tätigkeiten bringt aber auch einen anderen, sehr wesentlichen Vorteil: man kann sich die Arbeitsbewertung für Arbeiten mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad ersparen; eine einheitliche Bezahlungshöhe vermeidet viele innerbetriebliche Konflikte, fördert die Zufriedenheit am Arbeitsplatz, das Betriebsklima und die Motivation.

Aus unseren Erfahrungen haben wir gesehen, daß trotz einheitlicher Bezahlung jüngere Mitarbeiter freiwillig die schwierigeren Tätigkeiten übernehmen und die leichteren Arbeiten den älteren Mitarbeitern überlassen. Wir haben erkennen können, daß viele Dinge keine große Planung oder Reglementierung benötigen, sondern durch einen höheren Freiheitsgrad in der Organisation zum Vorteil des Betriebes und seiner Mitarbeiter machbar sind. Daß mit der daraus resultierenden Zufriedenheit am Arbeitsplatz auch die Arbeit mehr als Freude und weniger als Leid empfunden wird, ergibt sich dann von selbst.

Der Autor ist Industrieller (Bauhütte Leitl-Werke) Bundesvorsitzender der „Jungen Industrie““ und seit kurzem -öberösterreichl-scher Landtagsabgeordneter. KS5

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