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Arbeitslosigkeit: am Land viel ärger

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Ab Ende der fünfziger Jahre war der Arbeitsmarkt in den Zentren ausgeschöpft. Es kam zu einer Welle von Betriebsgründungen in peripheren Gebieten. Die ländliche Bevölkerung fand dadurch besser entlohnte Arbeit in Industrie und Gewerbe. Dies war die entscheidende Voraussetzung für einen raschen Wandel der Agrarstruktur.

Als Folge dieser Entwicklung nahm die Wirtschaftskraft der peripheren Gebiete rascher zu als die der Zentralräume. Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung über die Wertschöpfung nach politischen Bezirken belegen diese Tendenz.

So ist zum Beispiel die Netto-Wertschöpfung je Beschäftigten im österreichischen Mittel zwischen 1961 und 1971 um neun Prozent pro Jahr gewachsen. Für die Ballungsgebiete wurde die jährliche Zunahme mit 8,7, für Agrarge-biete mit 9,7 Prozent errechnet.

Die Flaute der vergangenen Jahre hat diesen Aufholprozeß jäh gestoppt. Anzeichen sprechen dafür, daß die Unterschiede zwischen Stadt und Land wieder größer werden. 1971 wurden in den agrarisch geprägten Bezirken noch 2483 industrielle Arbeitsplätze neu gegründet, bloß 241 gingen durch Betriebsstillegungen verloren.

1981 standen hingegen nur mehr 464 Arbeitsplätze in neu gegründeten Industriebetrieben zur Verfügung, 891 gingen verloren. Einem Netto-Zuigang von 2242 Arbeitsplätzen im Jahre 1971 stand ein Netto-Verlust von 427 Arbeitsplätzen gegenüber.

In der Flaute stagniert die Nachfrage nach Arbeitskräften. Die wenigen expansionswilligen Betriebe finden genügend Arbeitskräfte in den Zentralräumen, Verlagerungen in periphere Gebiete sind nicht mehr erforderlich. Dadurch kommen die bekannten Vorteile der Agglomeration (Marktnähe, vielfältige „Fühlungsvorteile") voll zum Tragen.

Unterschiede in der wirtschaftlichen Dynamik finden ihren Niederschlag auf den regionalen Arbeitsmärkten. Nach Berechnungen des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung entfielen im Jahresmittel 1981 auf jede offene Stelle im österreichischen Durchschnitt 2,7 Arbeitslose. In den Agrargebieten waren es 4,9, in den Ballungsgebieten bloß 2,3.

In den Wintermonaten ist die Differenzierung zu Lasten der ländlichen Gebiete durch hohe Saisonarbeitslosigkeit im ländlichen Raum ausgeprägter als im Sommer.

Die Nebenerwerbsbauern sind von der Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch betroffen. Dies deshalb, weil der ländliche trbeitsmarkt auf wirtschaftliche chwierigkeiten besonders empfindlich reagiert. Nebenerwerbsbauern sind weiters in Berufsgruppen, die die Flaute besonders zu spüren bekommen, überdurchschnittlich vertreten. Sie sind besonders oft im Bauwesen, in der Metallerzeugung und -Verarbeitung sowie in der Holzverarbeitung anzutreffen.

Genau diese Berufsgruppen trugen bisher die Hauptlast des Konjunkturrückschlages. Unter den Bau-, Metall- und Holzarbeitern ist die Zahl der Arbeitslosen zwischen Juli 1980 und Juli 1982 auf das Vierfache gestiegen. Bei den übrigen Berufen wurde bloß eine Verdoppelung registriert.

Die Fakten sprechen dafür, daß der ländliche Raum von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der letzten Jahre besonders hart getroffen wurde. Falls die Wirtschaftsflaute in den achtziger Jahren anhält oder sich sogar verschärft, dürfte die Lage in den agrarisch geprägten Bezirken noch schwieriger werden ...

Zur Stützung der Konjunktur und damit zur Entlastung des Arbeitsmarktes wurde im Frühjahr 1982 ein erstes Beschäftigungsprogramm beschlossen, ein zweites und drittes folgten. Obwohl der ländliche Raum von der Flaute besonders betroffen ist und zugleich einen erheblichen Nachholbedarf auf verschiedenen Gebieten hat, wurde in der bisherigen Diskussion rund um diese Beschäftigungsprogramme der ländliche Raum kaum beachtet.

Dabei ist es durchaus möglich, daß Ausgaben zur Entwicklung dieser Gebiete, wie zum Beispiel der Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Wege, Wasserversorgung, Kanal, Strom, Telefon, usw.) oder die Sanierung der überalterten Bausubstanzen in den Dörfern, den üblichen Anfor-

Positive Nebeneffekte derungen, die an Konjunkturbe-lebungs- und Beschäftigungsprogramme gesteilt werden, sehr gut entsprechen.

Fallstudien in der Bundesrepublik Deutschland weisen darauf hin; daß Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes einen hohen Produktions- und Beschäftigungsmultiplikator haben. Sie belasten die Zahlungsbilanz relativ wenig und haben zudem positive Nebeneffekte.

Sie bringen wirtschaftliche Impulse dort, wo sie besonders notwendig sind und wären ein Schritt zu gleichwertigeren Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land.

Auszug aus einem Vortrag von Univ.- Doz. Matthias Schneider im Rahmen eines Symposiums in Weiten. Aus: INTERNATIONALES SYMPOSIUM: ARBEITSMARKT LANDLICHER RAUM. Osterreichische Gesellschaft für Land- und Forstwirtschaftspolitik, Wien 1983. 180 Seiten, öS 308,-.

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