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Digital In Arbeit

Arbeitszeit „ä la carte“

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Der Großteil der Menschen ist heute in ein fixes Arbeitszeitschema gepreßt. Ein Buch, verfaßt von Experten, zeigt Positionen und Möglichkeiten neuer Modelle auf.

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Der Großteil der Menschen ist heute in ein fixes Arbeitszeitschema gepreßt. Ein Buch, verfaßt von Experten, zeigt Positionen und Möglichkeiten neuer Modelle auf.

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Im Verlauf der Diskussionen der letzten Jahre haben sich einige wenige Modelle flexibler Arbeitszeiten herauskristallisiert, denen eines gemeinsam ist: die Verlagerung des Schwerpunktes der Arbeitszeitmessung weg von Tag, Woche und Monat zu einem mehrmonatigen oder Jahreszeitraum.

• Die gleitende Arbeitszeit ist jene Form flexibler Arbeitszeiten, die sich in den letzten 15 Jahren relativ breit entwickelt hat, obwohl nicht einmal sie ohne Vorliegen eines Kollektivvertrages von der Rechtsordnung zugelassen wird.

In Österreich gibt es derzeit jedenfalls 200.000 „Gleiter“.

Ihr Wesen besteht darin, daß der Mitarbeiter Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit völlig frei oder in bestimmten Grenzen wählen kann, wobei Zeitguthaben und -defizite in einem vorher festgelegten Zeitraum (meist vier Wochen oder auch mehrere Monate) ausgeglichen werden müssen.

Kann der Mitarbeiter ohne Beschränkung wählen, so spricht man häufig auch von variabler Arbeitszeit, andernfalls von gleitender Arbeitszeit mit Kernzeit. Zur Ermittlung von Ansprüchen für Fehlzeiten (Krankenstand, Urlaub und sonstige Dienstverhinderungen) enthalten die Vereinbarungen meist eine fiktive Normalarbeitszeit.

Streitigkeiten aus dem Titel der Gleitzeit sind fast nicht bekannt; nach den bisherigen Erfahrungen sind alle Beteiligten zufrieden.

• Dem Bandbreitenmodell liegt die Überlegung zugrunde, daß die betriebliche Kapazitätsauslastung zu verschiedenen Jahreszeiten eine äußerst unterschiedliche sein kann. Es handelt sich hierbei um saisonale, also vorhersehbare Auslastungsunterschiede im Unterschied zu konjunkturellen, die mit flexiblen Arbeitszeitformen ohnehin nicht zu bewältigen sind. Das Bandbreitenmodell ist keine verkappte Kurzarbeit.

Populär wurde die Idee durch den Eigentümer der Blizzard-Schifabrik, Toni Arnsteiner. Ihm ging es darum, eine jahreszeitlich unterschiedliche Schiproduktion arbeitszeitmäßig einigermaßen in den Griff zu bekommen. Das Modell sieht vor, daß von Jänner bis April 36 Stunden pro Woche, von Mai bis August 40 Stunden pro Woche und von September bis Dezember 44 Stunden pro Woche gearbeitet wird. Während der 36-Stunden-Periode wird nur an vier Werktagen gearbeitet.

Grundsätzlich erhebt sich beim

Bandbreitenmodell die Frage, ob das Einkommen der sich ändernden Arbeitszeit folgen und daher ebenso schwanken oder über den gesamten Durchrechnungszeitraum hinweg gleichbleiben soll.

Für beide Möglichkeiten gibt es Pro- und Kontra-Argumente: folgt das Einkommen der sich ändernden Arbeitszeit, gibt es keinerlei Probleme bei Krankheit, Urlaub und sonstigen bezahlten Dienstveränderungen, es bestehen keine Entgeltsguthaben und -defizite, weil immer die tatsächlich geleistete (bzw. vereinbarte) Arbeitszeit abgerechnet wird.

Schwierigkeiten gibt es in diesem Fall bei den Urlauben, weil es für den Arbeitnehmer attraktiver ist, während der 44-Stunden-Pe-riode auf Urlaub zu gehen, und bei der Berechnung der Abfertigung, die immer auf der Grundlage des letzten Monats des Arbeitsverhältnisses ermittelt wird. Scheidet der Arbeitnehmer nun in einem Monat mit 36 Wochenstunden aus, so würde sich sein Abfertigungsanspruch reduzieren.

• Die Teilzeitbeschäftigung ist im Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Problemen die wahrscheinlich umstrittenste Form der felxiblen Arbeitszeit: Während sie von den einen als Möglichkeit der Vereinbarkeit von Berufsleben und Erfüllung der Familienpflichten forciert wird, wird sie von den anderen mit der Begründung abgelehnt, daß Teilzeit die Vornahme der Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich quasi durch die Hintertür ermögliche, die Frau in ihrem traditionellen Rollenbild fixiere und eine Erfindung jener bürgerlichen Hexenmeister sei, die Gattinnen von Anwälten, Ärzten und Unternehmern ein leicht verdientes Zusatzeinkommen verschaffen wollen, während die Normalbürgerin aus finanziellen Gründen gezwungen sei, eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben.

Nur Illusionen?

Weiters wird gegen die Teilzeit angeführt, daß sie keine Aufstiegsmöglichkeiten biete und dem Unternehmer ein billiges Uberstundenpotential eröffne, weil Mehrleistungen zwischen vereinbarter Arbeitszeit und gesetzlicher Normalarbeitszeit nicht ( überstundenzuschlags-pflichtig seien.

Vielleicht ist man ein Illusionist, wenn man glaubt, daß jedem Menschen die Wahlmöglichkeit gegeben sein sollte, seine Wunscharbeitszeit mit dem Arbeitgeber gewissermaßen im Sinne eines Baukastensystems zu vereinbaren. Die Vorstellung der Arbeitszeit „ä la carte“ beinhaltet logisch die Freiwilligkeit. Das Diskriminierende und Abzulehnende einer solchen Gesellschaft, in der die Teilzeit ihren festen Platz hat, ist überhaupt nicht einzusehen.

„Flexible Arbeitszeiten“, Studien zu Politik und Verwaltung von Rudolf Bretschnei-der, Rupert Dollinger, Joachim Lamel und Peter Ulram. Erscheint demnächst im Böh-

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