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Archaisch lächelnd

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Eine der großartigsten Ausstellungen, die 1983 als Europarats- Schau in Istanbul Premiere gehabt hat und seit 1985 rund um die Welt gereist ist, macht vor ihrer Heimkehr Station in Wien. 344 von 345 auf Wanderschaft gegangenen Kunstgegenständen aus neunzehn türkischen Museen und von zwei Universitäten sind bis 30. September in der Neuen Wiener Hofburg zu sehen. Das 345. Stück nämlich, eine bemalte 8,8 Zentimeter hohe Statuette einer dickleibigen Göttin aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrtausends v. Chr. - mit einem Versicherungswert von 1 .500 Dol-

„Schätze aus der Türkei" heißt die überden Eingangzur National- bibliothek erreichbare, im Stiegen- haus und in den bereits sanierten Sälen der Hofjagd- und Rüstkam- mer präsentierte Schau. Oie impe- Räume mit 'ihren marmor- verkleideten hohen Wänden sind zwar denkbar ungeeignet für die Präsentation der zumeist kleinfi- gurigen Exponate. Aber die Nähe zum Ephesos-Musewn der Antiken- sammlung des Kunsthistorischen Museums macht es möglich, mit der Besichtigung dieser Zeugnisse von mehr als 600.000 Jahren Mensch- heitsgeschichte auch· einen Besuch aus griechisch-römischer Zeit Skulpturensammlung zu verbinden. Deren Objekte wur- den noch.vor dem Ersten Weltkrieg von den in Ephesos grabenden Archäologen in die Donaumetro- gebracht, während das nach- folgende Fundmaterial aus der des siebenten Weltwunders in der Türkei belassen werden mußte

Einer der bezauberndsten dieser Funde a????s den)etzt????n Jahr????n kü - det nun vorüb rgehena, als einer der „Schätze aus der Türkei" von ????en Grabungsergebnissen der Osterreicher in der Gegenwart. Es handelt sich um die Goldstatuette Frau mit großen Augen, cha- rakteristisch archaischem Lächeln und straff angelegten Armen. Frei- gelegt worden ist das etwa 2.600 Jahre alte, von ionischen Künstlern kleine Fig.????rchen von gel vor. Bammer vom Osterreichi-

sehen Archäologischen Institut im Bereich des Artemisions, j enes Haupttempels der kleinasiatischen Muttergöttin, der auch ein politisches Zentrum war. Kultutelle Höchstleistungen vollbrachten in Anatolien, wie die türkische Ausstellung deutlich

macht, aber nicht' nur io- nische Kolonisten oder römische Besatzer. In Anatolien (auf Deutsch „ Morgenland " ) war schon lange vorher eine bemerkenswert hohe kulturelle Entwicklung erreicht worden. Bedingt durch seine geographische Lagedienrialen te der als Anatolien beverkleideten zeichnete asiatische Teil riums seitJahrtausenden als Brücke zwischen Europa und Asien, auf der Eigenständiges und Fremdes eine Synthese eingingen. Immer wieder zog es Völker aus Ost und West in das Land. Mander ehe richteten hier ledigstammenden lieh Handelsstationen ein, wiedie Assyrer (1950 bis 1 750 v. Chr.). Andere wanderten ein und erArchäologen richteten blühende Staa- ten. Zu ihnen gehörten im zweiten Viertel des zwei- ten Jahrtausends v. Chr. die Hethiter. Wieder andere bekämpften Ana- toliens Einwohner und be????iegten sie. Zu ihnen Ziihlen die Perser (546 bis 334 v. Chr.).

Siealle hinterließen ihre Spuren, schufen Schriften, Siegel, bauten Straßen und Städte. Die Aussteleiner lung zeigt Proben assyrischer Keilrakteristisch schrifttexte und Zylindersiegel, sie stellt hethitische Grabstelen und mit Figuren sowie geometrischen Mustern geschmückte Stempelsiegeschaffene gel vor. Die bunte Palette des eiAnton genwilligen Kunsthandwerks wird

vor dem Besucher ausgebreitet. Ohne fremde Einflüsse brachten es hingegen die Anatolier bereits in der Alt- und mittleren Steinzeit (600.000 bis 8.000 v. Chr.) zu bemerkenswertem kulturellem .Niveau - das Fundma terial aus Ca talhöyük bei Konya zeugt eindrucksvoll davon. Es besteht unter anderem aus gebrannten Tierfiguren, aus

Göttinnen beziehungsweise einem Göttinnenpaar, sowie aus Waffen, Spiegeln und Perlen aus geschliffenem Obsidian.

Von der Hochblüte während der frühen Bronzezeit (3.000 bis 2.000 v. Chr.) künden einige Objekte aus Troia. Darunter ein aus vielen Goldblättchen zusammengesetzter Kopfschmuck, der Ähnlichkeiten mit Heinrich Schliemanns vielfotografiertem Diadem aus dem verschollenen „Schatz des Priamos" aufweist und solche aus Alacahöyük nordöstlich von Ankara. Hervorgehoben sei die Bronzestatuette eines Stieres

Aus dem von 700 bis 550 v. Chr. bestehenden Reich der Phrygier kamen typische Kultgefäße in Tierform nach Wien und aus hellenistischer Zeit (334 bis 133 v. Chr.) der berühmte Marmorkopf des jugendlichen Alexander aus Pergamon sowie der erst vor wenigenJ ahren aus dem Ägäischen Meer nahe der Küste von Kyme geborgene „Laufende Athlet" aus Bronze.

Der römischen Ära ( 133 v. Chr. bis 395 n. Chr.) gehören die Marmorstatue eines jugendlichen Athleten an - eines der berühmtesten Objekte des Archäologischen Museums von Istanbul - wie auch eine Serie von Porträtköpfen von Kaiser Augustus über Tiberius, Marc Aurel, Diokletian bis zu Arcadius.

Von nicht ganz so erlesener , Qualität sind Obiekte aus der bJzantinischen (330 bis 1453 n. Chr.), seldschukischen ( 107 1 bis 1300) und osmanischen Periode. Hervorragen aus diesen Epochen eine Ikone der Heiligen Eudokia -eine Einlegearbeit aus buntem • Marmor aus dem 1 1 . Jahrhundert - ein verzierter Eisenhelm aus dem 16. Jahrhundert sowie einige Miniaturen und Kalligrafien aus dem Besitz des Topkapi Serail Museums in Istanbul.

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