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Architektur integrativ

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SOS Aufbau - Wohnen: Diese Initiative verfolgt ähnliche Ziele wie SOS Mitmensch, ihre Mittel sind allerdings andere. Integra ti-ver Wohnbau soll den Flüchtlingen in Österreich ihr Los erleichtern.

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SOS Aufbau - Wohnen: Diese Initiative verfolgt ähnliche Ziele wie SOS Mitmensch, ihre Mittel sind allerdings andere. Integra ti-ver Wohnbau soll den Flüchtlingen in Österreich ihr Los erleichtern.

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SOS Aufbau - Wohnen geht zurück auf die Idee des jungen Wiener Architekten Norbert Tischler. Der hat sich letzten Herbst überlegt, wie man et was gegen die wachsende Ausländerangst tun könnte. Es lag auf der Hand, diesen Zweck mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verfolgen - eben denen der Architektur. Das Ergebnis war ein Entwurf für ein flüchtlingsfreundliches Wohnprojekt.

Norbert Tischler merkte allerdings bald, daß einer allein hier nicht viel ausrichten kann. Er machte sich also auf die Suche nach Gleichgesinnten, und so kam schließlich eine Ideenbörse zustande, deren Ergebnisse vom 28. August bis 1. September in der Wiener Sezession präsentiert wurden. (Die Ausstellung soll übrigens auf Tournee gehen und auch in den Bundesländern zu sehen sein.)

Eine - für manche überraschende -Erkenntnis hat diese erste Phase des Ideensammelns schon zu Tage gefördert: genauso wie viele Schriftsteller gibt es auch Architekten, die quasi für die Schublade produzieren. Projekte, deren Verwirklichung zu utopisch erscheint, werden einfach konzipiert -und dann auf Eis gelegt. Nur so läßt es sich erklären, daß nach der Ausschreibung von SOS Aufbau - Wohnen so viele Entwürfe (und so rasch) zurückgekommen sind. Da muß schon vieles vorrätig gewesen sein.

Die rege Beteiligung sei umso beeindruckender, hob der Architekt Wilhelm Holzbauer hervor, als SOS Aufbau - Wohnen kein Architekturwettbewerb sei, den Teilnehmern also keine finanziellen Prämien winkten.

Heilaspekt der Kunst

Adolf Krischanitz, Präsident der Sezession und damit Gastgeber für die Ausstellung, betonte, daß Kunst immer schon einen wichtigen Beitrag zur Heilung des Menschen geleistet habe und leiste.

Integrative Architektur, wie sie hier konzipiert wird, verwirklicht diesen Heilaspekt in einer sehr konkreten Form: es geht darum, den Menschen genau den Wohn-und Lebensraum zur Verfügung zu stellen, den sie zum Wohlfühlen brauchen.

Da gibt es zum Beispiel ein Projekt zur Nutzung der ehemaligen Kaiser-Ebersdorfer-Kaserne. 320Übergangswohnungen für Flüchtlinge könnten dort entstehen; gemeinsam mit 320 günstigen Wohnungen für junge Wienerinnen und Wiener. Vorgesehen wäre dabei eine Mitarbeit der Flüchtlinge beim Bau sowie in Verwaltung und Betrieb verschiedener Einrichtungen innerhalb der Anlage (zum Beispiel Kindergarten oder Werkstätten). Auf diese Weise wären die Flüchtlinge von der quälenden Langeweile befreit, sie könnten ihren eigenen Lebensraum mitgestalten und hätten automatisch Kontakt zu den Einheimischen.

Der Gedanke von Integration darf aber nicht zur Vergewaltigung führen, deshalb haben die Architekten darauf geachtet, daß den Flüchtlingen Räume bleiben, in denen sie ihre gewohnte Kultur pflegen können. Höfe sind hier wichtig oder auf ähnliche Art geschützte Plätze. Siedlungen können auch so angelegt werden, daß sie dörflichen Charakter, mit Gäßchen und Winkeln, haben. So kann erreicht werden, daß das Alltagsleben von zu Hause (zumindest ansatzweise) weitergeführt werden kann. Sowohl Einfühlungsvermögen als auch Phantasie sind hier gefragt.

Phantasie wird aber auch auf andere Weise unter Beweis gestellt, nämlich wenn es um das äußere Erscheinungsbild der Bauten geht. So hat etwa eine Gruppe kroatischer Architektinnen einen Plan ausgearbeitet, wie die sechs Wiener Flaktürme genutzt werden könnten - gleichsam mit einem Mantel aus Wohnraum umgeben. Schwerter zu Pflugscharen auf Architektonisch.

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