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Arg verdorbene Sitten

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Rr die Suche nach der Wahr-eit oder nach einem klaren politischen Urteil sind parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum ungeeigneten Instrument geworden. Statt den Dingen auf den Grund zu gehen, sind die Politiker in den Ausschüssen nunmehr darum bemüht, politische Dreckpatzerln zu finden, die sie den anderen um die Ohren schleudern können.

In Ansätzen war das schon immer so. Seit dem AKH-Untersu-chungsausschuß ist es zur Methode geworden. Beim WBO-Aus-

schuß schreckt nicht einmal mehr der Ausschußvorsitzende (Holger Bauer, FPÖ) davor zurück, mit leichter Hand Verdächtigungen hinzustreuen, wo er möglichst objektiv berichten sollte, was sich abgespielt hat.

Das Beispiel, mit dem Bauer schlechte Schule gemacht hat, wurde schon ausgiebig besprochen: Nach einer Ausschußsitzung tat er kund, der Verdacht der Parteienfinanzierung sei nicht entkräftet worden. Er vergaß vollkommen, daß es nicht um Entkräftung eines Verdachtes geht, sondern um Beweise für einen Verdacht.

ÖVP-Generalsekretär Michael Graff zog aus dem Vorfall Schlußfolgerungen: Untersuchungsausschüsse sollten nicht parallel zu gerichtlichen Untersuchungen abgehalten werden; sie sollten öffentlich stattfinden, also in Gegenwart der Massenmedien und nach den Sitzungen sollten keine Pressegespräche abgehalten werden.

Hätte Graff auch nur geringe Kenntnis vom Parlamentsgeschehen, dann hätte er seine guten Ratschläge für sich behalten. Alle drei gehen nämlich — wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß -ziemlich daneben.

Das Begehren, parlamentarische Untersuchungen nicht parallel zu gerichtlichen Erhebungen abzuhalten, hat heute schon einiges für sich, denn inzwischen sind die Sitten verdorben. Die Politiker benutzen die Gerichtsprotokolle längst nicht mehr als Hintergrundinformation. Im Bemühen, vorgefaßte Meinungen bestätigt zu erhalten und vor allem, um dem politischen Gegner eines auszuwischen, werden diese Gerichtsprotokolle mißbraucht. Auch Aussagen, die im Interesse der Wahrheitsfindung bei Gericht besser zurückgehalten würden, werden verwendet. Außerdem gehen Gerichtsprotokolle nicht selten auf dem Umweg über Politiker in die Öffentlichkeit.

Wenn gerichtliche Untersuchung und parlamentarischer Ausschuß parallel arbeiten, dann ist diese Versuchung naturgemäß groß, und um die Politiker vor der Versuchung zu schützen, wäre eine zeitliche Trennung sinnvoll. Fragt sich allerdings, ob es nicht einfacher wäre, die Politiker würden der Versuchung widerstehen.

Das Verlangen, die Ausschußarbeit öffentlich zugänglich zu machen, ist nicht neu, aber nach wie vor naiv: Ein Untersuchungsausschuß ist von der Absicht her kein Gerichtsverfahren, sondern eine durch und durch politische Angelegenheit. Hier soll normalerweise nicht über kriminelle Schuld und Unschuld debattiert, sondern es sollen vielmehr politische Zusammenhänge und Ver-antworlichkeiten aufgedeckt werden. Um sie zu erfassen, ist es nicht das Wichtigste, ein Journalistenheer ins Ausschußlokal zu setzen, das ohnehin nicht von Anfang bis Ende dabei sein könnte und deshalb erst wieder auf die anschließende Politiker-Interpretation angewiesen wäre.

Womit das Thema Presseinformation nach den Ausschußsitzungen angesprochen ist. Um diese Presseinformation haben die Parlamentsredakteure ausdrücklich gebeten, und zwar aus zwei Gründen: Erstens, um dem Wunsch des Nationalratspräsidenten entgegenkommen zu können, der es nicht gerne sah, wenn die Journalisten rudelweise auf den Parlamentsgängen herumstanden, um auf Politiker oder Zeugen zu warten und damit die Wege versperrten. Zweitens, weil es auch kaum zumutbar ist, stundenlang vor einem Ausschußlokal zu stehen und sich auf jeden Herauskommenden stürzen zu müssen, weil dies die einzige Möglichkeit ist, zu den notwendigen Informationen zu kommen.

Graffs Reformideen für die Untersuchungsausschüsse zielen schon deshalb daneben, weil das allgemeine Unbehagen an ihnen auf keinen Fall durch Äußerlichkeiten beseitigt werden kann.

Man muß sich in Erinnerung rufen, wie ein solcher Ausschuß funktioniert: Da gibt es ein ungelöstes Problem. Einmal ist es ein Spion im Innenministerium, dann sind es ungeklärte Zusammenhänge rund um Flugzeugankäufe, dann wieder Waffengeschäfte ei- \ nes Ministers. Hinter all dem stekken nicht nur kriminelle Verdachtsmomente — für sie ist das Gericht zuständig —, sondern es werden auch politische Ungereimtheiten vermutet. Sie auszuleuchten, dafür wäre der Untersuchungsausschuß vorgesehen.

Dann aber geschieht folgendes: Eine festgelegte Anzahl von Mandataren, die nach einem festen Schlüssel von den Parteien entsandt werden, setzen sich zusammen, um zu untersuchen. Es ist vorher schon sichergestellt, daß die parlamentarische Mehrheit auch im Ausschuß das Sagen hat und damit letztlich die Entscheidung darüber, was beim Ausschuß herauskommen wird. Die Möglichkeit eines Minderheitsberichtes verbessert die Situation nur unwesentlich.

Ein Ergebnis wird ein Ausschuß nur dann liefern, wenn die Politiker im Ausschuß den notwendigen Respekt vor der Wahrheit haben und sie höher schätzen, als den politischen Tagesvorteil.

Ute Sassadeck (Vorarlberger Nachrichten) ist Obmann der Vereinigung der Parlaments-redakteure.

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