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Arger mit den Muselmanen

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Jugoslawien ist mit rund vier Millionen Moslems der wichtigste Brückenkopf des Islam in Europa. In jüngster Zeit verschärften sich die Gegensätze zwischen der mohammedanischen Glaubensgemeinschaft und der kommunistischen Führung Jugoslawiens.

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Jugoslawien ist mit rund vier Millionen Moslems der wichtigste Brückenkopf des Islam in Europa. In jüngster Zeit verschärften sich die Gegensätze zwischen der mohammedanischen Glaubensgemeinschaft und der kommunistischen Führung Jugoslawiens.

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Der schon lange schwelende Konflikt zwischen den Muselmanen und dem kommunistischen System in Jugoslawien ist nun offen ausgebrochen: Die kommunistischen Stadtväter der kroatischen Hauptstadt Zagreb haben die Zustimmung für den Bau eines „islamischen Zentrums” zurückgezogen.

Ursprünglich sollte die Moschee in Zagreb schon im August 1984 eröffnet werden. Doch dann kam es zu einem bis heute nicht geklärten Brand im Rohbau vermutlich durch Brandstiftung. Die Renovierung der verbliebenen Ruine wurde nun von den Stadtvätern untersagt — unter dem formalrechtlich richtigen Hinweis, es seien die „Baubefugnisse überschritten” worden. Denn die Moschee sollte nicht bloß dem Gottesdienst dienen, sondern auch Veranstaltungsräume haben.

Religiöse Betätigung außerhalb der Kulträume ist jedoch in Jugoslawien gesetzlich untersagt. Deshalb wurde der islamischen Gemeinde die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt, ein Abbruch scheint im Bereich des Möglichen.

Die Affäre um die Moschee in Zagreb hat auch eine außenpolitische Dimension — war doch der Bau nur möglich gewesen, weil aus Saudiarabien, Kuwait und anderen islamischen Staaten Spenden und Kredite zur Verfügung gestellt wurden.

Die Motive, warum sich die jugoslawische Partei mit den Muselmanen im eigenen Land (und ihren reichen und mächtigen Freunden außerhalb) anlegt, sind schwer zu orten. Fest steht, daß die offenkundig zugenommene Bautätigkeit ein Dorn im ideologischen Auge ist.

So klagte kürzlich die Belgrader Zeitung „Politika Ekspres”, „daß im ganzen Lande Moscheen wie Pilze aus der Erde schießen.” Ein 42 Meter hohes Minarett für eine Moschee in einem Dorf unweit von Struga in Makedonien, unter großen finanziellen Opfern dazugebaut, soll nun wieder geschleift werden—als „unerlaubter Hochbau”.

Eine weitere Sorge der jugoslawischen Kommunisten ist offensichtlich ein immer stärker erwachender islamischer Fundamentalismus, der sich in strikter Einhaltung der religiösen Vorschriften ausdrückt. Weil islamische Händler und Handwerker im Zentrum der bosnischen Hauptstadt Sarajevo an den islamischen Feiertagen die Rolläden herabließen, drohte die Belgrader „Politika” den Kleinunternehmern „mit endgültiger Schließung der Läden”.

Im Westen Makedoniens und im albanisch-muslimischen Kosovogebiet sowie in Bosnien-Herzegowina häufen sich die Klagen der kommunistischen Schuldirektoren, daß die Kinder mohammedanischer Eltern die staatliche Schule schon nach dem vierten Jahr verlassen, um dann nur noch die Koranschule des örtlichen Hodscha zu besuchen.

Ein kommunistischer Schuldirektor aus dem Dorf Krusevo im Sandschak klagte in der „Borba”, daß „bei uns die religiöse Unterweisung wichtiger geworden ist als der Besuch einer staatlichen Schule. Das kommt daher, weil hier vor fünf Jahren ein modernes islamisches Gotteshaus gebaut wurde — mit einer angegliederten Koranschule.”

In mehrheitlich muselmanischen Dorfgemeinschaften geraten Nichtgläubige unter sozialen Druck. So erschien in der Belgrader Parteipresse der Leserbrief eines braven Kommunisten aus einem unidentifizierten islamischen Dorf in Jugoslawien. Dort heißt es wörtlich: „Der Hodscha ist überall gegenwärtig. Für eine Moschee erhält man schneller eine Baugenehmigung als für ein Wohnhaus. Wenn ich sterbe, weiß ich nicht, wo ich begraben sein werde, denn auf dem Friedhof ist nur Platz für Mitglieder der islamischen Glaubensgemeinschaft.”

Politische Verdächtigungen gegen die islamische Glaubensgemeinschaft finden sich ebenfalls nun immer öfter in der jugoslawischen Systempresse.

Hauptvorwurf dabei ist immer wieder, wie es zuletzt die „Armeezeitung” formulierte, daß die Führung des Islam und andere Religionsgemeinschaften „sich im Zweiten Weltkrieg offen auf die Seite der Volksfeinde gestellt” hätten—und sich heute schon wieder mit „Nationalisten” und „Faschisten” verbündeten. Der Islam sei „volksfeindlich”.

Hier ist indirekt angesprochen, was der jugoslawischen KP offenbar am meisten auf die Nerven geht — die Solidarität zwischen katholischer und islamischer Glaubensgemeinschaft. Sie zeigte sich in letzter Zeit vielfach.

Das Bauverbot für das islamische Zentrum in Zagreb hat nicht nur die m issive Kritik der kroatischen Katholiken erfahren, sondern verursachte beispielsweise auch bei der katholischen Presse in der BRD ein gewaltiges Rauschen im Blätterwald.

Katholische Kirche und Islam fordern seit langem gemeinsam Militärgeistliche für die Volksarmee, was die „Narodna Armija” ausdrücklich scharf zurückwies: „Jugoslawiens Soldaten leben und arbeiten unter dem fünfzakkigen roten Stern und verbeugen sich nicht vor Gott.”

Gemeinsam treten Katholizismus und Islam auch gegen die berufliche Diskriminierung von Gläubigen auf, gegen die Gefangensetzung aus Gewissensgründen, gegen die „seelische Vergewaltigung” von Häftlingen. So sollen verurteilte bosnische Muslime in den Strafanstalten von Foca und Zenica gezwungen werden, Schweinefleisch und -fett zu essen, auch das Gebet zu Sonnenaufgang und -Untergang würde ihnen verweigert.

Angesichts all dieser militant atheistischen Zwänge der kommunistischen Behörden in Jugoslawien treten die bedeutenden religiösen Unterschiede zwischen Katholizismus und Islam weitgehend in den Hintergrund. Sie führen jene Solidarität herbei, die dem KP-Regime den Vorwand für neue Repressionen liefert und aus falsch verstandenen Ängsten neue Konflikte und Reibungsflächen erzeugt.

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