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Arme Verwandte

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2,23 Prozent aller Westeuropäer leben in Österreich, doch diese selben 2,23 Prozent aller Westeuropäer beziehen lediglich 1,74 Prozent des gesamten westeuropäischen Volkseinkommens (1971). Und die 1,74 Prozent Österreich-Anteil an Westeuropas Kaufkraft bedeuteten bereits einen Rückschritt gegenüber dem Jahr 1967; damals war für Österreich immerhin noch ein Anteil an der westeuropäischen Kaufkraft von 1,89 Prozent ermittelt worden. Der Rückschritt hatte 0,15 Prozent betragen.

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2,23 Prozent aller Westeuropäer leben in Österreich, doch diese selben 2,23 Prozent aller Westeuropäer beziehen lediglich 1,74 Prozent des gesamten westeuropäischen Volkseinkommens (1971). Und die 1,74 Prozent Österreich-Anteil an Westeuropas Kaufkraft bedeuteten bereits einen Rückschritt gegenüber dem Jahr 1967; damals war für Österreich immerhin noch ein Anteil an der westeuropäischen Kaufkraft von 1,89 Prozent ermittelt worden. Der Rückschritt hatte 0,15 Prozent betragen.

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Es liegt eine ganze Reihe von Untersuchungen vor, die heute internationale Vergleiche, betreffend den Lebensstandard in Europas (und anderen) Ländern, ermöglichen — Zahlenmaterial des Statistischen Zentralamtes, des österreichischen Institutes für Industrieforschung, der GfK, einer auch in Wien repräsentierten (und hier mit dem Dr. Fessel-Institut vereinigten) Marktforschungsfirma, und so fort.

Dabei erweist sich allerdings, daß, wie jeder sich denken kann, Österreichs Lebensstandard natürlich keineswegs gesunken ist. Er ist nur weniger rasch gestiegen als im europäischen Durchschnitt. Und das Steigen des europäischen Volkseinkommens wiederum war keineswegs darauf zurückzuführen, daß es etwa einer größeren Gruppe europäischer Länder von Jahr zu Jahr um so vieles besser ginge, daß Österreich immer weiter zurückfiel: es war vielmehr so, daß die Kaufkraftsteigerung zweier Länder den mathematischen Durchschnitt so anhob, daß der Durchschnittsanteil aller anderen sank. Bester Beweis dafür: Selbst die Schweiz, ein Land mit sehr hohem Lebensstandard, fiel von 1967 bis 1971 zurück. Der relative Rückgang des Kaufkraftvolumens im Vergleich zum internationalen Europadurchschnitt drückt sich dabei, deutlicher als im nationalen Anteil am europäischen Gesamtkaufkraftkuchen, in einer Kennzahl aus, bei der die Indexziffer 100 genau den europäischen Durchschnitt repräsentiert.

Nach diesem Vergleichsindikator rutschte im Zeitraum von 1967 bis 1971 Österreich von 84,8 auf 78,4; aber ernster als diese Verschlechterung ist zu werten, daß Österreich mit Platz 12 weit unter dem Durchschnitt rangiert. Österreich verlor nur 6 Punkte, was wenig ist im Vergleich mit dem 23-Punkte-Rutsch der Schweiz, die aber noch immer eine Indexziffer von 144 für sich verbuchen kann und damit an zweiter Stelle hinter Schweden und vor der Bundesrepublik Deutschland steht.

Schweden und Deutschland aber haben mit ihrer enormen Kaufkraftzunahme alle übrigen Länder Europas einschließlich der Schweiz in die Rolle jener verdrängt, deren Kaufkraft pro Kopf im Gesamtdurchschnitt ab- statt zunimmt. Schweden konnte in dem erwähnten Zeitraum von tier Kennziffer 178 auf 195 vorrücken und hat heute bereits möglicherweise eine Kaufkraft, die dem doppelten Europadurchschnitt entspricht. Die Bundesrepublik Deutschland verbesserte sich um 16 Punkte und hat heute Indexziffer 167 oder die 1,67-fache Pro-Kopf-Kaufkraft, verglichen mit dem westeuropäischen Durchschnitt.

In absoluten Zahlen ausgedrückt,kommt der Österreicher heute auf ein jährliches Durchschnittseinkommen von 2390 US-Dollar pro Kopf — gegenüber 4690 Dollar in Schweden und 4180 Dollar in der Schweiz (und dies pro Kopf der Bevölkerung, alle Nichtverdienenden eingeschlossen). Da es sich bei allen diesen Zahlen über die Entwicklung der Kaufkraft in vier Jahren um inflationsbereinig-te Zahlen handelt, ist völlig offensichtlich, daß der Österreicher wohl keine Chance hat, in diesem Jahrhundert in die Gruppe der europäischen Lebensstandard-Spitzenreiter zu gelangen. Augenblicklich kann er froh sein, wenn er seinen Standard in ganz geringfügigem Ausmaß verbessert.

Dabei betrug die (inflationsberei-nigte) Zunahme der österreichischen Kaufkraft in den vergangenen zwei Jahrzehnten Immerhin durchschnittlich 5,7 Prozent — für das vergangene Jahr und für dieses Jahr wohl eine „Traumgrenze“.

Noch verdient ein Viertel aller Österreicher monatlich einen Betrag von 2925 bis 3975 Schilling — in dieser Statistik pro Arbeitnehmer. 90 Prozent haben weniger als 6900 Schilling, nur ganze sieben Prozent mehr als 7500 Schilling auf ihrem Lohn- oder Gehaltsstreifen. Eine Million österreichischer Arbeitnehmer muß mit weniger als 4000 Schilling im Monat auskommen. Dabei verdient mehr als die Hälfte der männlichen Angestellten, aber kaum ein Drittel ihrer weiblichen Kollegen, mehr als 4000 Schilling.

Europas Kaufkraft ist im Kern Mitteleuropas konzentriert, und zwar in den Ländern, die der EWG von Anfang an angehörten. Eine Ausnahme macht dabei nur das arme Mittel- und Süditalien. Eine Ausnähme nach oben macht Skandinavien.

In sämtlichen EWG-Ländern einschließlich Norditaliens und in sämtlichen Ländern Skandinaviens mit Ausnahme einer einzigen finnischen Region (Pohjois-Savo) ist die Kaufkraft höher als in sämtlichen österreichischen Regionen, hier wiederum ausgenommen Wien und Salzburg, wobei Salzburgs Kaufkraft-Index dem weniger (kaufkraft-)entwickel-ter Regionen in Frankreich wie etwa Pas-de-Calais entspricht.

Unberücksichtigt bleibt dabei die unglei chmäßigere Kauf kraftvertei-lung zwischen den sozialen Schichten in Frankreich und Italien, was Österreich gegenüber diesen beiden Ländern besser abschneiden läßt, und das niedrigere Mietenniveau in Österreich.

Interessanter ist daher die innerösterreichische Kaufkraftverteilung, die vom Institut für Industrieforschung ermittelt wurde (siehe auch Tabelle). Hier bedeutet die Indexziffer 100 den österreichischen Kaufkraftdurchschnitt. Dieser Statistik zufolge bleibt das gesamte Burgenland, ausgenommen Eisenstadt, unter der Indexziffer 60 (!), ebenso ein großer Teil Niederösterreichs und der Steiermark, ausgenommen die Bezirke Liezen, Leoben und Bruck an der Mur, wo die Kaufkraft aber ebenfalls unter 80 Prozent des Österreichdurchschnittes bleibt. Überdurchschnittlich ist sie in den östlichen Bundesländern einschließlich von Oberösterreich und Steiermark überhaupt nur in Linz, Wels und Steyr (jeweils die Städte), in Graz, in Waidhofen an der Ybbs, Krems, St. Pölten, Wiener Neustadt, in Eisenstadt und selbstverständlich in allen Teilen der Bundeshauptstadt. Hier wiederum ist sie am höchsten in den Bezirken eins, vier, sechs und sieben — und am niedrigsten im 22. Bezirk.

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