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Armenien aktuell

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Viel ist immer wieder von der Sowjetrepublik Armenien und vom abgesprengten Teil der Armenier in Kara-bach die Rede, und meist summiert man die dort entstandenen schweren Probleme unter der Rubrik , Jfeuer-wachter Nationalismus“.

Die Armenier sind jedoch kulturell ein anderer Fall. Wieder einmal ist erstaunlich, wie sehr die aktuellen politischen Ereignisse über alten kulturellen Grundlagen und Gegensätzen entstehen: der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak folgt dem historischen Zwist zwischen Schiiten und Sunniten, den Karl May-Leser schon als Kinder kennengelernt haben. Die Situation zwischen Israel und Ägypten ist im Alten Testament nachzulesen. Nun reicht tatsächlich auch die Geschichte Armeniens weit zurück, nämlich bis ins 7. Jahrhundert vor Christi.

Um 90 v. Chr. errichteten die Artaxiden ein großarmenisches Reich von erheblicher Ausdehnung, das im Jahr 69 unter römisches Protektorat geriet, jedoch als Pufferstaat zwischen Rom, den Parthern und den nomadischen Völkern Transkau-kasiens eine wichtige Rolle spielte. Schon um 300 wurden die Armenier Christen, sie gehören mit den Judenchristen, den Ägyptern, Griechen, Römern zu den ersten christlichen Völkern überhaupt. Ihre Kirchen, von denen einige bis heute erhalten geblieben sind, zählen zu den wertvollen Bauten des frühen Christentums.

Seit dem fünften Jahrhundert verfügen sie über eine eigene Literatur. Allerdings erging es ihnen gar nicht unähnlich den Ägyptern und Juden, die ihre eigene Staatlichkeit einbüßten.

Wieso die Ägypter? Nun, die alten Ägypter sind die Kopten, die zwar ihre christliche Religion bis heute behielten, ihre Staatlichkeit jedoch den sie erobernden Arabern abgeben mußten und dabei sehr viel verloren: nämlich ihre alte ägyptische, die koptische Sprache.

Die Kopten sprechen heute arabisch. Die Juden bewahrten ihre Sprache und errichteten ihren Staat. Die Armenier erhielten sich ebenfalls ihre Sprache — doch der eigene Staat verschwand. Tatsächlich waren es die Sowjets, die nach einer furchtbaren Abfolge von Tragödien den Armeniern in der UdSSR eine eigene Republik gaben.

Wen kann bei solcher Geschichte zwischen der drohenden Vernichtung durch Mongolen, Perser, Türken die Sensibilität gegenüber den islamischen Aserbeid-schanern wundern? Es empfiehlt sich also Vorsicht bei Vergleichen — und ein Besuch im Museum der Mechi-taristen in der Wiener Neustiftgasse, einem der wichtigsten kulturellen Zentren der unierten Armenier außerhalb der UdSSR.

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