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Armer Amadeus

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„Mozart heute“ — ein kühnes Unternehmen! Darin waren sich alle einig, als Wiens Festwochenintendantin Ursula Pasterk vor mehr als einem Jahr ihr Festwochenkonzept 1986 vorstellte und als zentrales Ereignis eine Mozart-Bilanz ankündigte. Wo steht die Mozart-Operrt-Interpretation heute? Eine Bilanz, die umso bedeutsamer und gewichtiger schien, als wir in fünf Jahren den

200. Todestag Mozarts feiern und Opernhäuser und Konzertveranstalter überall auf der Welt schon jetzt für das Monsterfest rüsten.

Die Wiener Festwochen und die Mozart-Bilanz sind inzwischen an uns vorbeigezogen. Und bis auf zwei Ereignisse schon so gut wie vergessen. Wir blicken zurück ohne Zorn.

Was blieb vom Höhenflug der Mozart-Bestandsaufnahme? Wer vieles bringt, wird zwar angeblich manchen etwas bringen. Aber im Fall Mozart war dieses Viele doch eher eine Revue aus Unfertigem und Unausgegorenem, Verinterpretiertem und Banalem, peinlich Billigem und Provinziellem. Nach dem Höhenflug also beinahe eine Bruchlandung.

Hatte diese Wiener „Mozartia-na“ etwa mit der Hamburger Studio-Milletre-Aufführung des Dramma-giocoso-Fragments „Die Gans von Kairo“ gleich zu Beginn ihren absoluten Tiefpunkt schülerhafter Peinlichkeit erreicht, so schlug sich die englische Provinzbühne, die Kent-OperaT immerhin unter dem imponierenden jungen Dirigenten Ivan Fischer mit echtem Bemühen und größeren Schwierigkeiten im Italienischen mit der „Hochzeit des Figaro“ herum. Basis für Diskussionen über den Stand der Mozart-Deutungen waren indessen beide nicht. Und da fragt man sich dann, wer diese Aufführungen gesehen und sie zu einem so anspruchsvollen Festival wie den Wiener Festwochen eingeladen hat.

Diskussionswürdiger war da schon das Gastspiel der Komischen Oper Ostberlin, die Harry Kupfers extrem überzeichnete Inszenierung der „Zauberflöte“ vorzeigte. Mozart als Vehikel politischer Umdenkprozesse? Mozart und Schikaneder als Scharfmacher in Sachen Sozialkritik und revolutionären Denkens? Doch was nützt es, wenn dabei für

das Zaubermärchen und das Volksstück, die Symbolfiguren und die Fabelwelt allzu wenig Platz bleibt, wenn da zugunsten einer radikalen Pointierung des Spiels, der Aktion, auf musikalische Probleme und die Qualität der Sängerstimmen viel zu wenig geachtet wird.

Wer wenigstens von der Wiener Staatsoper einen Beitrag zur Mozart-Bilanz erwartet hatte, wurde nicht weniger enttäuscht. Die verrottete Joachim-Herz-„Zauber-flöte“ wie Dieter-Dorns entgleiste „Entführung aus dem Serail“ sind ohnedies zu vergessen, der schöne Ponnelle-„Figaro“ wird kaum“ oder in Stadttheaterbesetzung gespielt, „Titus“ wurde in den Fundus abgeschoben, und Zeffirellis „Don Giovanni“ wird einfach nicht gespielt. „Erstes Mozart-Haus“ nennt sich unsere Oper stolz! Nur in der Volksoper war die hübsche „Zauberflöte“ zu sehen.

Ein rechtes Debakel mit Mozart. Ein Begräbnis dritter Klasse — wie es schon Mozart selbst vor bald 200 Jahren beschieden war. Die legendäre „Lucio Silla“-In-szenierung Patrice Chereaus hatte man-ebenso wenig eingeladen wie eine Produktion Michael Hampes, Jean-Pierre Ponnelles Zürcher „Cosi f an tutte“ oder eine Otto-Schenk-Produktion.

Für frustrierte Mozart-Freunde blieb immerhin das Gastspiel der Brüsseler Nationaloper mit Luc Bondys Inszenierung der „Cosi fan tutte“ und Karl-Ernst Herrmanns „Finta giardiniera“. Sie traten die Ehrenrettung dafür an, daß es zwischen soviel Dilettantismus und übler Klamotte überhaupt“ einen ““.“.MözärT neute““gi BT: Zwei sorgfältige Inszenierungen von höchster. Behutsamkeit und feinem Geschmack, zwei Abende, die bewiesen, daß man mit einem funktionierenden Ensemble, mit kultivierten Sängern, aber ohne Stars, sehr wohl Mozart fast beispielhaft präsentieren kann.

Da hatten zwei Regisseure Prinzipien der Berliner Schaubühne mit aller Delikatesse auf die Mozartbühne übertragen. Das Ergebnis ist in seiner Ausgewogenheit und Noblesse sensationell. Tief menschlich und zugleich von hoher Diskretion, witzig, spritzig und pointiert und doch nicht laut. Und absolut getreu der Partitur, die im Grunde alles bestimmt. Nur von der Partitur und niemals von der Regiespekulation sollte ein Umdenkprozeß zugunsten Mozarts ausgehen, nur bei der Musik muß die neue Mozart-Interpretation ansetzen.

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