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Artillerie und leichte Parolen um Millionen

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In den Wahlkämpfen spiegelt sich immer auch die demokratische Kultur eines Landes. Zum 13. Mal in der Zweiten Republik wählen die Österreicher am 23. November ihren Nationalrat. Die rauhen Töne der unmittelbaren Nachkriegszeit gehören endgültig der Vergangenheit an. Heute wird der Wähler sanft umworben.

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In den Wahlkämpfen spiegelt sich immer auch die demokratische Kultur eines Landes. Zum 13. Mal in der Zweiten Republik wählen die Österreicher am 23. November ihren Nationalrat. Die rauhen Töne der unmittelbaren Nachkriegszeit gehören endgültig der Vergangenheit an. Heute wird der Wähler sanft umworben.

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„Wenn die Flut des bedruckten Papiers die politischen Ideen zu ersetzen beginnt, dann hat die politische Werbung die Schmerzgrenze erreicht.“ Einer, der es wissen muß — war er doch selbst in über 80 Wahlkämpfen auf allen Ebenen mit von der Partie —, hält diese Grenze auch im Wahlherbst 1986 längst für überschritten.

Allen Beteuerungen der Großparteien hinsichtlich Sparsamkeit der eingesetzten Mittel und mehr Qualität in den Programmen und Parolen zum Trotz, droht die laufende Wahlauseinandersetzung zu guter Letzt wieder in einer Materialschlacht voller Leerformeln und Worthülsen zu enden.

„Das neue Österreich“ und die „Wende zum Besseren“ zieren die überlebensgroßen bunten Konterfeis des „Bundeskanzlers“ und des „Kanzlerkandidaten“. Nur: Was mit diesen Slogans gemeint ist, muß sich der Wähler erst mühsam erfragen.

Rund 20 Milliarden Schilling -das ist die Summe aller kommerziellen Werbeetats — werden in Österreich jährlich dafür ausgegeben, damit die Österreicher mehr verbrauchen als sie tatsächlich brauchen. Die politischen Parteien sind drauf und dran, ihre Wichtigkeit und Notwendigkeit für die Demokratie auch nur mehr über ausgeklügelte Werbestrategien zu legitimieren.

Und das lassen sich die Parteien einiges kosten. Auf knapp unter 100 Millionen Schilling werden die Gesamtwahlkosten jeder der beiden Großparteien geschätzt. Die Freiheitlichen müssen sich dagegen mit 30 Millionen Schilling begnügen.

Die tatsächlichen Wahlkampfkosten zählen in Wirklichkeit zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Republik. Kaum eine Handvoll Funktionäre, die darüber im Detail Bescheid weiß.

Bei allem übertriebenem Aufwand: Wahlkämpfe sind nun einmal unbestritten ein wichtiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Die Demokratie hat eben auch ihren Preis. Nur sollte politische Werbung — idealtypisch gesehen—das Ringen um breite Zustimmung zu den besseren Lösungsvorschlägen für anstehende gesellschaftliche Probleme sein, ein „Lauf steg der politischen Ideen“.

Davon war in Österreich seit jeher wenig zu bemerken. Und in anderen Demokratien ist es nicht viel anders. Ein Partei-Insider tröstet sich: „Der Entscheidungspro-zeß der Wähler verläuft ja letztlich auch nicht viel hochkarätiger als der Wahlkampf selbst.“

In den ersten Jahren der Zweiten Republik arteten die Wahlauseinandersetzungen mit schöner Regelmäßigkeit in wahre Härteschlachten aus. Dabei ging es in dieser Zeit höchstens um die Stimmen von wenig mehr als 200.000 Wechselwählern. Die großen politischen Lager hielten noch dicht. Spätestens seit Mitte der siebziger Jahre registrieren aber die Sozialforscher eine starke Abnahme des Stammwähleranteils. Als Reaktion darauf versuchten es die Parteien eine Zeitlang mit der „Entideologisierung“ der Wahlkämpfe. Was auch nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat.

„SPÖ und ÖVP müssen damit leben, daß ein immer größerer Anteil ihrer Wähler nicht a priori loyal ist, sondern immer wieder und immer aufs neue für die Partei gewonnen werden muß“, meint der Politologe Anton Pelinka. Und weil die Parteien darob verunsichert sind, verlassen sie sich zunehmend auf den guten Rat von Werbeprofis. Aber guter Rat ist auch teuer.

„Für die Werbeagenturen ist Wahlkampfzeit Weihnachtszeit“, meint ein Branchen-Insider. Denn wo in der kommerziellen Werbung rollen innerhalb von vier bis sechs Monaten bei einem einzigen Kunden gleich 100 Millionen Schilling?

Üblicherweise verlangen Agenturen 15 Prozent vom Gesamtwerbeaufwand als Provision. Für die Parteien machen sie's schon um unter zehn Prozent. Doch keine Angst: die professionellen Werbemenschen betrachten den Preisnachlaß nicht als ihre persönliche Wahlkampfspende. Es ist ein offenes Geheimnis in der Branche, daß sich mit Provisionen, die die Druckereien oder Plakatflächenvermieter zu geben bereit sind, auch noch Kleingeld in Millionenhöhe machen läßt.

Wenn dann der Wahltag wider Erwarten nicht den von beiden Seiten gewünschten Erfolg bringt, haben sowohl Partei als auch Werbeagentur die passende Entschuldigung parat: entweder war der Kandidat nicht zugkräftig genug oder die Agentur hat eben schlecht gearbeitet.

Die wichtigsten Werbeträger in einem Wahlkampf bleiben trotz allem für alle Agenturen und Parteien gleich:

• der persönliche Kontakt der Kandidaten mit den Wählern — entweder direkt oder über die Massenmedien;

• das Plakat mit seiner Verdichtung von Aussagen und Symbolen als „schwere Artillerie“;

• Postwürfe in die Haushalte zum genaueren Studium des politisch-inhaltlichen Angebots;

• Inserate in Zeitungen und

• Dreieckständer.die vor allem in den beiden letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben.

Trotz aller Tricks gewinnt am Wahltag zumeist dann jene Partei, die auf die — von verschiedenen Umständen begünstigte — wahlentscheidende Frage die simpelste Antwort zu geben imstande war. Und diese Frage muß in ihrer Staats- und gesellschaftspolitischen Bedeutung nicht einmal auf den vorderen Plätzen rangieren.

Um eine mittelfristige Rationalität in der Wahlwerbung werden deshalb alle Beteiligten — Parteien, Wähler und Medien — nicht länger herumkommen.

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