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Asiatischer Pessimismus

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Es ist möglich, daß die Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens Jür Vietnam sich in ihren Einzelheiten als schwer durch führba^rw eisen werden. Aber die Hauptsache, nämlichder Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Indochina, kann nicht rückgängig gemacht werden. Hier wiederholt sich, was nach dem Abkommen von Evian 1962 in Algerien geschah: das Ende der fremden militärischen Einmischung und der Beginn von inneren politschen Auseinandersetzungen und Konflikten, die zu irgendeiner nicht voraussehbaren Lösung führen werden. Die Amerikaner sind des Krieges in Indochina ebenso müde wie es die Franzosen des Krieges in Algerien waren.

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Es ist möglich, daß die Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens Jür Vietnam sich in ihren Einzelheiten als schwer durch führba^rw eisen werden. Aber die Hauptsache, nämlichder Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Indochina, kann nicht rückgängig gemacht werden. Hier wiederholt sich, was nach dem Abkommen von Evian 1962 in Algerien geschah: das Ende der fremden militärischen Einmischung und der Beginn von inneren politschen Auseinandersetzungen und Konflikten, die zu irgendeiner nicht voraussehbaren Lösung führen werden. Die Amerikaner sind des Krieges in Indochina ebenso müde wie es die Franzosen des Krieges in Algerien waren.

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Wesentlich an der Waffenruhe in Vietnam sind drei Punkte: der Rückzug der Amerikaner, die Inter-nationalisierung des Vietnam-Problems durch eine Konferenz der Großmächte und der Streitparteien, der Wiederaufbau durch internationale Hilfe. Die schwer heimgesuchten Länder Indochinas haben kaum mehr die Mittel und die Kraft, einen langen Bürgerkrieg zu führen, zu diesem Zweck könnten sie schwerlich auf fremde Hilfe zählen. Weder Amerika auf der einen, noch China und Rußland auf der anderen Seite werden in Zukunft allein in Indochina maßgebend sein. Europa und Japan werden sich mit dem Mittel ihrer Wirtschafts- und Wiederaufbauhilfe auf dieser großen Halbinsel einschalten.

Zwei Staaten, die historisch und geographisch für Indochina von Bedeutung sind, gaben während des Krieges ihrer Uberzeugung Ausdruck, daß dieses Problem militärisch nicht, sondern nur politisch gelöst werden könne: Frankreich und Japan. Frankreich hat einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf die Pariser Vietnam-Verhandlungen ausgeübt; Japan hatte sich von diesem Krieg fernzuhalten und sowohl mit Süd- als auch mit Nordvietnam selbst unter dem Bombenhagel wirtschaftliche und politische Kontakte aufrechtzuerhalten vermocht. Japan kaufte Nordvdetnam seinen Anthrazit ab, Hanoi wünscht von Japan Stahl, Eisenbahnmaterial, Lastwagen und andere notwendige Waren zu erhalten. Saigon erhielt japanische Finanzhilfe.

Man glaubt in Tokio, daß Hanoi dem ausschließlichen sowjetischen und chinesischen Einfluß entrinnen und die vorteilhaftere japanische Hilfe erhalten möchte. Aber Japan will diese Hilfe nicht ausschließlich unter seiner eigenen Flagge leisten; es hat die Schaffung eines internationalen Wiederaufbau- und Entwicklungsfonds für Vietnam vorgeschlagen, an dem sich namentlich Japan, Amerika und Frankreich beteiligen sollen.

Die Regierung Tanaka ist bestrebt, Japans Abhängigkeit von Amerika zu lockern und eine gewisse Rückkehr zu seiner traditionellen Rolle in Asien herbeizuführen. Die Anknüpfung diplomatischer Beziehungen mit Peking war dazu der erste Schritt. In Tokio hat man nicht vergessen, daß im Kommunique Nixon-Tschu En-lai vom Februar 1972 die Vereinigten Staaten sich bereit erklärten, ihre militärische Präsenz in Taiwan (Formosa) in dem Maße abzubauen, wie die Spannung in Indochina sich vermindern werde. Die Nixon-Doktrin bedeutet militärischen Abbau und Umgruppierung im pazifischen Raum. Der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Washington und Peking steht nur noch die Lage in Taiwan entgegen. Wenn sich die Amerikaner von Taiwan absetzen, wie sie sich von Indochina abgesetzt haben, können sie in Peking den Vorsprung einholen, den sich Japan auf dem ostasiatischen Spielfeld gesichert hat. Das Pariser Vietnam-Abkommen bedeutet vor allem, daß die Dinge in Asien in Fluß geraten sind und in diesem Weltteil die ideologischen Streitsachen hinter den nationalen Zielsetzungen zurücktreten mußten.

In einem Interview hat der japanische Außenminister Ohira in ernsten Worten seiner Gereiztheit darüber Ausdruck gegeben, daß Japan nicht zu der Konferenz der Großmächte eingeladen wurde, die dreißig Tage nach der Waffenruhe über Vietnam stattfinden soll. In gewählten Ausdrücken sagte Ohira: „Wir sind nicht so anmaßend, zu sagen, daß wir die Führung übernehmen wollen, noch sind wir so passiv, daß wir einfach der Führung irgendeines anderen folgen werden. Ich denke, die Stellung Japans kann oder soll zwischen diesen beiden Alternativen liegen." Ohne Teilnahme Japans könne die Lage in Indochina nicht wiederhergestellt werden. Den Amerikanern warf Ohira einen „Mangel an Rücksichtnahme" vor. Bereits hatte die überraschende Wendung der amerikanischen Politik gegenüber China und der amerikanische Wunsch nach Einschränkung der japanischen Exporte nach den Vereinigten Staaten die Beziehungen zwischen diesen verbündeten Mächten getrübt. „Ich bedauere, zu sagen", formulierte Ohira, „daß dieses gegenseitige Verständnis und Vertrauen weder in Japan noch in den Vereinigten Staaten genügend oder zufriedenstellend ist." Er bemerkte ferner, daß die Amerikaner sich auf vertragliche Verpflichtungen berufen, „während in unserem Land dieses Gefühl für vertragliche Beziehungen schwach ist." Was Südostasien betrifft, äußerte sich der japanische Außenminister pessimistisch; Unruhe, Unstabilität, Armut und Konflikte würden noch lange dauern.

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