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Aspekte neuer Musik

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Viel trockenes Stroh in der „reihe”

Im Großen Sendesaal des Funkhauses bemühten sich vier Solo- Instrumentalisten und das Ensemble „die reihe” unter der Leitung von Friedrich Cerha um vier neue Werke. Drei von ihnen, Henri Pousseurs „Mobiles für zwei Klaviere”, Sylvano Bussotis „Manifesto per Kalinowsky” und Luciano Berios „Tempi concer- tati (letzteres für größeres Kammerensemble) sind bereits vor zwöli Jahren entstanden. Sie erwiesen, was wir schon früher wußten, daf gerade jene Zeit eine „Durststrecke” der Moderne war, die vielleicht durchschritten und vom Hörei durchlitten werden mußte, um zt Neuem, wieder Einfacherem zu kommen und dieses genießen zu können. Die Kompositionen vor Pousseur und Berio sind in der bekannten Art konstruiert, daß genau notierte Teile mit improvisatorischer abwechseln. Das Manifest Busottii war ursprünglich ein, wie uns versichert wird, sehr reizvolles graphisches Blatt, das der Komponist später mit Angaben einer musikalischer Interpretation versah. Doch kling seine Musik, in der auch eine Sing stimme verwendet wird, keinesweg reizvoll.

Um so schöner klingt die erst vo zwei Jahren entstandene „Langegge Nachtmusik” von Friedrich Cerhc Das Zehnminutenstück ist für etw drei Dutzend Instrumente gesetz und hält stimmungsmäßig, was seil Titel verspricht. „Traditionell Musiklandschaft wird bewußt ge weckt, nie ganz direkt angespro chen”, erläutert der Komponist. E handelt sich dabei hauptsächlich ui die Musik Alban Bergs, dessen zau berische Mischklänge es Cerha an getan haben. Ein anderer Vorte dieser Musik ist, daß man ihrer Verlauf bei genauem Zuhören z folgen und alle raffinierten klang liehen Details wahrzunehmen ver mag. Entsprechend war auch d: Publikumsreaktion. Die beiden e> zellenten Pianistinnen Chariot Zelka und Käthe Wittlich, die i jedem der vier Kompositionen a verschiedenen Tasteninstrumente tätig waren, sind besonders hervor zuheben

Helmut A. Fiechtner

Echte und falsche „Salonmusik

Vor etwa zehn Jahren tauchte b Kurt Schwertsik, dem Theoretiki der neuen Salonmusik, zum erster mal dieser Begriff auf. Überzeugt vc der Antiquiertheit des zeitgenöss sehen Konzertbetriebes, suchte nach etwas Neuem. „Salonmusil schien ihm die geeignete Mischur aus Provokation und Anbiederur auszustrahlen, die den gewünscht” Kreis von Zuhörern ‘anziehen würd Am 7. Mai 1965 veranstaltete er m Otto Zykan und einer klein; Gruppe von Mitwirkenden das ers Salonkonzert. Das vierte fand a: vergangenen Mittwoch im Groß« Sendesaal statt, der, zugegebene! maßen, nicht der ideale Rahmen wa Oder hat dieser Rahmen Zykan da? verführt, einige Nummern in se: Programm aufzunehmen, die nid den Erwartungen seines Salonpubl kums entsprachen?

Es begann sehr hübsch und ve: heißungsvoll mit Heinz Karl Grube „Frankenstein-Suite”, mit den Sä zen Zueigung, Frl. Drakula, Mum: geht Werwolf suchen, Herr Supe: man usw.: eine Folge reizvoller ur aparter Charakterstücke für für Spieler, die die verschiedenartigste Instrumente, auch Kindertrompete] ein Minisaxophon, ein Kinderklavi« und anderes betätigten. Stilistist ist Gruber vor allem an Satie un Weill orientiert, und was ihm besor ders gut gelingt, ist eine Art instri mentaler Song. — Die nächste Nun mer, „Ewigkeit” von Schmidinge bestand aus tropfenartigen G( rauschen, die aus einem Lautspr« eher kamen und volle 20 Minuten d Zuhörer berieselten, eine Art „Mi sique d’ameublement”. Bei dem fo genden „Pas de cinq” von Maurice Kagel (vielleicht eine Vorstudie z dessen „Staatstheater”) gingen die fünf Musiker auf dem zu einer Bühne verwandelten Podium umher, stampften, schritten, liefen, standen herum, „scheinbar unabhängig, in Wirklichkeit verkettet”, aber was sie an hörbaren rhythmischen Geräuschen erzeugten, das bringen zwei geübte Stepptänzer eindrucksvoller zustande. Hoffentlich finden Zykan und seine Freunde an dieser Art nicht allzuviel Gefallen, denn vor der Sorte gibt’s in Europa und anderwärts genug...

Nach der Pause fünf Aphorismen nach Texten von Achleitner, darunter einige recht unflätige. Aber das paßt doch nicht in einen Salon! Dann die Einmann-Show „Rondo” von Otto Zykan, mit einem wirklich witzigen Text ä la Jandl) gegen jede Art von „Staatsmusik” polemisierend, mit echt Zykanschen Slogans, wie „Alles ist Musik, was nicht Gymnastik ist” (der auch das Programmheft zierte), „Alles ist morbid, was nicht ekstatisch ist” und „Alles ist stupid, was nicht sympathisch ist”. Zum Schluß noch einmal Musik, Salonmusik von der allerschönsten Sorte, apart, romantisch, verträumt: ein leider nur fünf Minuten dauerndes „Koloriertes Klavierstück”: ein Klaviersolo von Zykan, zu dem vier Instrumente ihre raffiniert ausgesuchten Klangfarben beisteuern. Nach dem Anhören dieses Konzerts kam man zu der Überzeugung, daß Kurt Schwertsik nicht ohne Grund in der soeben erschienenen, großformatigen und bunt aufgemachten Zeitschrift „pfirsich 4” unter dem Titel „Wozu eigentlich noch Salonmusik?” Fragmente einer dauernden Gewissenserforschung veröffentlicht…

Komponistennachwuchs

In der Kompasiitionsklaisse von Professor Erich Urbanner an der Wiener Musikhochschule sind neue Bestrebungen im Gange: Urbanner leitet natürlich auch weiterhin sein Zwölftonseminar, freilich scheint es ihm dabei längst wichtiger, dieses als Basis zu benützen, daß seine Studenten ihre Persönlichkeit, ein eigenes musikalisches Denken entwickeln. Alle seine Versuche, sie von der vorwiegend mathematisch organisierten Kompositionstechnik wegzuführen, zeigen Erfolge. Das Improvisieren bekommt breiteren Spielraum, Phantasie erscheint mehr denn je wichtig, um aus der Sackgasse serieller und post-serieller Arbeitstechnik herauszufinden. Die Entwicklung eines neuen „melo- disohien” Denkens macht Schule. Cerhas „Langegger Nachtmusik” etwa mag als eines der schrittmachenden Werke gelten, vielleicht auch noch seine „Objets trouvės”. Wilhelm Zobls „Isolationen I”, in der Musikhochschule von Lea Ylonen konzentriert aufgeführt, ist ein schönes Beispiel für die sich anbahnende Entwicklung.

Junge Interpreten

Mit Initerpretationsfragen befaßt Dr. Friedrich Cerha seine Studenten im Praktikum für zeitgenössische Musik. Der Abend seiner Studenten an der Musikhochschule, geleitet vom begabten jungen Stefan Soltesz, bewies, mit wieviel Verständnis (um wieviel einfühlsamer als manche Instrumentalprofessionals!) diese jungen Musiker Werke von Milhaud („Crėation du Monde”), Hindemith (Kammermusik op. 24/1) und Schönberg („Pierrot lunaire”) interpretieren. Jedes Detail wird da sehr überlegt ausgespielt, die Phrasen richtig ausgelotet. Marianne Becker wird sich freilich mit dem Rezitationspart im „Pierrot’ noch gründlicher auseinandersetzen müssen.

Der polnische Regisseur Zbigniew Stok inszenierte in den Zürcher Kammerspielen das Drama „Raskol- nikoff oder die Auferstehung des Lazarus” von Wolfgang Schwarz.

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