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Asylanten in der Kälte

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Asyl- und Immigrationspolitik sind in Großbritannienpraktisch nicht getrennt, sicherlich aber von ein und demselben Grundsatz geleitet; Laßt nur so wenig Ausländer ins Land als unbedingt nötig ist. Ja noch mehr: London denkt nicht daran, den Inhabern eines britischen Passes aus den letzten Kolonien, vor allem ausHongkong, Zutritt im Königreich zu gewähren.

Dazu wurden rechtzeitig und vorsorglich die legalen Bremsen gezogen. 1981 das Nationality-Gesetz mit Aufteilung der britischen Staatsbürgerschaft in drei “Sorten“, und 1987 die Immigrationsakte, die es Einwanderern aus dem Common-

wealth schwer macht, Verwandte nachzuholen.

Vor genau zwei Wochen wurde dem einstigen nigerianischen Minister Alhaji Umaru Dikko die Aufenthaltsbewilligung auf britischem Boden entzogen und das Recht auf Asyl genommen. Das Innenministerium begründet diesen Schritt mit der Erklärung, Dikko habe seinen Status als Flüchtling eingebüßt, er brauche keine “wohlfundierte Furcht vor Verfolgung“ in seinem Heimatland mehr zu hegen, wo er unter Korruptionsanklage steht.

- Auf dem Hintergrund der “Affäre

Dikko“ ist die Verweigerung des Asyls eine überaus strenge Maßnahme. Sie entspricht aber der rigorosen Praxis des Ministeriums - besonders wenn es sich um Farbige handelt. Dikko war 1984von Landsleuten aus seiner Wohnung in Zentrallondon entführt, unter Drogen gesetzt und in eine Holzkiste verpackt worden. Im letzten Augenblick konnte Scotland Yard die Verschiffung der menschlichen Fracht nach Nigerien auf dem Flughafen Heathrow vereiteln.

In den frühen achtziger Jahren wurde noch der Hälfte aller Asylgesuche stattgegeben und den betreffenden der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Damals hat Großbritannien eine - im Vergleich zu anderen Nationen freilich eher kleine - Gruppe der indochinesischen “Boatpeople“ auf genommen. Zwei Jahre später bekamen auch Tamilen Zuflucht und Asyl. 1986 sind nur noch zwölf Prozent der Asylansuchen überhaupt bewilligt worden.

Im selben Jahr wurden 4.000 Asylanten die Grenzen geöffnet. Westdeutschland hat zu dieser Zeit 99.000 politisch Verfolgten den Zutritt gewährt. Mittlerweile hält

London unter allen europäischen Staaten den Rekord mit der geringsten Zuwanderungsrate.

Der “Economist“ schrieb am 7.Mai 1988, Asylanten würden wie “ungewollte Ramsch-Post, die man einfach an den Absender retumiert“, behandelt. Und an die Adresse Whitehall: Indem schärfere Kriterien Gültigkeit erlangten, “die unmöglich geprüft werden können, würden willkürliche Entscheidungen darüber getroffen, wer eingelassen wird“.

Mit dem Argument “Economic migrant“ , der als politisch Verfolgter posiert, waren die britischen Grenzhüter schnell zur Hand. Wurde auf Zuflucht erkannt, dann erhielten die Eingelassenen eine “außergewöhnliche Erlaubnis“, die die jährliche Neuüberprüfung durch den Staat erlaubt und den Flüchtling erst nach sieben Jahren befähigt, ständige Niederlassung zu erlangen. Außerdem tragen die Auswahlbestimmungen rassistische Spuren. Bürger der Commonwealthstaaten Schwarzafrikas brauchen ein Visum, um nach England zu kommen. Asylsucher aus Osteuropa wurden so gut wie nie zurückgewie sen. Sehr wohl aber Tamilen, Bangladeschi, Zuwanderer aus der Karibik.

Gegenwärtig macht das Verbot Londons an die Hongkong-Chinesen, britische Bürger der dritten Kategorie, nach dem Übergang der Kronkolonie an China 1997 auf die Insel zu fliehen, Schlagzeilen und böses Blut. Mit Hongkong teilt London übrigens die Abneigung gegen Vietnam-Flüchtlinge.

In der Kronkolonie sind gegenwärtig 20.000 “Boat people“, aber nur die Hälfte gilt als Flüchtling, der Rest als Einwanderer, die ein besseres Leben und bessere Arbeit erlangen wollen, daher keinen Anspruch auf Asyl erheben dürfen.

Hongkong verhandelt fieberhaft mit Hanoi, um die entflohenen Landsleute zurückzuschleusen, wenn nötig mit Hilfe einer handfesten Aufzahlung. 75 “freiwillige“ Boat people wurden dann auch schon in ihre alte ungastliche Heimat zurückgeschickt.

Der Ausverkauf der “Boat people“ (die China nicht will) sei laut “Times“ ein schlechter Nachlaß für die letzte asiatische Kolonie: “Eine Schande“.

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