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Atempause

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Die Regierung hat, woran in Wahrheit niemand zweifelte, Ende letzter Woche also doch noch ein definitives Budget zusammengebracht. Auch wenn es in seinem Kern vielleicht sogar um eine Spur besser ist, als die Optik verheißt (siehe dazu nebenstehenden Artikel von Horst Knapp) - Anlaß zu Jubel besteht nicht. Ungeachtet der - dank anhaltender Hochkonjunktur - äußerst erfreulichen Entwicklung auf der Einnahmenseite (Gesamteinnahmenplus 7,2 Prozent) wurde das in der vorangegangenen Legislaturperiode (von denselben Partnern!) festgelegte Marschtempo der Budgetkon-, solidierung verlangsamt. Statt wie vorgesehen 2,9 Prozent, wird der Anteil der neuen Schulden am Bruttoinlandsprodukt f= Nettoneuverschul-dungsquote) heuer 3,25 Prozent nach 3,47 Prozent betragen. (Staatssekretär Stummvoll sprach denn auch treffend von einer „gewissen Atempause in der Konsolidierung”).

Wir werden damit leben können. Und nicht bloß, weil diese Prozentabweichung - vor allem für den Laien-so unspektakulär ist. Wir können damit leben, wie wir auch mit einer weiteren Erhöhung des Krankenkassenbeitrags werden leben können, wenn es nicht zu einer strukturellen Reform des Gesundheitswesens kommt. Wir können damit leben, weil Österreich eine zufriedene Bevölkerung, Wohlstand, ein funktionierendes Staatswesen und eine gesunde Wirtschaft hat, und noch ganz andere Belastungen verkraften würde.

Schade ist es um die vertane Chance dennoch. Denn hinter der Atempause steckt keinerlei ökonomische, bestenfalls eine politische Notwendigkeit. Und allmählich fragt man sich, ob das politische Umfeld überhaupt möglich ist, das eine zügige Budgetkonsolidierung zuläßt: Einmal kommen demnächst Wahlen, einmal waren Wahlen und als Folge eine überaus schwierige Regierungsbildung, nächstes Jahr wird wahrscheinlich die nachlassende Konjunktur eine restriktive Budgetierung ausschließen...

So wenig spektakulär die drei Zehntel Prozentpunkte Abweichung vom Konsolidierungsziel auch wirken mögen: Sie stehen für die nicht stattgefundene Strukturreform. Nach wie vor verschlingen Beamte, Bundesbahnen und Pensionen 95 Prozent des (Netto-)Steueraufkommens; und dennoch wird auch im Budget 1991 der Personalaufwand wiederum 8,7 Prozent (also stärker als die Einnahmen!) und der Zuschuß zu den ÖBB von 25 auf 29 Milliarden Schilling steigen.

Bei Wahlen, vielleicht schon bei den nächsten, könnte die Frage dann nicht mehr sein, ob wir uns das leisten können, sondern ob sich die Mehrheit der Wähler das auch leisten will. Und daß sie gestellt wird, dafür wird Jörg Haider mit Sicherheit sorgen.

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