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Atempause für de Klerk

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„Wenn es eine gegen 48 heißt, dann tun mir die 48 leid“, sagte die britische Premierministerin Margaret Thatcher am 24. Oktober, als die Commonwealth-Konferenz von 49 Präsidenten und Regierungschefs im malaysischen Kuala Lum-

pur in Disharmonie zu Ende gegangen war. Wieder einmal stand die Lady allein gegen den Rest. Wieder einmal beherrschten Sanktionen gegen das Apartheidregime in Südafrika die Tagesordnung mehr, als es den Teilnehmern lieb gewesen war.

Die Führer des Commonwealth wußten sehr wohl, daß sie eigentlich nichts tun können, um die Beseitigung von Apartheid schneller herbeizuführen. Wie schon zwei Jahre zuvor in Vancouver mußten sie sich von der „Eisernen“ sagen lassen, Sanktionen seien fruchtlos, würden sich nur zum Schaden der schwarzen Bevölkerung auswirken.

Die Britin war nach Kuala Lumpur gekommen, um ihre Kritiker zu überzeugen, in Südafrika seien „irreversible Wandlungen“ im Gange. Wenn überhaupt wären wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen nur mit dem Ziel zu rechtfertigen, Pretoria an den Verhandlungstisch zu bringen, sie dürften aber niemals den Charakter von Strafsanktionen annehmen. Nach kaum einem Monat der Führung von Frederik de Klerk schien es Thatcher vorteilhafter, mit Freundlichkeit zu ködern, statt sofort mit der Sanktionspeitsche zuzuschlagen.

Nach zähen Verhandlungen durch den - mittlerweile ins Schatzamt versetzten - britischen Außenminister John Major ließen sich die meisten nicht von ihrer Überzeugung abbringen, den Druck auf Pretoria aufrecht zu erhalten, die Sanktionen gegebenenfalls sogar zu verschärfen. Das Schlußdokument weicht die übliche Härte etwas auf: Zum erstenmal auf einer Zusammenkunft des lockeren Staatenbundes ehemaliger britischer Domi-nians werden die Weißen in Südafrika nicht in Bausch und Bogen verdammt, sondern sogar eines „wesentlichen Wandels“ für fähig befunden. Die Commonwealth-Konferenz akzeptierte, daß bestehende Sanktionen überdacht und zurückgenommen werden könnten, falls sich Zeichen einer echten Reform erkennen ließen. Sechs Monate werden jedenfalls keine neuen Gegenmaßnahmen erhoben. Die Deklaration trägt die Unterschrift aller 49 Teilnehmer, auch jene von Margaret Thatcher.

Eine Stunde nach der Unterzeichnung platzte die Bombe. Bisher einzigartig auf dieser Versammlung, die stets auf Kompromisse selbst unter Aufgabe von Prinzipien bedacht gewesen ist, kam die Britin mit einer eigenen Gegenerklärung heraus, wie sie es nennt: mit einem „positive approach“. Darin legte sie ihr Alternativ-Programm vor, entsagte insbesondere aller finan-

ziellen Druckmittel gegen Pretoria und verzichtete auf Sanktionen, um zu Reformen zu ermutigen. Den Mund ließ sich die Premierministerin nicht verbieten, es bestehe doch Redefreiheit, sagte sie.

Erbost über den Alleingang der Lady vergaßen einige Teilnehmer auf diplomatische Courtoisie und Zurückhaltung. Zimbabwes Präsident Robert Mugabe, Gastgeber der nächsten Konferenz 1991 in Harare, fauchte etwas von „verabscheu-ungswürdig“, einem „vorsätzlichen“ Versuch, den Südafrikanern zu sagen, „Großbritannien ist ein Anhänger von Apartheid“. Sambias Kenneth Kaunda nannte die Britin eine Rassistin und dankte dem Australier Hawke und dem Kanadier Malrouny für den Schulterschluß in Sachen Sanktionen.

Die britische Presse, nicht gerade erbaut über das Ausscheren der Premierministerin, nimmt die Pö-beleien der Schwarzafrikaner nicht unbeschaut hin. Die Konferenz sei ein Muster von Scheinheiligkeit, da Nationen, die „verabscheuungs-würdig“ schreien, insgeheim ganz profitabel mit Südafrika Handel betrieben. Im übrigen hält man in London den Commonwealth ohnedies für ein überlebtes, künstliches Gebilde: Schutzschirm auch für Kommunisten und Widersacher, die Großbritannien außer Kosten und Schwierigkeiten rein gar nichts einbrächten.

Thatcher kann für sich buchen, daß sich mittlerweile die Vereinigten Staaten ihrem Standpunkt angeschlossen haben. Deshalb betrachtet auch de Klerk nicht nur als leeres Gerede, was auf der Commonwealth-Konferenz an die Adresse Pretorias gesagt wird. Südafrikas Präsident hat durch die Intervention der Lady jene halbjährige Atempause erhalten, die er so dringend nötig hat. So bedankte er sich artig bei der Britin. Die Schwarzen in Südafrika freilich klagen, Thatcher hätte den Apartheid-Führer „mit einem stetigen Strom von Sauerstoff versorgt“.

Am Wochenende nach der Konferenz in Malaysia lief die größte politische Veranstaltung, die jemals von Schwarzen in Südafrika abgehalten worden war, ungestört im Fußballstadion von Soweto über die Bühne. Das scheint ein Anzeichen dafür zu sein, daß de Klerk die Lady nicht Lügen strafen will.

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