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Atheismus im Namen des Menschen?

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Die Rede vom modernen Atheismus suggeriert, es handle sich bei diesem um ein in sich einheitliches Phänomen. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Die Vielfalt der Positionen, Richtungen und Tendenzen, in denen er uns entgegentritt, macht es äußerst schwer, bei ihm - über die bloße Infragestellung Gottes hinaus - noch einen gemeinsamen Nenner ausfindig zu machen.

Dennoch können wir ihn in grundsätzlicher Hinsicht danach unterscheiden, ob er mehr theoretischer oder mehr praktischer Provenienz ist, ob man aus rein theoretischen, näherhin bestimmten wissenschaftlichen Einsichten meint, atheistische Konsequenzen ziehen zu müssen, oder ob man den Atheismus primär von Erfahrungen her versteht, die sich im Zuge der freiheitlichen Selbstverwirklichung aus dem Handeln des Menschen ergeben.

Zweifellos bereitet die Position des wissenschaftsgläubigen Atheismus der theologischen Auseinandersetzung weit weniger Schwierigkeiten als die letztere Art des modernen Atheismus. Und dies deswegen, weil der wissenschaftsgläübige Atheismus mit der ihm eigenen Argumentation im Grunde genommen noch gar nicht die Ebene erreicht, auf der sich überhaupt sinnvoll von Gott reden läßt.

Weil sich demnach die theologische Auseinandersetzung mit dem modernen Atheismus nicht damit begnügen kann, die Diskussion bloß auf theoretischer Ebene zu führen, sondern zuletzt auf den Menschen als Wesen verweisen muß, dem seine freiheitliche Selbstverwirklichung im Handeln aufgetragen ist, ist daraus schon die Bedeutung und der Stellenwert eines Atheismus zu entnehmen, der gerade hier ansetzt.

Solcher Atheismus faßt sich als Atheismus im Namen des Menschen auf und verbindet seine Position durchwegs mit einem mächtigen Pathos der Freiheit, wie es besonders bei J. P. Sartre unübersehbar zu Tage tritt

In der Auseinandersetzung mit einem solchen Atheismus im Namen des Menschen gilt es in erster Linie darauf hinzuweisen, wie hier jeweils ein bestimmter Sinnanspruch des menschlichen Handelns aufgegriffen und dadurch zum Motiv der Infragestellung Gottes wird. Die zwei berühmtesten Beispiele hiefür sind die religionskritischen Positionen von Siegmund Freud auf der einen und Karl Marx auf der anderen Seite.

Die Sinnansprüche, die dabei als einzig- und letztgültig angesehen werden, sind die Bestimmung des Menschen im Sinne des Lustprinzips, wie sie Freud in seiner Psychoanalyse unternimmt, und die Bestimmung des Menschseins im Sinne der gesellschaftlichen Verwirklichung des Menschen, die derf'zentra- len. Inhalt der Marxschen Philosophie darstellt.

Wo eine solche Verabsolutierung bestimmter menschlicher Sinnansprüche stattfindet, wird immer die menschliche Sinnfrage kurzgeschlossen. Denn alle diese Versuche, durch die Gottes Wirklichkeit als für uns Menschen nicht mehr notwendig herausgestellt werden soll, greifen zwar durchaus legitime Motive der freiheitlichen Daseinsführung des

Menschen heraus, überfordern sie jedoch damit bei weitem, daß ihnen eine letzte und unbedingte Sinngebung des menschlichen Daseins zu gemutet wird, die sie keinesfalls zu leisten imstande sind. Das zeigt sich insbesondere daran, daß die Grundprobleme des Menschen, seine Bündigkeit, sein Sterbenmüssen und der Unsinn der Geschichte nach wie vor bestehen bleiben.

Wenn sich so erweist, daß durch die verschiedenen Atheismen im Namen des Menschen die menschliche Sinnfrage nicht zu lösen ist, kann auch ihr Anspruch als erledigt betrachtet werden, die Gottesfrage ein für alle Mal beantwortet und aus der Welt geschafft zu haben, was wir meinen, wenn wir von Gott sprechen.

(Ende der Serie über'tiie Vortragsreihe der Katholischen Hochschulgemeinde an der TU Wien.)

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