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Athen braucht das öl

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Seit der UN-Sicherheitsrat Ende August den griechisch-türkischen Streit um die Erdölreohte im Ägäischen Meer zu bilateraller Aushandlung zwischen Athen und Ankara zurückverwiesen hat, läuft alles auf einen Kompromiß zwischen den beiden südosteuropäisohen Staaten hinaus. Das um so mehr, als der von Griechenland einseitig angerufene Internationale Gerichtshof in Haag in dieser heiklen Frage ausgesprochene Verschleppungstaktik anzuwenden scheint.

Ein Kompromiß zwischen dem griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis urtd seinem türkischen Amtskollegen Demirel könnte nur Konzessionen an die Türkei im nordöstlichen Meeresteil vor den Dardanellen und im Umkreis der von Griechen bewohnten, aber unter der Herrschaft Ankaras verbliebenen Inseln Imbros und Tenedos zum Gegenstand haben. Türkisohe Erdölbohrungen im Rücken der griechischen Inselkette an der kleinasiati-sohen Küste von Lesbos im Norden bis Rhodos im Süden wären für Athen inakzeptabel und für Ankara nach den bisher vorliegenden Untersuchungen auch uninteressant. Hingegen dürften sich die bereits fündig gewordenen griechischen Off-shore-Gebiete bei der nördlichen ilnsel Thasos, die inzwischen bereits das doppelte der ursprünglich erwarteten Produktion abwerfen, tief und guthöffig in die den Türken mit ziemlicher Sicherheit zufallende Zone hineinerstrecken.

Ob ein solches Zugeständnis im ilnteresse der griechischen Wirtschaft i— wenn auch sicher des Friedens i— überhaupt vertretbar ist, darüber gehen die Meinungen in Athen weit und leidenschaftlich auseinander. Selbst die sachliche Untersuchung der ganzen hellenischen Energiepro-folematik aus der Feder Xenophon Zolatas', des parteilosen Präsidenten der griechischen Kontroll- und Notenbank „Bank of Greece“, weist ziemlich Mar aus, daß das kleine und arme Land im Grunde auf keinen Tropfen Erdöl verzichten sollte.

Griechenland ist seit 1974 von den Folgen der Erdölkrise und -Verteuerung besonders hart in Mitleidenschaft gezogen worden. In den letztetrbeiden Jahren hatte das sonnige Hellas von seinen Erlösen aus dem Fremdenverkehr je 400 Millionen US-Dollar für Energieimporte auszulegen. Das ist mehr als doppelt so viel wie 1973 und wird für 1976 über 10 Prozent der gesamten Importkosten ausmachen. Während die direkte Verteueurung der Endölkosten nur bei etwa 7 Prozent liegt, gehen die indirekten Auswirkungen und Verteuerungen viel weiter, da nur 41 Prozent des griechischen Erdölbedarfs dem Verkehr dienen, während 25 Prozent von der Industrie und voMe 22 Prozent für die Gewinnung elektrischer Energie verwendet werden. Fast die Hälfte des gesamten griechischen Elektrizitätswesens wird von Dieselgeneratoren gespeist, so daß Stromverteuerungen eine zusätzliche Preisspirale in Bewegung gesetzt haben. Griechenlands Braunkohlen- und Torfvorkommen sowie die bescheidenen Nutzungs-möghohkeiten der Wasserkraft bieten hier keinen Ausweg.

Ein solcher hat sich erst mit dem Erdöl in der Ägäis geboten, während Festlandbohrungen im Nestos-Gebiet erst in diesem September wieder als unrentabel zurückgestellt werden mußten. Vor der Insel Thasos werden aus der Ägäis aber bereits 50.000 Barrels Rohöl pro Tag gefördert. Die Prognosen für 1977 sprechen bereits von einer Deckung eines ganzen Drittels des griechischen Eigenbedarfes. Experten in Athen sind der Ansicht“, daß Griechenland bei voller Ausbeutung aller anvisierten Vorkommen in der Nordägäis sogar unter die Erdölexporteure aufsteigen werde, wenn es seinen fetten Ölkuchen nun nicht doch mit den Türken teilen müßte. Und darum wind oben kaum mehr herumzukommen sein.

In aller Stille, und dem Vernehmen nach in Zusammenarbeit mit Israel, wird daher schon jetzt ein Projekt zur Nutzung der Sonnenenergie für Heizzwecke vorangetrieben, das vor allem in Südgriechenland und auf den zahlreichen Inseln zur Anwendung kommen soll. Mit Einaparungen beim Heizöl könnten die Griechen einen Gutteil ihres den Türken zufallenden Rohöls doch wieder wettmachen.

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