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Attraktionen für Verwöhnte

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Es gibt Leute, die genug Zeit für den Urlaub haben, aber kein Geld. Andere wieder haben Geld, aber keine Zeit. Dann gibt es solche, die weder Zeit noch Geld haben, und solche, die beides reichlich besitzen. Letztere brauchen jedoch eigentlich keinen Urlaub. Denn wovon sollen sie Urlaub nehmen, die armen Reichen?

Die Masse der Urlauber stellt aber die Mittelklasse, Leute, die ein wenig Geld und ein wenig Zeit zur Verfügung haben.

Der Sinn des Urlaubs ist, daß man einige Wochen anders lebt als sonst. So, wie man leben möchte und nicht, wie man leben muß. Die meisten Nichtreichen wollen zumindest für die kurze Zeit so wie die Reichen leben. Sie buchen also eine Pauschalreise, die ihnen die Vergnügungen der Reichen in einer Ausgabe für Arme bietet: die Standardpracht der Hotels, Bedienung, Swimmingpool... Man muß all das zwar mit mehreren teilen, aber immerhin. Und das Meer ist ja auch für Milliardäre nicht blauer und die Sonne nicht heißer.

Manche sind zufrieden. Zumal, wenn sie in Ländern waren, in denen die Menschen viel ärmer sind, als sie selbst zu Hause. Dann fühlen sich die Urlauber fast wie neugeborene Millionäre. Und erzählen dann daheim ganz stolz: „Ich habe mich einfach geschämt... Wenn man sieht, wie die Leute da leben und was sie alles für ein paar Mark tun würden..." Ja, selbst die Komplexe der Reichen kann man sich für kurze Zeit verhältnismäßig billig kaufen.

Andere sind enttäuscht, trösten sich aber damit, daß wohl - wie man sieht - das Leben der Reichen auch nicht so süß ist, wie es immer scheint.

Unter den Reichen, die ja per defi-nitionem Geld genug haben, gibt es gleichfalls zwei Kategorien: solche, die zu wenig, und solche, die zu viel

Zeit haben. Die Erstgenannten sind -abgesehen von der Klasse der Zielorte, der Verkehrsmittel, der Hotels und der Speisen - nicht viel anders dran als ihre Nachahmer aus der Mittelklasse.

Die anderen, die Zeitreichen, sind in der Urlaubszeit nur zu bedauern. Für sie hat der Urlaub keine Attraktionen. Wenn man das ganze Jahr nichts tut, ist es egal, wo man es tut. Was übrigens auch umgekehrt gilt -Menschen, die schwer arbeiten müssen, sind nicht dadurch glücklicher, daß sie es in einem schönen Ferienort tun. Sie sehnen sich nach einem Urlaub anderswo.

Für die Nichtstuer könnte man sich natürlich attraktive und, von ihrem Standpunkt aus gesehen, abenteuerliche Ferienangebote ausdenken. Zum Beispiel einen Monat bei der Müllabfuhr, sechs Wochen als Hilfsarbeiter im Schlachthaus oder zwei Monate unter Tage. Die Tatsache, daß selbst die exklusivsten Reisebüros solche Angebote nicht führen, beweist, daß die Nachfrage zu gering ist. Nein, diese vom Leben benachteiligten Hätschelkinder können sich von ihrem Alltag nicht trennen. Sie werden wieder irgendwohin fahren, wo sie schon x-mal waren - man muß ja an einen Ort fahren, der in ist. Dort werden sie das tun, was sie immer tun, und all die Leute treffen, die sie überall treffen: dieselben Tennispartner, dieselben Klatschreporter und alle ihre ' eigenen geschiedenen Ehefrauen. Oder sie werden eine Yacht oder eine Insel kaufen, sie mit gewohntem Komfort einrichten und die ganze oben erwähnte Gesellschaft einladen. Ein anderes Urlaubsproblem ist die Beziehung zur Natur. Um richtig mit der Natur zu leben, muß man sehr reich oder sehr arm sein. Sehr reiche Leute können sich ein Stück Naturlandschaft kaufen, es abgrenzen und für sich erhalten. Und natürlich komfortabel ausstatten. Sehr arme Menschen müssen mancherorts inmitten der Natur leben, mit Mücken und ohne Elektrizität, wovor uns Städter Gott behüte.

Sonst gibt es keine Natur mehr. Sie ist entweder verbaut oder unzugänglich oder von Touristikunternehmen gepachtet. Und diese verbessern immer die Natur, sonst würde kein Naturfreund kommen. Man liebt zwar die Natur - aber unbequem darf es nicht werden.

Aus: URLAUB MUSS SEIN. Satiren zur Freizeit. Von Gabriel Laub. Langen Müller Verlag, München 1993. 209 Seiten, öS 219,-.

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