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Auch Alkohol ist eine Droge

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Während ein Sportarzt im Osten Österreichs der Ansicht ist, eine Flasche Wein pro Kopf und Tag sei vertretbar, arbeitet sein Bruder in einem Genesungsheim für Alkoholiker. Ein Schweizer Publikumsliebling des Fernsehens wurde jüngst auf zwei Monate Freiheitsentzug verurteilt: Alkohol am Steuer im Wiederholungsfall. Alkohol als legalisierte Droge: Für Inka-Priester Cocablätter, für Medizinmänner mexikanischer Indianer die Peyote- Pflanze, für die frühen Christen Alkohol.

Die in Ärztekreisen verbreitete Meinung, wonach das gesunde Stamperl bisher noch keinem geschadet habe, wurde revidiert: „Der Durchschnittsarzt weiß immer noch nicht recht, daß Alkohol Alkohol ist, und wenn ich einem Patienten mit alkoholischen Magenkatarrh den Wein verbiete, so sagt ihm der Herr Bezirksarzt, er dürfte schon trinken, aber guten Wein. Den Rat befolgt der Mann und säuft sich nach allgemeiner ärztlicher und laiischer Ansicht bald ins Grab.“

Dieses Zitat wurde 1927 veröffentlicht, der Schweizer Psychiatrieprofessor E. Bleuler ist der Autor.

Zwei Seiten weiter erscheint eine Textstelle, die heute ihre Aktualität nicht verbergen kann: „Schon seit mindestens zwei Generationen hat man beim Training für Sportzwecke auf den Alkohol verzichten müssen. Mit dieser Tatsache hat sich aber kein einziger Arzt, der meint, der Alkohol gebe Kraft, abgefunden.“ 54 Jahre später, - 1981 - behauptet der Wiener Sportarzt Univ.-Prof. Ludwig Prokop, Wein in gesunden Mengen könne nicht schaden.

Dabei wissen wissenschaftliche Arbeiten zu berichten, daß Alkohol kein Stimulans ist, sondern eine andauernde depressive Wirkung auf das zentrale

Nervensystem ausübt. Die manchmal offensichtliche Stimulation kommt vielmehr von der Aktivität verschiedener Hirnabschnitte, die durch „Depression“ der Kontrollmechanismen freigesetzt werden.

Die Prohibition im ersten Drittel unseres Jahrhunderts trug weniger dazu bei, den Konsum zu verringern, als vielmehr die Entstehung internationaler Verbrecherringe zu fördern, welche mit dem Schmuggel und Vertrieb von Alkohol Umsätze machten, von denen die heutige Privatwirtschaft nur träumen kann …

Die Alkoholiker jedenfalls bleiben. Jeder zehnte Österreicher ist schon an der Schwelle zum regelmäßigen Trinker. In Westdeutschland eine halbe Million, in den USA fünf Millionen. Ein mit 45 Jahren vorzeitig arbeitsunfähiger Suchtkranker kostet die Gesellschaft, bei Zugrundelegung nur gerade durchschnittlicher Rentenleistung und bei der Annahme einer verkürzten Lebenserwartung, mindestens 400.000 deutsche Mark, berichtet eine Studie - was umgerechnet auf fast drei Millionen Schilling kommt.

Doch die Abschaffung des Alkohols aus der Gesellschaft ist nahezu unmöglich. Schon die Verbannung aus dem Straßenverkehr bereitet ja Probleme. Denn vordergründig ist die Zahl sogenannter „Alkoholtoter“ gering - groß ist sie erst, wenn man die Nebenwirkungen (Autounfälle alkoholisierter Lenker, Selbstmorde betrunkener Menschen) und gesundheitliche Langzeitfolgen berücksichtigt.

Dafür sind die Einnahmen aus der Alkoholsteuer beträchtlich. Neben dem Nikotin ein weiterer Grund für Schizophrenie beim früheren Gesundheitsminister und jetzigen Steuer-Mann Herbert Salcher.

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