6859460-1977_30_03.jpg
Digital In Arbeit

Auch die friedliche Nutzung des Weltraums bleibt umstritten

19451960198020002020

Die Zeit der spektakulären Pioniertaten im Weltraum ist vorüber. In der Öffentlichkeit ist man zur Tagesordnung übergegangen. Der Start des ersten künstlichen Satelliten, des sowjetischen „Sputnik 1”, im Oktober 1957, hatte noch Aufsehen erregt. Fasziniert nahm man Anteil an den bemannten Raumflügen, vor allem an den Weltraumspaziergängen und der ersten Mondlandung. Jene Raumfahrzeuge aber, die heute laufend Daten zur Erde funken, werden kaum mehr zur Kenntnis genommen.

19451960198020002020

Die Zeit der spektakulären Pioniertaten im Weltraum ist vorüber. In der Öffentlichkeit ist man zur Tagesordnung übergegangen. Der Start des ersten künstlichen Satelliten, des sowjetischen „Sputnik 1”, im Oktober 1957, hatte noch Aufsehen erregt. Fasziniert nahm man Anteil an den bemannten Raumflügen, vor allem an den Weltraumspaziergängen und der ersten Mondlandung. Jene Raumfahrzeuge aber, die heute laufend Daten zur Erde funken, werden kaum mehr zur Kenntnis genommen.

Werbung
Werbung
Werbung

Wer denkt heute daran, daß bereits rund Zehntausende Objekte in den Weltraum geschossen wurden, von denen etwa tausend gegenwärtig noch immer in Funktion sind? Das tägliche Satelliten-Bild in der TV-Wettervorhersage ist ebenso selbstverständlich wie Direktübertragungen großer Ereignisse aus anderen Kontinenten mittels Nachrichten-Satelliten. Die Frage, die sich heute stellt, gilt wenige^ weiteren sensationellen Weltraumabenteuem, sondern muß lauten: Was konnte und kann die Weltraumforschung der Menschheit praktisch bringen?

Die Antwort auf diese Frage betrifft alle Staaten. Gerade das kleine, neutrale Österreich konnte bereits wichtige Beiträge leisten. So fand 1968 die erste Weltraumkonferenz der Vereinten Nationen in Wien statt. So leitete der jeweils unter österreichischem Vorsitz stehende UN-Ausschuß für die friedliche Nutzung des Weltraums einige bedeutende internationale Rechtsabkommen ein:

• den Weltraumvertrag,

• das Abkommen zur Rettung und Rückführung von Astronauten,

• die Konvention über die internationale Haftung für von Weltraum-Flugkörpern verursachte Schäden und

• die Konvention über die Registrierung der in den Weltraum geschossenen Flugobjekte.

Wem gehört der Mond?

Mit dem technischen Fortschritt wächst die Zahl der Probleme, die einer international verbindlichen Regelung bedürfen. Als kürzlich in Wien die 20. Tagung des genannten UN-Komi- tees stattfand, wies dessen gegenwärtiger Vorsitzender, Österreichs UN- Botschafter Dr. Peter Jankowitsch, schon in seiner Eröffnungserklärung auf die Notwendigkeit hin, „die massiven technologischen Errungenschaften in wissenschaftlich, wirtschaftlich, soziologisch, ja selbst politisch lohnenderen Gebieten anzuwenden”.

Auf der Tagesordnung standen Punkte, die schon vorher in’Unteraus- schüssen, einem für rechtliche und einem für wissenschaftlich-technische Fragen, zur Diskussion gestanden waren. Dabei kam es nicht nur jzü Mei- nungsverschiedenheiten zwischen den Supermächten untereinander, sondern auch zwischen den Staaten, die bereits hohe Beiträge in die Weltraumforschung investiert haben einerseits, und jenen, die nun an den Früchten möglichst viel partizipieren möchten, anderseits.

Letzteres zeigte sich vor allem bei der geplanten, aber bisher gescheiterten Ausarbeitung eines Mondvertrages, der die Eigentumsrechte an den Bodenschätzen des Erdtrabanten klären soll. Was die Staaten mit eigener Raumfahrt für sich reklamieren, wollen jene, die noch nicht ins All vorgestoßen sind, wie die Ressourcen der Meere als Gemeingut der Menschheit verankert sehen.

Wie weit reicht staatliche Souveränität?

Erfolgreicher gestaltete sich die Tagung bei einem kaum weniger brisanten Thema, der Frage der Direkt- Rundfunk-Satelliten. Solche Satelliten sollen in Zukunft in einer Höhe von 36.000 Kilometern geostationär - also synchron mit der Erdumdrehung - über dem Äquator stehen, worin man che Äquator-Staaten eine Verletzung ihrer Lufthoheit sehen. Sie können elektromagnetische Wellen (Radio und Fernsehen) von einer Bodenstation unmittelbar- also ohne den bisherigen Umweg über eine große zentrale Bodenstation - an Empfänger mit kleinen Parabolantennen von nur 80 Zentimeter Durchmesser weitergeben. Diese neue Satelliten-Genera- tion eröffnet ganz neue Möglichkeiten für TV- und Hörfunk-Übertragungen, aber auch im gesamten Telephon- und Femmeldewesen.

Bei solchen via Satelliten gesendeten Programmen kommt es praktisch immer zu einem „spill over”, einem Strahlen über Landesgrenzen hinweg. Genau daran aber entzündeten sich auch in Wien die Gemüter, da vor allem der Ostblock hier eine Verletzung der Souveränität von Staaten befürchtet und völkerrechtlich verbindliche Konsultationen fordert.

Dr. Peter Radel, Leiter der Hauptabteilung Rechts- und Auslandsbeziehungen des ORF und Vorsitzender der mit diesen Fragen befaßten Arbeitsgruppe während der Wiener Tagung, kennzeichnet die Haltung dieser Staaten so: „Das Prinzip des grenzüber schreitenden Informationsaustausches soll, obwohl seit fünfzig Jahren im Hörfunk angewendet und in den UNO-Grundsätzen ebenso verankert wie in Helsinki bekräftigt, in ein Korsett gebracht werden.” Immerhin konnten in Wien so wesentliche Fortschritte erzielt werden, daß die hier konzipierten Abmachungen als „Wiener Prinzipien” in die Geschichte ein- gehen sollen, auch wenn die endgültige Entscheidung darüber frühestens nächstes Jahr in Genf fällt.

Eine wichtige Vorentscheidung ist bereits zu Beginn dieses Jahres bei der Konferenz der Internationalen Fem- melde-Union (ITU) in Genf getroffen worden. Dr. Radel faßt zusammen: „Es wurden dort für die ganze Welt, ausgenommen Nord- und Südamerika, Frequenzen im Zwölf-Gigahertz- Bereich vergeben, jedes Land erhielt vier Fernseh- und zwanzig Hörfunkfrequenzen zugeteilt. Mehrere Länder, etwa Österreich, Deutschland und die Schweiz, versuchten, nationale Frequenzen zu einer gemeinsamen internationalen zusammenzulegen, dies wurde aber in der Regel abgelehnt und nur für Skandinavien sowie einige arabische Staaten bewilligt.

Bei nationalen Frequenzen bleibt bei internationalen Sendungen eine Zusammenschaltung aller betreffenden Bodenstationen notwendig. Für Länder mit bereits gut ausgebautem Nachrichtennetz wird ein Nachrichten-Satellit nur eine Erweiterung, aber keinen Ersatz für die konventionellen Einrichtungen darstellen.

Chancen für die Entwicklungsländer

Große Möglichkeiten bieten sich hingegen den Staaten der Dritten Welt, die erst darangehen, ihr Nachrichten-, Telephon- und Fernmeldenetz auszubauen. Verwenden sie dazu einen Satelliten, kommen sie bestimmt wesentlich billiger davon als beim Verlegen von Leitungen auf der Erde.

Erste Erfahrungen mitdem direkten Satelliten-Fernsehen sammelte man bei einem großangelegten Experiment in Indien, das die ungeheuren Chancen auf dem Sektor Bildung erkennen ließ. Ein Jahr lang wurden mit Hilfe des amerikanischen Technologie-Satelliten ATS 6 2400 indische Dörfer mit Programmen zu Ackerbaufragen, Viehzucht, Gesundheitswesen, Familienplanung und Fortbildung für Lehrer und Arbeiter versorgt. Die Inder waren dabei bemüht, in möglichst hohem Grad eigene Methoden, eigene Techniken und die eigene Bevölkerung bei dem Experiment einzusetzen.

Darüber und über andere Weltraumprojekte für Entwicklungsländer referierte der indische Professor Yash Pal im von der österreichischen Gesellschaft für Sonnenenergie und Weltraumfragen (ASSA) veranstalteten Rahmenprogramm zur Wiener Tagung. Dr. Johannes Ortner, Geschäftsführer der ASSA, die emsig bemüht ist, Österreichs Industrie und Wissenschaft auf diesem Gebiet auf europäisches Niveau zu bringen, verweist in diesem Zusammenhang auch auf die beiden amerikanischen Fernerkundungssatelliten vom Typ „LAND- SAT”: „Jeder der beiden überfliegt in etwa 900 Kilometer Höhe die Erde, kommt dabei alle 18 Tage wieder über dieselbe Region und liefert ständig Bilder, die zur Vermessung der Erde, zur Vorhersage von Ernten, ja sogar zur Erschließung von Mineralvorkommen auf Grund geologischer Strukturlinien dienen können.”

Offene Probleme

Natürlich ist auch die Fernerkundung ein heißes Eisen. Sieht doch die Sowjetunion auch darin einen Eingriff in die staatliche Souveränität und die Gefahr von Spionage. Mit der bisherigen Auflösung der LANDSAT-Auf- nahmen bis 70 Meter - kleinere Objekte sind also nicht erkennbar - konnte sie sich noch abfinden, sollte aber tatsächlich 1980 ein weiterer LANDSAT Aufnahmen mit der geplanten Auflösung bis 30 Meter liefern, dürfte es eine harte Kontroverse geben.

Der friedlichen Nutzung des Weltraums steht auch immer die Gefahr einer kriegerischen gegenüber. Die Lenkung der Militärmaschinerien der Supermächte über Satelliten ist kein Geheimnis mehr, der Bau von „Killer-Satelliten”, die im Ernstfall das gegnerische Abwehrsystem zerstören sollen, ebenfalls nicht.

Das stand bei der Wiener Tagung natürlich nicht zur Debatte. Andere Fragen wie die Nutzung der Sönnenener- gie im Weltraum, die Einberufung einer zweiten großen’ UNO-Welträum- konferenz oder die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit außerirdischen Lebewesen blieben offen. Dänikens Thesen, fliegende Untertassen und „kleine grüne Männchen” müssen also weiter einer Bestätigung harren.

Ein weiterer Beitrag Österreichs zur Weltraumforschung wird das Beobachtungsfenster für das erste europäische Weltraumlaboratorium „Spacelab” sein, das 1980 im amerikanischen Raumtransporter „Space Shuttle” zu seinem ersten Flug starten soll. Den Vorauftrag erhielt die „österreichische Klimatechnik Gesellschaft” in Grünbach am Schneeberg.

Die teilweise europäische Besatzung bei den „Spacelab”-Flügen wird sorgfältigst ausgesucht werden. Bisher haben rund 5000 Europäer ihre Bewerbung eingereicht, nur 14 davon sind Österreicher. Scheint es also eher unwahrscheinlich, daß ein Österreicher ausgewählt wird, bleibt doch eines unbestritten: Unser kleines Land hat in Weltraumfragen schon viel geleistet. Und das hier investierte Geld sollte sich früher oder später sicher bezahlt machen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung