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Auch in Athen: Ami go home

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Die im Oktober so überraschend erfolgte Unterbrechung der in Athen seit September geführten, nun schon sechsten griechisch-amerikanischen Verhandlungsrunde über die Zukunft der bilateralen militärischen Zusammenarbeit zwischen den USA und ihren rund drei Jahrzehnte ge-treuesten mediterranen wie südosteuropäischen Schildknappen kommt einem scharfen Abbruch gleich. In dem zu diesem unerfreulichen Anlaß verbreiteten Kommunique aus der griechischen Hauptstadt war zwar von „grundsätzlicher Übereinstimmung und lediglich technischen Meinungsverschiedenheiten“ die Rede. Dahinter steht jedoch in Wirklichkeit ein in Hellas immer galoppierenderer Kursverfall der alten Bindungen und Parolen von „Freier Welt“ und „Antikommunistischem Kampf“. Selbst die von der griechischen Tagespresse vielgeäußerte Vermutung, daß sich Athen einfach um eine bessere Verhandlungsposition nach den amerikanischen Präsidentenwahlen bemühen wollte, wird den viel tieferen Zusammenhängen nicht voll gerecht.

Schon bald, nachdem im Sommer 1974 im Anschluß an die siebenjährige Militärdiktatur das demokratische Kabinett Karamanlis dank später Einsicht führender Offiziere unblutig an die Regierung gekommen war, begann Griechenland nach dem ersten Schritt seines NATO-Austrit-tes auch sein direktes Bündnisverhältnis zu den Vereinigten Staaten in Frage zu stellen. Aus griechischer Perspektive müßte das in vieler Hinsicht verständlich, ja sogar geboten erscheinen: Athens Bruch mit der Nordatlantischen Verteidigungsgemeinschaft war vorwiegend emotionell als Kurzschlußreaktion auf den Zypernkrieg des „NATO-Bruders“ Türkei erfolgt, und die Griechen haben sich seitdem wieder um Verbesserung ihrer Beziehungen zu allen Paktstaaten mit Ausnahme der Türken und Amerikaner bemüht. Ihre bilateralen Beziehungen zu den letzteren haben zu schwer unter der forcierten Kooperation zwischen dem US-Pentagon der Johnson- und Nixon-Ära und seinem hellenischen Ableger in der Athener Kasernenvorstadt Goudi während der Militärdiktatur von 1967 bis 1974 gelitten. Ende 1972 waren der Sechsten US-Flotte besondere Lande-, Versor-gungs- und Aufenthaltsrechte eingeräumt worden, die seitdem denkbar unpopulär geblieben sind.

Schon im Februar 1975 sahen sich die Amerikaner daher nach immer härterem griechischen Druck zur Aufnahme von Verhandlungen über die Zukunft aller US-Militärinstallationen und -rechte auf hellenischem Hoheitsgebiet genötigt. Ministerpräsident Karamanlis hatte dafür die Parole ausgegeben, daß Griechenland auf die Dauer nur solche Einrichtungen dulden wolle, die den unmittelbaren Verteidigungsinteressen des Landes dienten. Im Verlaufe des nun schon mehr als eineinhalbjährigen Tauziehens trat aber auch die finanzielle Frage immer stärker in den Vordergrund. Die Griechen argumentierten, daß auch jene amerikanischen Basen, die militärisch mit dem Schutz von Hellas gar nichts zu tun haben, dann „verteidigungsdienstlich“ würden, wenn sie durch entsprechend hohe Zahlungen die Mittel zur Modernisierung der griechischen Streitkräfte beibrächten.

Die meisten Griechen wollen aber heute von den Amerikanern nicht einmal mehr etwas geschenkt oder gezahlt bekommen. Auf diese Stimmung im Volk scheint Karamanlis mit seinem abrupten Verhandlungsabbruch vor allem Rücksicht genommen zu haben. Lange vorbei sind die fünfziger Jahre herzlicher Freundschaft und besonderer gegenseitiger Sympathien, die von der starken griechischen Kolonie in den Staaten weiter genährt und durch die Waffenbrüderschaft im Koreakrieg besiegelt wurden. Sind für den Stimmungswandel in der linksliberalen Opposition neue Leitbilder der Zusammenarbeit mit den südosteuropäischen Nachbarn und einer blockfreien Friedenszone auf dem Balkan ausschlaggebend, so hat Karamanlis selbst seiner konservativen Regierungspartei aus zehnjährigem Pariser Exil so viel Gaullismus mitgebracht, daß es heute selbst die griechische Rechte lieber mit Bulgaren, Albane-sen und vor allem mit Tito und Ceausescu als mit der Supergroß-macht von CIA und Watergate, Vietnamkrieg und angeblicher Preisgabe Zyperns an die Türken hält In Athen sieht es eher danach aus, daß eine Entscheidung für die Liquidierung aller amerikanischen Stützpunkte bereits gefallen ist, aber aus taktischen Gründen noch verschleiert und hinausgezogen werden soll. Nur ein aktiveres Engagement der US-Außenpolitik auf Zypern im griechischen Sinne könnte einem so unheilbaren Bruch vielleicht noch rasch zuvorkommen.

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