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Auch in Vorarlberg hat die Kirche Sorgen

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Bei gesamtösterreichischen Besprechungen können Teilnehmer aus Vorarlberg des öfteren hören: „Ihr im Ländle habt es noch gut im Vergleich zu uns!“ Gewiß, einiges mag an dieser Feststellung richtig sein, aber sicher nicht alles. Es geht uns da so ähnlich wie den Tirolern mit dem „heiligen“ Land Tirol. Die pastoralen Probleme sind im wesentlichen in allen österreichischen Diözesen und in unseren ausländischen Nachbardiözesen dieselben. Vielleicht drückt aber da und dort „der pastorale Schuh“ bei uns etwas weniger, aber er drückt auch!

Die Pastoral in der Diözese Feldkirch, die das Bundesland Vorarlberg umfaßt, hat natürlich nicht erst im Jahre 1968 mit der Diözesanerhe-bung begonnen. Gut 1000 Jahre kamen die pastoralen Impulse aus Chur, Konstanz und Augsburg - und es waren nicht immer die gleichen Impulse.

Die darauf folgende etwa 100jährige Zugehörigkeit zu Brixen brachte eine

„Gut 1000 Jähre kamen die pastoralen Impulse aus Chur, Konstanz und Augsburg“

pastorale Vereinheitlichung und war im gesamten gesehen ein Segen.

Und schließlich hat das, was in 30 Jahren durch und mit Bischof Paul Rusch an pastoralem Einsatz geleistet wurde, die pastorale Landschaft Vorarlbergs wesentlich mitgeprägt. Dieses pastorale Erbe kann man verkürzt und verallgemeinernd etwa so umschreiben:

Ein in der überwiegenden Mehrheit gut ausgebildeter, pastoral eifriger und volksnaher Klerus versuchte - manchmal auch etwas eigenwillig -die pastoralen Konsequenzen aus den jeweiligen Zeiterfordernissen zu ziehen. Die Gemeinden waren zum größten Teil gläubig und kirchentreu, die Priester fast durchgehend die geistigen und geistlichen „Führer“. Seit etwa 100 Jahren wurde auch immer mehr die Mitarbeit der Laien dem jeweiligen Kirchenverständnis entsprechend verwirklicht.

Was kirchliche Vereine und Organisationen seitdem auch pastoral geleistet haben, bestimmt ein gutes Stück unseres pastoralen Erbes. Um nur ein Beispiel zu nennen: daß in Vorarlberg die Arbeiterfrage auch kirchlich nie so brisant war, verdanken wir zu einem guten Teil vielen Priestern und Laien (Organisationen) vor und nach der Jahrhundertwende.

Was Paul M. Zulehner in seinem Buch „Wie kommen wir aus der Krise“ schreibt, trifft auch für die Diözese Feldkirch zu: Es ist ein beträchtlicher Wandel im Verhältnis der Menschen zur Kirche und im gesellschaftlichen Standort der Kirche festzustellen und es ist kein Trost, wenn dieser Trend anderswo noch stärker ist.

Bevor die pastorale Lage an einigen „Exempeln“ skizziert werden soll, muß aber deutlich gesagt werden,

daß neben vielen Negativa auch manche Positiva zu verzeichnen sind und daß die Diözese Feldkirch sich mehr als eine Kirche der Hoffnung, als Kirche mit Zukunft versteht, denn als eine jammernde und sterbende Kirche.

Und nun zu den „Exempeln“: Kirchgangshäufigkeit und Kirchenbesuch sind im Vergleich zu den anderen österreichischen Diözesen nach 1945 bis heute bei uns prozentuell am stärksten zurückgegangen. Die meist gut besuchten Sonntagsgottesdienste dürfen uns nicht vergessen lassen, daß sich die Wohnbevölkerung Vorarlbergs seit 1945 verdoppelt hat, was von der Zahl der

Gottesdienstteilnehmer wahrhaftig nicht gesagt werden kann. Es gibt aber auch Pfarreien, in denen die Zahl der Gottesdienstbesucher steigt.

Eheschließungen und Ehescheidungen zeigen uns ein weiteres, ganz entscheidendes pastorales Aufgabengebiet an. Die Ehescheidungen stiegen von 242 im Jahre 1967 auf 378 im Jahre 1976. Die Prognose für zu erwartende Erst-Ehen im Jahre 1976 lautete auf 2224. Tatsächlich gab es 1698 standesamtliche und nur 1310 kirchliche Eheschließungen. Ehe-und Familienpastoral müssen diöze-san und pfarrlich noch mehr als bisher forciert werden. Mancher Erfolg in der Ehe- und Familienbildung, mit Familienrunden, Familiengottesdiensten usw. gibt hier berechtigte Hoffnung für die Zukunft.

Priester- und Theologenzahlen sind für die pastorale Lage äußerst .aufschlußreich. Im diözesanen Seelsorgedienst stehen gegenwärtig 189 Diözesanpriester und 14 Ordenspriester. Die 22 pensionierten Priester leisten - soweit sie noch können -manche seelsorgliche Aushilfe. 14 Diözesanpriester arbeiten in anderen Diözesen, davon 3 im Missionseinsatz. Eine große Hilfe sind die in der Diözese tätigen männlichen und weiblichen Orden, Kongregationen und Gemeinschaften.

Im Studienjahr 1978/79 zählen wir 24 Diözesantheologen. Wenn man bedenkt, daß in den vergangenen 10 Jahren 53 Priester gestorben und 13 aus dem priesterlichen Dienst ausgeschieden sind, während 32 Diakone zu Priestern geweiht wurden, verwundert es nicht, daß 16 - allerdings zahlenmäßig kleine Gemeinden -ohne eigenen Priester sind.

Um dem Personalmangel und der Überalterung zu begegnen und ein Aggiornamento der Pastoral zu ermöglichen, wurden schon 1973 die ersten 5 ständigen Diakone geweiht und auf die haupt- und ehrenamtliche pastorale Mitarbeit von Laien großes Gewicht gelegt.

Vor allem auf dem Gebiet des Religionsunterrichtes hat sich das schon bewährt. Auf dem Sektor der mittleren und höheren Schulen wirken derzeit neben 13 hauptamtlichen Welt- und Ordenspriestern 8 hauptamtliche Laien (5 Männer, 3 Frauen); mit einer verminderten Lehrver-

„Eine Pastoral wird sich aber nicht nur auf hauptamtliche Funktionäre' stützen dürfen“

pflichtung sind neben 14 Priestern und 9 Ordensschwestern 13 Laien tätig. Auf dem Pflichtschulsektor sind derzeit 27 Laien hauptamtlich als Religionslehrer tätig. Mit einer verminderten Stundenzahl (nebenamtlich) sind derzeit 128 Priester, 33 Ordensschwestern und 208 Laien als Katecheten tätig.

Die hauptamtlichen Laien sind schon jetzt eine große Hilfe und für die Zukunft noch bedeutungsvoller in der pfarrlichen und überpfarrli-chen Seelsorge. 1965 waren es 26 (9 pfarrlich, 17 überpfarrlich). Ihre Zahl hat sich bis heute verdreifacht, wobei ungefähr gleich viele in der pfarrlichen und überpfarrlichen Seelsorge tätig sind. Dabei handelt es sich mehrheitlich um Pastoralassi-stent(inn)en und Jugendleiterün-nen).

Eine Pastoral wird sich aber nicht nur auf hauptamtliche „Funktionäre“ stützen dürfen und können. Das ganze Volk Gottes, die Christengemeinden insgesamt, müssen immer mehr auch Träger der Pastoral werden. Um diesem „Traumziel“ wenigstens näher zu kommen, ist es uns ein ernstes pastorales Anliegen, Kerngemeinden, Basisgruppen, kirchliche Organisationen und besonders Pfarrgemeinderäte aufzubauen. Von unseren 138 Seelsorgestellen (Pfarreien, Exposituren usw.) haben bis jetzt nicht ganz zwei Drittel einen Pfarrgemeinderat, einige werden bei der Pfarrgemeinderatswahl 1979 neu dazukommen.

Die Zukunft ist offen möchte ich mit Zulehner sagen. Trotz eines tiefgreifenden und vielschichtigen Wandels gibt es für die Kirche in Vorarlberg viele Chancen. Gott gebe uns die Gnade, sie zu sehen und zu nützen.

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