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Auch zur UNO neutral?

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Am 16. März kann das Schweizer Volk an der Urne entscheiden, ob der neutrale Kleinstaat als 160. Vollmitglied der UNO beitreten oder sich weiterhin mit einem Beobachterstatus begnügen soll. Im heftig geführten Abstimmungskampf wird von den Befürwortern immer wieder Österreich als Beispiel zitiert, daß sich Neutralität und UNO-Mit-gliedschaft nicht in die Quere kommen, wie das die Gegner als zentrales Argument für ein Nein ins Feld führen.

Erstmals in der 40jährigen Geschichte der UNO kann ein Volk über die Zugehörigkeit zur internationalen Weltorganisation frei an der Urne entscheiden. Bei allen jetzt in der UNO vertretenen Staaten lag die Beitrittskompetenz bei den Regierungen oder Parlamenten, auch in Österreich, das den Vereinten Nationen 1955 beitrat.

Der Bundesrat als Landesregierung und eine - nicht gerade überwältigende - Mehrheit des Parlamentes empfehlen den Schweizer Stimmbürgern, am 16. März ein Ja in die Urne zu legen. Damit wird eine seit Jahrzehnten geführte Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines UNO-Bei-trittes des Landes beendet, das bereits in einer Reihe von Unterorganisationen vertreten und aktiv ist und mit Genf eine „UNO-Hochburg“ in ihren Gemarkungen weiß.

Im Vordergrund der Argumentation steht die These, daß die Schweiz mit einem Beitritt ihre Interessen besser wahren und ihre Solidarität mit der Völkergemeinschaft bezeugen könne. Der Beitritt stelle die Neutralität nicht in Frage, sondern stärke sie sogar.

Die Neutralitätsfrage steht im Zentrum der Auseinandersetzungen. Der Bundesrat ist überzeugt, daß die Schweiz ihre seit Jahrzehnten bewährte dauernde und bewaffnete Neutralität voll und ganz beibehalten könne. Die Landesregierung wird dies vor dem Beitritt in einer Erklärung ausdrücklich und feierlich festhalten. ' Während die Gegner betonen, die UNO-Charta verpflichte ihre Mitglieder auf wirtschaftliche, verkehrspolitische und diplomatische Sanktionen gegen einzelne Staaten, weist der Bundesrat darauf hin, daß kein Staat gezwungen werden könne, an der Durchführung von (übrigens noch nie beschlossener) Maßnahmen teilzunehmen. Auch UNO-Friedens-truppen (Beispiel Österreichs!) werden von den Mitgliedsländern ohne Zwang zur Verfügung gestellt.

Eine Beteiligung an anderen Sanktionen müßte aufgrund der neutralitätspolitischen Grundsätze geprüft werden. Die Ausgestaltung der Neutralitätspolitik liege im freien Ermessen des neutralen Staates. Schon seit jeher habe die Schweiz zu politischen Fragen (Menschenrechtsverletzungen) Stellung genommen, was mit der Neutralität, die keine Gesinnungsneutralität sei, durchaus vereinbar sei und der Schweiz keinerlei Nachteile gebracht habe. Uberhaupt habe kein Land infolge seiner UNO-Mitgliedschaft an Unabhängigkeit eingebüßt. „Die UNO ist keine Weltregierung, sondern eine Vereinigung souveräner Staaten.“

Selbstverständlich wird in der Abstimmungsdiskussion immer wieder auf Neutralitäts-Parallel-fälle wie Schweden und das als besonders aktives Mitglied geltende Österreich verwiesen.

Ein besonders begehrter Kronzeuge für die These, daß sich Neutralität und UNO-Mitgliedschaft nicht in die Quere kommen, ist der ehemalige UNO-Generalsekretär und Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim. Selbst ohne ausdrücklichen Neutralitätsvorbehalt, wie ihn die Schweiz vorsehe, sei Österreich und anderen neutralen Staaten „nie Probleme mit UNO-Beschlüssen erwachsen.“ „Und die Neutralitätsauffassungen von Bern und Wien decken sich“, erklärte der in diesen Tagen in der Schweiz äußerst begehrte und bereitwillig Stellung nehmende Interviewpartner.

Die Gegner bezeichnen die UNO als „unerfreuliche Organisation“, in der die westlichen Staaten von den Entwicklungsländern und vom Ostblock dominiert werden. Die UNO werde so zum Agitationsforum gegen einige dem Westen zugehörige Kleinstaaten wie Israel, Südafrika und Taiwan.

Der Bundesrat entgegnet auf derlei Argumentation, die UNO sei nun einmal das Spiegelbild der Welt, wie sie wirklich ist. „Es wäre ein gefährlicher Selbstbetrug zu glauben, die Schweiz bliebe von dieser Wirklichkeit verschont, wenn sie der UNO nicht beitrete.“ Im übrigen stimme die Behauptung nicht, die UNO sei kommunistisch dominiert. So seien die östlichen Staaten im Verwaltungsapparat eher untervertreten.

Diskutiert wird auch der finanzielle Aspekt - in der Schweiz immer ein wichtiges Thema. Bereits jetzt bezahlt die Schweiz an die Unterorganisation der UNO rund 170 Millionen Franken. Dazu kämen bei einem Vollbeitritt noch rund 20 Millionen oder 1,12 Prozent des UNO-Budgets.

Die Befürworter weisen insbesondere darauf hin, daß die UNO in Genf und ihre dort niedergelassenen Organisationen in der Schweiz rund eine Milliarde Franken jährlich ausgeben.

Die Chancen für ein Ja des Volkes am 16. März stehen eher schlecht, auch wenn die Befürworter im Abstimmungskampf aufgeholt haben, und die Gegner mehr mit Emotionen als mit rationalen Argumenten fechten. Meinungsumfragen haben bis jetzt immer eine Nein-Mehrheit prognostiziert.

Daran ändert auch nichts, daß drei der vier größten und im Bundesrat vertretenen Parteien der Schweiz einen Beitritt offiziell befürworten. Schon in den Kantonen aber sieht es anders aus, dort schert eine ganze Reihe von Sektionen der bürgerlichen Parteien aus und empfiehlt ein Nein.

Daß man in der weiten Welt einem negativen Abstimmungsausgang der Schweiz verständnislos gegenüberstehen wird, stört viele Eidgenossen wenig. Sie fühlen sich in einer Sonderstellung ausgesprochen wohl.

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