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Audi Bibliotheken haben ihr Schicksal

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Da sammelt und kauft ein Mensch sein Leben lang Bücher. Das allein tut schon nicht jeder. Dieser aber war darüber hinaus mit der Literatur verbunden, er liebte sie, kümmerte sich um sie. Das tut schon höchst selten einer. Er verstand auch etwas davon: das war die Ausnahme. So kam es, daß die Dichter, die Schöpferischen, ihm, dem Freunde, dem Kenner, der gleichfalls ein Meister war, ihre Werke widmeten, Worte der Freundschaft hineinschrieben. Seine Bibliothek wurde so ein Abbild seiner Zeit, der Zeit, mit der er groß wurde. Sie ergab ein Bild, ein fast lückenloses Bild von der Jahrhundertwende bis in unsere siebziger Jahre.

Da nun starb er. Auch wenn Kinder da sind, ist es nur selten, daß sie den gleichen Beruf haben wie der Verstorbene, die gleiche Liebe zur gleichen Zeit, zu seiner Zeit, der Vergangenheit. Ein Verkauf ist oft unvermeidlich. Zwar hängt die Witwe an alldem, was das Leben des Verstorbenen ausmachte, also in einem solchen Fall vor allem an der Bibliothek. Aber was soll's? Ihr Beruf war es ja nicht. Kommen dann noch Raumsorgen oder gar Geldsorgen hinzu, ist das Schicksal der Bücher besiegelt: verkaufen.

Nur auf eine oder zwei Arten kann solch eine besondere Bibliothek irgendwie die Erinnerung an den Eigentümer weitertragen: Entweder es findet sich eine Institution, die die ganze Bibliothek wie sie liegt und steht, übernimmt, ihr einen eigenen Raum widmet und sie als „Denkmal” aufbewahrt, betreut, verwaltet, bearbeiten läßt, Studienmaterial werden läßt, für Dissertationen und dergleichen. Doch diese Zu-Fälle sind höchst selten, und schon aus Raum-und Budgetgründen nur den ganz großen Bibliotheken vorbehalten. Andernfalls gibt es nur die Weitergabe der Erinnerung mit jedem einzelnen Buch.

Wenn nun aber, wie in diesem Fall, die Bücher, vermischt mit dutzenden, hunderten oder gar tau-senden andern in Schachteln, Stellagen, auf Wühltischen herumliegen, und mehr oder weniger aus einem Zufall heraus ver- bzw. gekauft werden, dann ist die Erinnerung an den früheren Besitzer, ob er nun ein großer oder ein kleiner Meister war, verloren.

Da nun kann der liebevolle Antiquar noch etwas retten: er stellt einen Sonderkatalog zusammen, gewidmet nur jenem großen Menschen, enthält er einzig und allein dessen Bibliothek. So geschah es auch mit der Bibliothek des Oskar Maurus

Fontana. Und jetzt, in einem solchen Falle, kaufen die Interessenten nicht nur das Buch XY, sondern sie kaufen, ganz bewußt, auch ein Stück der Erinnerung an Fontana. Mit dem gekauften Buch haben sie etwas von ihm in Händen, sie lesen seine Randbemerkungen, seine beiliegenden Notizen und Buchbesprechungen. Ganz zu schweigen von den handschriftlichen Widmungen, anderer Dichter an ihn. Man erlebt es, daß Bücher gekauft werden nicht so sehr um ihrer selbst willen, sondern eben weil er sie in Händen gehabt hat, Von einem alten Haus, das einem etwas bedeutet hat, nimmt man beim

Abbruch vielleicht einen Ziegelstein nach Hause, eine Erinnerungsblume preßt man, von einer Opernvorstellung klebt man die Eintrittskarte in das Tagebuch, und von Fontana hat man ein Buch aus seiner Bücherei nunmehr in seiner eigenen Bibliothek stehen. Auf diese Art ist es auch für die Witwe ein guter Trost, zu wissen, daß alle seine Bücher in guten Händen sind; bei Wissenden, ihn Schätzenden. Mit dieser Methode ist ein Optimum erreicht und allen geholfen: der Witwe, den Käufern und seinem Andenken.

Und noch einige Erfahrungen, die man beim Verkauf solcher Bücher macht:

Die gelernten Antiquariatskäufer sind womöglich schon vor dem Erscheinen des Katalogs da. Sie riechen es förmlich, daß demnächst ein neuer erscheint. Durch allerlei Tricks und gute Worte wollen sie schon vor dem Verschicken Einblick nehmen und die Rosinen herausklauben.

Und am anderen Ende der Geschwindigkeitsskala stehen leider nur zu oft die österreichischen Bundesländer. Langsam, bedächtig, schicken sie die gelbe Bestellkarte. Und sind dann böse, wenn das meiste, das sie sich wünschen, nicht mehr da ist. Die Kataloge werden

(gleichzeitig versandt. „Gleichzeitig” meint, daß sie womöglich gleichzeitig bei den verschiedenen Empfängern ankommen. Da die künftigen Käufer aber in allen Erdteilen verstreut wohnen, so zwischen Floridsdorf, Villach und Kalifornien, bedarf es einiger Überlegung und Kenntnis der Luftfrachttermine und der Samstag-Austragungssperre, um halbwegs Gerechtigkeit zu erreichen. Mit einem Wort: der Versand wird so abgefertigt, daß der Katalog in Manhattan und Dornbach zugleich ankommt. Soweit so gut. Aber auf „los!” geht's los, und jetzt zeigt sich die Mentalität der verschiedenen Völker! Von Übersee treffen Kabeltelegramme, Luftpost, kombiniert mit Expreßzustellung ein. Sogar Telephonanrufe. Letztere sind aus Deutschland und der Schweiz gang und gäbe: „telephonisch voraus —”. Und daher bekommen diese Bewerber natürlich die Zuckerln aus dem Katalog.

Die Wiener sind da ganz anders. Die lassen sich vielfach Zeit. Zeit zum Schreiben, Zeit zum Kommen. Aber dann sind sie oft enttäuscht, weil „ihr” Wunschbuch nicht mehr da ist. — Als ob der Buchhändler nicht viel lieber seine hiesigen Kunden zufriedenstellen würde, weil sie ja nicht nur seine antiquarischen

Werke kaufen, sondern, mehr oder weniger laufend, auch seine neuen Bücher. — Aber was soll er tun. — Die Wiener haben dafür aber dann ihre Stoßzeiten: die Mittagspause ihres Büros. Da eilen sie dann in Massen herbei und drängen sich. Der zweite Lieblingseinkaufszeitraum ist abends zwischen 5 und 6 Uhr. Nach Büroschluß.

Aber auch sonst sind die Kaufgewohnheiten recht verschieden. Der Ausländer bestellt fix. Es ist heute nicht mehr üblich, „zur Ansicht” sich antiquarische Bücher kommen zu lassen. Der ausländische Fachmann weiß, daß keinem Antiquar zugemutet werden kann, daß er das einzige Exemplar blockiert — eben durch eine solche Ansichtssendung — und zur gleichen Zeit vielleicht zwei oder drei potentielle Käufer wegschicken muß. Während das Ansichtsexemplar dann vielleicht nach drei Wochen zurückkommt, weil es nicht entsprach. Der Wiener jedoch ist immer noch gewohnt, sich etwas „zurücklegen” zu lassen.

Noch ein anderes Moment: der Ausländer gibt erfahrungsgemäß einige Ersatzwunschnummern an, weil er ja selten alles Erbetene bekommen kann. Der Wiener jedoch hat gerne einen großen Berg um sich angehäuft, in dem er schmökert, aber nicht immer sind das dann Fixbestellungen. — Dafür aber gibt es unter den Wienern so manche große Bibliophile, die wahre Schätze zu Hause haben und genau auf das Datum der Erstausgabe schauen.

Bis dann eines Tages die Witwe im Antiquariat erscheint...

Waldstetn, der den Verband sieben Jahre in vorbildlicher Weise geführt hat, ist es zu danken, daß der ÖSV in der Öffentlichkeit zu vermehrtem Ansehen gelangt ist. Die Zahl der Autörenlesungen, die teils in den Räumen der Concordia, teils im Palais Palffy stattfinden, wurde bedeutend erhöht. Viele der eingeladenen Dichter lasen selbst aus ihren Werken: so Christine Busta, Friedrich Schreyvogl, Michael Guttenbrunner, Franz Theodor Csokor, Rudolf Henz, Wilhelm Szabo, Imma Bodmershof, Werner Riemerschmid, Siegfried Freiberg, Peter Marginter, Fritz Habeck, Rudolf Felmayer, Jeannie Ebner, Ingeborg Bachmann und Johannes Urzidil, der wenige Tage vor seinem Tode vor dem ÖSV über „Cervantes und Kafka” sprach. Die Werke anderer Autoren, unter ihnen Christine Lavant, Felix Braun, Kurt Frieberger, Alexander Lernet-Holenia, Johannes Lindner, Carl Zuckmayer, Helmut Schinagl, Max Meli, Oskar Kokoschka, Theodor Kramer, Anna Maria Achenrainer, Eugen Andergassen, Hermann Ku-prian, Georg Drozdowsik, Juliana Windhager und Claude d'Acy wurden von namhaften Schauspielern — Fred Liewehr, Erich Auer, Andreas Wolf, Helma Gautier, Lore Müller, Gustaf Elger, Edda Puschmann und Kurt Anatol Tichy — interpretiert.

Im Dezember des Vorjahres übernahm Ernst Schöruuiese die Leitung des Verbandes. Dem gesamtösterreichischen Charakter des Verbandes Rechnung tragend, soll ab Herbst ein ständiger Austausch von Autoren und Dichterlesungen zwischen Wien und den Bundesländern organisiert werden, ohne daß die bereits eingebürgerten und bewährten Vortragsreihen reduziert werden. Ferner sollen work-shop-artige Veranstaltungen durchgeführt werden, weiter Gedenkabende für große Autoren des 20. Jahrhunderts. Als Auftakt dazu kann ein erst vor kurzem ver-anstalteter Gedenkabend für George Saiko gelten, aus dessen Werk Eva Zilcher und Helmut Janatsch lasen. Schließlich soll der Kontakt mit dem Ausland verstärkt und gefestigt

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