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Auf Dauer nicht glaubwürdig
Kurze Zeit nach seiner Bestellung zum Finanzminister meinte Herbert Salcher in einem „Ku-rier"-Interview, daß „in diesem Budgetjahr die Vollziehung wichtig ist, um das Nettodefizit nicht über die geplanten 24,8 Milliarden Schilling hinauswachsen zu lassen".
Diese erste Prüfung, soviel steht fest, hat der Finanzminister nicht bestanden. Im bestąn Fall wird
für 1981 das Nettodefizit knapp unter 30 Milliarden Schilling liegen.
Mit seinem ersten eigenen Budgetentwurf versprach der Finanzminister in einem ORF-Interview am 9. April 1981 „ein sehr hartes Sparprogramm, denn andernfalls ist die Budget- und Finanzpolitik auf Dauer nicht glaubwürdig". Überdies, so meinte er in diesem Zusammenhang, sei für ihn Wirtschafts- und Budgetpolitik „nicht Fortschreibung der Vergangenheit, sondern Gestaltung der Zukunft".
Gemessen an seinen eigenen Vorsätzen und Ansprüchen ist der Budgetentwurf für das Jahr 1982 eine schwere Enttäuschung.
Während die sozialliberale Regierung in der Bundesrepublik einen heißen Sommer lang bis an den Rand des Koalitionsbruches um ein Sparprogramm gerungen und dieses dann dank struktureller Durchgriffe auch einigermaßen zustandegebracht hat, ist die Regierung Kreisky den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.
Am Ende dieses Budgetwegs steht ein Entwurf, dessen Zahlenwerk frisiert und mit dem eine große Chance auf einen budgetpolitischen Kurswechsel vertan ist.
Die Budgeteinnahmen in Höhe von rund 309 Milliarden Schilling gründen auf der Hoffnung eines zweiprozentigen realen Wirtschaftswachstums. So wünschenswert dies auch ist, so wenig wahrscheinlich ist diese Annahme.
Seit Frühjahr 1981 wird weltweit mit schöner Regelmäßigkeit im OECD-Bereich ein Rückgang des Zinsniveaus und ein Ende der konjunkturellen Talfahrt angekündigt. Im Herbst 1981 ist davon nichts zu merken — mittlerweile haben die Konjunkturforscher den Beginn eines neuen Aufschwungs auf das Frühjahr 1982 verschoben.
Salchers Hoffnung auf ein zwei-proaentiges Wirtschaftswachstum’geht dagegen von einer Konjunkturbelebung bereits im .Herbst 1981 aus. Diese Hoffnung ist jetzt schon von der Wirklichkeit widerlegt.
Bei der Lohn- und Einkommensteuer rechnet der Finanzminister mit einem Plus von rund 6,8 Milliarden Schilling. Die österreichischen Steuerzahler können daraus jetzt schon Rückschlüsse auf die Spürbarkeit jener Lohn- und Einkommensteuer-„Reform" schließen, die ihnen für Anfang 1982 zugesichert worden ist.
Wiewohl im nächsten Jahr mit einer nur äußerst schleppenden Entwicklung des privaten Konsums zu rechnen ist, setzt der Finanzminister das Wachstum der Umsatzsteuereinnahmen mit zehn Prozent an. Die Pflicht zur Rechnungslegung, so glaubt er, werde ihm rund vier Milliarden Schilling bringen.
Seine Mitarbeiter im Finanzministerium haben Salcher von dieser überschwenglichen Hoffnung abzubringen versucht. Solange man die Konsumenten nicht zum Aufbewahren der Rechnungen zwingt, solange läßt sich dieses
Gesetz nicht realisieren. Indes: der Finanzminister war selbst mit Hinweisen auf schlechte italienische Erfahrungen nicht zu überzeugen.
Der Finanzminister rechnet mit Budgetausgaben in Höhe von rund 368,4 und einem Bruttodefizit von rund 59,2 Milliarden Schilling. Das von ihm angekündigte „Sparbudget" sieht bei den Ausgaben einen Zuwachs von rund 33 Milliarden Schilling oder zehn Prozent und beim Bruttodefizit eine Zunahme von rund zehn Milliarden oder 19 Prozent vor. Unerfindlich bleibt, wie dann ernsthaft von einem „ Sparbudget" gesprochen werden kann.
Ausgaben unterschätzt
Dabei läßt sich jetzt schon mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, daß sowohl das Ausgabenvolumen als auch die Defizithöhe im Vollzugsjahr 1982 die Schätzwerte stark überschreiten müssen.
Beispielsweise wurden im Budgetentwurf 1982 die Zuschüsse an die defizitären Staatsbetriebe VOEST und VEW nicht berücksichtigt. Es steht heute schon fest, daß diese Zuschüsse zumindest vier Milliarden Schilling erfordern werden, also das Fünfzehnfache des im Budgetentwurf veranschlagten Betrages.
Statt Milliarden in die Wirtschaft zu pumpen, kürzt’die Bundesregierung die Investitionsförderung. Die Ausgaben für den Straßen- uund Brückenbau wurden um 2,5 Milliarden Schilling gekürzt, trotz der Annahme eines nominellen Wachstums von 7,5 Prozent verharren die Bruttoinvestitionen auf dem Vorjahresniveau; die direkte Wirtschaftsförderung, die im SPÖ-Programm eine so große Rolle einnimmt, wurde gleich um die Hälfte zurückgenommen. Korisequenter-weise wurden dafür die Mittel für Arbeitslosenzahlungen im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung beträchtlich erhöht.
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