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Auf dem grünen Dach des Windes

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Abseits von neuerdings wieder be­wußter betretenen offiziellen österrei­chisch-jugoslawischen Kooperations­pfaden ist Ende Dezember eine zweisprachige Anthologie slowenischer zeitgenössischer Lyrik erschienen. „Na zeleni strehi vetra - Auf dem grünen Dach des Windes“ ist der metaphori­sche Titel der repräsentativen, 254 Sei­ten starken Ausgabe dieses im Klagen­furter Verlag Heyn erschienenen Bu­ches. Mit Fug und Recht kann man die Herausgabe der Anthologie als kultur­politische Pioniertat bezeichnen. Der Lyrikband ist das bisher deutlichste Le­benszeichen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Slawi­stikinstituten der Universitäten Ljubl- jana/Laibach und Klagenfurt. Voran­gegangen sind diesem Kooperations­produkt bereits mehrere wissenschaft­liche Symposien hüben und drüben, Gastprofessuren an der

Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt sowie freundschaftliche Begegnungen.

Die geistigen Väter dieser Zusam­menarbeit und der Anthologie sind Professor Rudolf Neuhäuser aus Kla­genfurt und Professor Boris Paternu aus Ljubljana. Letzterer hat als intim­ster Kenner slowenischer Gegenwarts­lyrik die AuswahLbesorgt und ein pro­fundes Geleitwort beigesteuert. Mither­ausgeber Universitätsassistent Klaus Detlef Olof besorgte den Großteil der kongenialen Übersetzungen ins Deut­sche. Von großem Dokumentations­wert sind die biographischen und bi­bliographischen Angaben, die von Da- nijela Sedej beigesteuert wurden. Be­

dauerlicherweise erfaßt die Bibliogra­phie nur das lyrische Opus, das für viele der erfaßten Autoren lediglich eine Fa­cette ihres literarischen Schaffens be­deutet. Schließlich sollen auch die Gra­phiken des Kärntner Malers Valentin Oman, der erst unlängst in der Klagen­furter „Aula slovenica“ ausgestellt hat, erwähnt werden.

Die Auswahl der Autoren und der Gedichte zeugt von großer Sachkennt­nis und Sorgfalt, wenngleich man aus subjektiver Sicht Gewichte da und dort vielleicht gerne etwas anders verteilt sähe. Es sind alle großen Namen slowe­nischer Gegenwartspoesie von Edvard Kocbek, den der Literarhistoriker An­ton Slodnjek schon vor Jahren als no­belpreisverdächtig klassifizierte, bis zu jüngsten Autoren (auch Namen aus dem Triestiner Raum und aus Kärnten) vertreten.

Die kulturpolitische Relevanz dieser Neuerscheinung ist eine zweifache: Zu­nächst wird dem deutschsprachigen und slowenischsprachigen Leser ein teilweise in seiner Existenzangst be­klemmender, qualitätvoller Einblick in das literarische Schaffen eines Nach­barvolkes gewährt, das gerade mit dem österreichischen Raum durch einejahr- hundertewährende Historie eng ver­bunden ist. Ein Werk solcher literari­scher Konzeption und solchen Zu­schnitts hat es bisher - leider - nicht ge­geben. Das Gejammer über die wegen der Sprachbarrieren vorgegebene Un­zugänglichkeit nachbarlicher Kreativi­tät muß also - wenigstens für den Be­

reich zeitgenössischer slowenischer Ly­rik - verstummen.

Zum zweiten ist das Werk in Klagen­furt erschienen, der Hauptstadt eines österreichischen Bundeslandes mit zwei Landessprachen. Auch dies war und ist nicht selbstverständlich in einer Zeit, da selbst deutschsprachige Kärntner Autoren außerkärntnerische Verlage suchen müssen. Die Brückenfunktion der slowenischen Volksgruppe in Kärn­ten wird auch durch redaktionelle Mit­arbeiter, die am Entstehen des Buches mitgewirkt haben, dokumentiert.

Der Anthologie darf man eine grö­ßere Verbreitung wünschen, als sie bei­spielsweise der deutschen Übersetzung der Prosa des slowenischen Autors Pre: zihov Voranc („Wildwüchslinge“) be- schieden war. Vor allem aber sollte der Band „Na zeleni strehi vetra - Auf dem grünen Dach des Windes“, dessen Er­scheinen auch durch eine dankenswerte Subvention des Bundeskanzleramtes ermöglicht wurde, Kulturpolitiker be­flügeln, dem Lyrikband nun einen Pro­saband folgen zu lassen, vielleicht sogar als Auftakt zu einer zweisprachigen Reihe von Schriften.

Eine Politik der guten Nachbar­schaft kann sich nur gedeihlich entwik- keln, wenn die Fundamente gegenseiti­gen Kennens und damit gegenseitiger Achtung gelegt sind.

„NA ZELENI STREHI VETRA - AUF DEM GRÜNEN DACH DES WINDES". Von Boris Paternu, Rudolf Neuhäuser (Hrsg.). Verlag Heyn, Klagenfurt 1980, 254 Seiten, öS 245,-

Der Autor ist Direktor des slowenischen Gymnasi­ums in Klagenfurt.

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