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Auf dem neuen Studiengesetz muß die Weiterbildung aufbauen

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Das Parlament hat am 2. März die Ausbildung der Juristen gesetzlich neu geregelt. Der Konsens der beiden großen Parteien brachte eine Neuordnung, die ausgewogen genug erscheint, für lange Zeit als Basis pädagogischer Bemühungen um den angehenden Juristen zu dienen. Die Vorentwürfe dazu waren Legion. Notwendigerweise war das politische Interesse an der Ausbildung des Juristen wesentlich größer als etwa an der des Technikers, Mediziners oder Philologen. In zahlreichen Berufszweigen tritt der Jurist als der entscheidende Ubersetzer parlamentarisch-politischen Wollens auf. Er kann dieses Wollen -wie die Geschichte zeigt - verwirklichen oder hemmen, er kann es verständig zu Ende denken oder schematisch verderben, er kann es revolutionär mißachten oder selbst im Grenzfall klarer Ungerechtigkeit sklavisch befolgen. Seine Ausbildung, ganz besonders jene an der Universität, wird ihn dabei leiten.

Ein Studiengesetz kann nun zwar nicht Art und Inhalt der Lehrveranstaltungen unmittelbar beeinflussen. Es kann aber Fächer vorschreiben, die dem politisch erwünschten Ausbildungsziel dienen, und andere ausschalten, deren traditionelle Inhalte dem Ziel im Wege stehen. Daneben aber stellen sich bei jedem Studiengesetz auch Fragen rein pädagogischer Zweckmäßigkeit. Die politischen Probleme scheinen im vorliegenden Gesetz maßvoll gelöst, die pädagogische Zweckmäßigkeit selbst für die Massenuniversität Wien gut getroffen worden zu sein.

Eine Frage reiner Zweckmäßigkeit war der grundsätzliche Aufbau des Studiums. Die bisher geltende Studien- und Staatsprüfungsordnung sah drei Studienabschnitte vor. Nach zwei Semestern vprwiegend rechts historischer Einführung mußten in drei Semestern - wovon eines bereits den Prüfungen diente - so umfangreiche Materien wie Zivilrecht, Zivilprozeßrecht, Strafrecht und Strafprozeßrecht erlernt werden. Für ein vertieftes Studium reichte diese Zeit auf keinen Fall aus. Und das so eilig für Prüfungszwecke erworbene Wissen ging im dritten Studienabschnitt, der mit drei Semestern dem Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Völkerrecht, der Rechtsphilosophie und der Volkswirtschaftslehre gewidmet war, wieder verloren. Die neue Ordnung trennt jetzt nur noch die zweisemestrige Einführung von der dann für alle Fächer grundsätzlich durchgehenden fachlichen Vorbildung über sechs Semester. Alle Hauptfächer werden jetzt im zweiten Studienabschnitt nebeneinander studiert. Das erlaubt eine Vertiefung der Kenntnisse über längere Zeit, schafft Interesse für Seminare und gibt Raum für speziellere Vorlesungen. Vor allem aber kann die universitäre Vorbildung jetzt in allen Fächern ungebrochen in die nachuniversitäre Ausbildung übergehen.

Eine Frage der Zweckmäßigkeit -sehen wir von der leidigen Titelfrage ab - ist auch die, wie man das Doktoratsstudium gestaltet. In Zukunft wird das Doktorat in einem besonderen, dem Diplomabschluß folgenden Studium durch die Dissertation und Rigorosen erworben. An der Wissenschaftlichkeit des Diplomstudiums wird sich dadurch nichts ändern. Das Doktorat werden aber nur noch jene Studenten erwerben, die sich der wissenschaftlichen Arbeit ganz besonders zuwenden und dabei eine eigene Forschungsleistung erbringen wollen. Die Universität wird es fortan leichter haben, unter diesen Kandidaten den wissenschaftlichen Nachwuchs auszuwählen.

Aus dem rechtshistorischen Studienabschnitt ist nunmehr ein einführender Abschnitt geworden. Im Vordergrund steht das Fach „Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden“ (unter Berücksichtigung der Grundzüge der Rechtsphilosophie). Eine maßvoll kritische Einstellung zur Leistungsfähigkeit geschichtlich-vergleichender Betrachtungen stellt daneben die Fächer „Römisches Privatrecht“ und „österreichische Rechtsgeschichte“. Dieses Fach, soll als Teil europäischer Rechtsentwicklung gesehen werden und die Sozial-und Wirtschaftsgeschichte integrieren. Breiterer staatswissenschaftlicher Vorbildung dient das Fach „Volkswirtschaftslehre“, womit eine vorbildliche österreichische Tradition erhalten bleibt. Dem Fach „Soziologie für Juristen“ wird eine Chance gegeben; wir werden sehen, wie diese Chance genützt wird.

Im zweiten Studienabschnitt ist besonders beachtlich, daß der Gesetzgeber fremden Vorbildern widerstanden und keine vorzeitige Spezialisierung

• 22.696 Burschen und Mädchen werden in diesem Frühjahr zur Reifeprüfung antreten. Im Vorjahr gab es 21.705 Maturanten. Der Anstieg der Zahl der Reifeprüfungskandidaten steigt also weiter. 15.037 (1977: 14.538) kommen aus allgemeinbildenden höheren Schulen - Gymnasien, Realgymnasien, Musisch-Pädagogischen Realgymnasien - 7659 (1977: 7167) aus berufsbildenden höheren Schulen. Während die Zahl der Maturanten an den AHS um 3,32 Prozent gestiegen ist, liegt sie an den BHS um 6,42 Prozent höher als im Vorjahr. Damit erreicht der Anteil der Maturanten an den jeweiligen Geburtsjahrgängen die Marke von 18,25 Prozent. 1977 lag er noch bei 17,68 Prozent.der juristischen Ausbildung eingeführt hat. Jede Spezialisierung vor dem Erwerb umfassender Basiskenntnisse in allen Bereichen birgt die Gefahr, daß prinzipielle Zusammenhänge unberücksichtigt bleiben. Erst in der nachuniversitären Ausbildung ist der Platz für Spezialisierung. Mit dem daraus folgenden Problem der UberfüDe juristischer Hauptfächer in der Universitätsausbildung ist der Gesetzgeber gut zurechtgekommen. Er hat vielseitigen Forderungen widerstanden, auch noch dieses oder jenes bedeutsame juristische Fach in den Katalog der Pflichtfächer aufzunehmen.

Positiv zu bewerten ist auch, daß drei Wahlfachgruppen sinnvolle Ergänzungen des Basisstudiums bieten. In der ersten Gruppe wird der Jurist noch einmal mit einem wirtschaftlich orientierten Fach konfrontiert, in der zweiten Wahlfachgruppe wird er sich notwendig mit einem sozialwissenschaftlichen Fach beschäftigen müssen, in einer weiteren Wahlfachgruppe kann er unter ergänzenden juristischen Fächerrwählen, die ihm eine erste bescheidene Spezialisierung erlauben. Gewiß wird sich manche Kritik an der Auswahl dieses oder jenes Faches erheben. Sie wird nicht überbewertet werden dürfen, denn zwei Unsicher-heitsfaktoren belasten die Wahl auf jeden Fall. Zum einen wird sich erst erweisen müssen, in welcher Weise für den Juristen etwa „Politikwissenschaft“ oder „Psychologie für Juristen“ in den vorgesehenen Kurzstudien nutzbar gemacht werden. Zum anderen haben Wahlfachkataloge leider den Nachteil, daß eine große Zahl von Studenten dem Weg des geringsten Widerstandes, nicht dem wohlverstandenen eigenen Interesse folgt.

Das Gesetz bedeutet auf keinen Fall schon die volle Refom der juristischen Ausbildung. Die Universität kann heute nur noch eine Vorbildung für einen juristischen Beruf bieten. Der eingestandene Verzicht der neuen Ordnung auf das frühere Ausbildungsziel umfassender theoretischer Ausbildung erfordert nunmehr, zu bedenken, ob nicht die nachuniversitäre Ausbildung in den verschiedenen Laufbahnen darauf eingerichtet werden muß.

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