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Auf dem Weg zum Zwei-Parteien-Staat

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Die Machtübernahme durch die Konservativen unter ihrem Chef Kaare Willoch war nicht das bemerkenswerteste Ergebnis der norwegischen Parlamentswahlen. Zu klar hatten die Meinungsumfragen diesen Wechsel angekündigt.

Wie groß der Vorsprung der Opposition in der Gunst der Bevölkerung zeitweise war, zeigt nichts klarer als das Wahlresultat selbst: Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei erzielte ein Ergebnis, das besser war als sämtliche Meinungsumfragen des letzten Jahres - und verlor dennoch elf Mandate. Aus dem hauchdünnen Ein-Mandat-Vorsprung, mit dem die Linksparteien acht Jahre lang regiert hatten, wurde im Handumdrehen ein Rückstand von nicht weniger als 17 Parlamentssitzen.

Bemerkenswert ist jedoch vor allem die Gunstverteilung im bürgerlichen Lager. Die Mitteparteien zwischen Sozialdemokraten und Konservativen verlieren immer mehr an Einfluß. Vor fünfzehn Jahren nüch waren sie

es, die im bürgerlichen Norwegen den Ton angaben. 1965 hatten die drei Mitteparteien — die liberale Venstre, das bäuerliche Zentrum und die Christliche Volkspartei -gemeinsam 49 von (damals) 150 Mandaten. Die Konservative Hoeyre hatte 31.

Ein interner Streit um die norwegische Volksabstimmung zur EG sprengte die Venstre und re-

duzierte sie zur Bedeutungslosigkeit. Vor vier Jahren mußte das Zentrum zur Kenntnis nehmen, daß der Anteil der Bauern und Fischer unter den Wählern immer geringer wird. Und diesmal kassierte die Christliche Volkspartei, die bisher ihre Stellung gehalten hatte, eine schwere Schlappe.

Jetzt hat die Mitte nur noch 28 von (nunmehr) 155 Sitzen. Die Hoeyre aber ist großgeworden, hat ehemalige Sozialdemokraten

ebenso angesprochen wie Wähler der bürgerlichen Partnerparteien Und die Jugend ganz besonders, und ist nun allein mit 54 Mandaten praktisch doppelt so groß wie die Mitteparteien zusammen.

Der konservative Höhenflug erschwert jetzt die bürgerliche Zu-s^menarbeit. Den geschrumpften Kleinen bleibt gar nichts anderes übrig, als eigene Positionen zumarkieren, um von der Hoeyre nicht gänzlich erdrückt zu werden. Sie sind in einem Dilemma, aus dem es kein Entkommen gibt.

Folgen sie der Hoeyre stillschweigend auf deren Weg, dann werden ihre Wähler wohl früher oder später beim großen Bruder landen. Lehnen sie sich aber allzusehr gegen die konservative Führungsrolle auf und streuen so Sand ins bürgerliche Getriebe, dann verärgern sie ihre Wähler auch.

Denn zahllose Analysen haben bewiesen, daß die Anhänger der Mitteparteien im Zustandekommen einer bürgerlichen Regierung das wichtigste politische Ziel sehen.

So ist Norwegen auf dem Weg, zwei große Parteien zu bekommen - Sozialdemokraten und Konservative -, die beide der Wachstumsideologie huldigen, während alle anderen Kräfte, die dieser Ideologie skeptisch gegenüberstehen — Grüne,_ Religiöse, äußerste Linke —, ihren Einfluß einbüßen.

Entscheidende Änderungen wird der Machtwechsel den Norwegern nicht bringen. Etwas weniger Steuern, etwas weniger Bürokratie stehen im konservativen Versprechenskatalog. Aber der Wohlfahrtsstaat oder der Vorrang für den Erhalt der Vollbeschäftigung stehen in Norwegen jenseits des Parteienstreites.

Keine wesentlichen Änderungen sind auch in der Außenpolitik zu erwarten. Mit jenen Einschränkungen, die zuletzt die Arbeiterpartei nannte, gehört der „atomwaffenfreie Norden" auch ins Programm der Bürgerlichen -wenn er im Rahmen einer breiteren europäischen Abrüstungslösung verankert und im Einverständnis mit den NATO-Partnern ausgehandelt wird.

Wenn man in den nächsten Monaten nicht viel von dieser Idee hören wird, dann nicht, weil in Norwegen die Regierungsfarbe gewechselt wurde, sondern weil man gemerkt hat, daß die Sowjetunion sich derzeit weigert, zu präzisieren, was sie den Skandinaviern als Gegenleistung für die atomwaffenfreie Zone anzubieten gedenkt.

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