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Auf dem Weg zur Barbarei?

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Seit Montag sind sie gleichberechtigt. Gleiche Rechte und gleiche Pflichten gegenüber den Kindern schreibt das neue Familienrecht Vater wie Mutter zu. In der Ehe, in der Familie hat Partnerschaft zu herrschen, dekretiert der Gesetzgeber.

Rechtsklarheit, die Beseitigung überflüssiger Schikanen - wie es etwa die Einholung der väterlichen Zustimmung für den Paß des der geschiedenen Mutter zugesprochenen Kindes bedeutete -, waren notwendig und richtig. So trifft auch das neue Gesetz auf allgemeine Zustimmung.

Trotzdem bleibt - auch angesichts einer allgemein begrüßten Neuregelung - ein Unbehagen zurück. Wieder einmal mußte der Gesetzgeber zurechtrücken, was jedem einzelnen von uns aufgetragen wäre. Wo Ehepartner, wo Eltern ihre ihnen von Gott und dem Naturgesetz übertragenen Aufträge aus sich heraus erfüllen, brauchen sie kein staatliches Gesetz, brauchen sie keine rechtliche Regelung ihrer Rechte und Pflichten.

„Nur in der Familie kann der Mensch voll und ganz Mensch sein, und zwar gerade deswegen, weil man ihn dort liebt wie sich selbst“, sagte Kardinal König in seiner Weihnachtspredigt. Und: „Die Familie ist wohl der einzige Ort in der Welt, an dem der einzelne tatsächlich ganz ernst genommen wird, volle Zuwendung erfährt und so geschätzt wird, wie es seiner Würde entspricht.“

Aber: „Keiner ist vollkommen, keiner ist perfekt. Deswegen gibt es auch in jeder irdischen Familie Entzweiungen, Enttäuschungen, Brüche und Risse, Schuld und Zweifel bis an den Rand der Verzweiflung. In solchen Zeiten müssen wir dem andern mehr geben als von ihm erwarten, lieber auf vieles verzichten als die Gemeinschaft aufgeben.“

Gerade das aber ist unmodern geworden. Nicht mehr die Hinwendung zum andern, das Aufgehen in der Gemeinsamkeit ist „in“, sondern die Emanzipation, das eifersüchtige Wachen, in den eigenen Rechten nicht beschnitten zu werden. Nicht mehr Hingabe zählt, sondern der Lustgewinn. Auch wenn er auf Kosten des Partners geht. Dann aber wird der (irdische) Richter unentbehrlich (auch wenn es noch nicht unbedingt der Scheidungsrichter sein muß).

„Die Revolte der Sünde hat den Menschen dazu gebracht, daß er sagt: Ich will nicht dienen, sondern frei sein Es ist klar, daß eine solche Haltung zuinnerst dem Wesen der göttlichen Liebe und der menschlichen Familie fremd ist. Deswegen macht man heute die Familie lächerlich, stellt sie als veraltet hin, schätzt sie gering ein und benachteiligt sie. Man sagt heute dem Menschen: Sei frei, lebe dich aus! Man sagt den jungen Menschen: Es gibt keine menschliche Verbindung auf Dauer. Löse dich, wenn es dich nicht mehr freut. Kämpfe um deine Rechte, auch wenn dabei alles andere zugrunde geht - Derartige Auffassungen sind das direkte Gegenteil von jener Liebe, die sich mit dem andern identifiziert und ihn ganz ernst nimmt. Deswegen erwächst aus solcher Gesinnung die Lieblosigkeit und Gottlosigkeit.“

Sicherlich - wer nicht selbst das Erlebnis der Liebe Christi in der eigenen Familie haben konnte, kann diese Mahnung des Kardinals nur schwer nachempfinden. Wer außerhalb der Familie oder in gestörter Gemeinschaft aufwachsen mußte, ist versucht anzunehmen, daß dies der Normalfall sei, daß diesem Zerrbild der „Familie“ die Ordnung der Gesellschaft angepaßt werden müsse.

Manche Massenmedien helfen diesem „Image“ noch nach. Die Tatsache,daß es im Waldviertel noch Familien mit zehn und 14 Kindern gibt - und Familien, die noch ein echtes Ja zu so vielen Kindern ^agen -, gibt einmal in zehn Jahren das Thema einer Reportage in der Weihnachtsnummer. Die fünfte Frau des gealterten Leinwandhelden kann sicher sein, bei jeder Gelegenheit die Klatschspalten zu füllen. Und im Club 2 bemüht man sich krampfhaft, noch im Ausblenden die Familie als überflüssig hinzustellen.

„Eine Gesellschaft, in der sich die Familie auflöst, verfällt der Barbarei“, meinte der Kardinal. „Ein Staat, in dem die Familie nicht mehr geschätzt und gefördert wird, kann im Lauf der Zeit unmöglich mit den zerstörerischen Kräften fertig werden, die sich in seinem Innern erheben. Er verfällt mit innerer Zwangsläufigkeit dem Chaos oder einer totalitären Form der Gewaltregierung.“ ,

Aber auch wo noch nicht Chaos und Totalitarismus die Folgen verfehlter Politik gegenüber der Familie sind, deuten die Auflösungserscheinungen der Familien auch die Zersetzung der inneren Gesellschaftsstrukturen auf.

Deswegen rief der Kardinal die Christen auf, sich der Bedeutung der Familie neu bewußt zu werden. Es sollte etwas entstehen wie eine Bewegung zur Stärkung und Rettung der echten Familie.

Genau das ist das Ziel des „Jahres der Familie“, das die Katholische Aktion für dieses Jahr proklamiert hat Zuerst müssen die Katholiken selbst Klarheit gewinnen über das für sie geltende Bild der Familie - einer Familie, deren Position in der'Gesellschaft, deren Funktionen, deren Erscheinungsformen sich sicherlich nicht mehr mit der „Bilderbuchfamilie“ von einst übereinstimmen lassen. Erst dann werden sie ihren Einfluß geltend machen können, diesem Bild auch in der Gesellschaft Anerkennung zu verschaffen.

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