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Auf dem Weg zur Einheit?
Gebetswochen für die Einheit der Christen, wie sie jährlich einmal stattfinden, scheinen eine Sehnsucht nach Einheit zu dokumentieren. Aber die Praxis stellt Fragen: Will man diese Einheit überhaupt und wenn ja, wie soll sie aussehen?
Auf dem Gebiet der Ökumene hat sich gerade in den letzten Jahren Erstaunliches ereignet. Es ist noch nicht allzu lange her, daß die Sensation einer Anerkennung der Confessio Augustana, eine der grundlegenden Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche A. B., durch die römisch-katholische Kirche die einen euphorisch, die anderen mißtrauisch werden ließ. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die offizielle römische Kirche in Sachen „Geburtstagsgeschenk“ an die evangelischen Christen (1980 feiern die
evangelischen Kirchen das 450-Jahr-Jubiläum der Confessio Augustana) eher zurückhaltend denkt.
Die Probleme der Ökumene liegen auch auf einer breiteren Ebene. Immerhin ist die Confessio Augustana nur eine der Bekenntnisschriften der evangelischen Kirche, und diese wiederum nur eine neben anderen Konfessionen.
Bisher konnte in der ökumenischen Bewegung noch nicht geklärt werden, wie die Einheit der Kirchen konkret aussehen soll. Weit beängstigender ist allerdings die Erfahrung, daß - nach Ländern verschieden - oft der Wille zur Einheit in Frage steht. Erst im Dezember des vergangenen Jahres haben drei lutherische Bischöfe aus der Tschechoslowakei in der Genfer Zentrale des Lutherischen Weltbundes betont, daß in ihrem Land seit der Herrschaft der Habsburger bis heute kaum nennenswerte Fortschritte im Zusammenleben der Kirchen bestehen.
Sicher eine Ausnahme, aber was darf von der ökumenischen Bewegung tatsächlich erwartet und was kann von ihr verlangt werden? Fortschritte wird es vermutlich erst dann geben, wenn die Ökumene von der institutionalisierten Belanglosigkeit, in die sie oft abzugleiten droht und zum Teil abgeglitten ist, zu einem Anliegen im Denken und Handeln der Christen wird. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen kann hier notwendige Impulse setzen und eine Bewußtseinsänderung fördern.
Wie aber soll nun diese Einheit aussehen? Ist die gegenseitige Anerkennung der Ämter und Amtshandlungen der Kirchen Ausdruck der Gemeinschaft, oder ist die Kirche ohne Konfessionen Ziel der Ökumene? Einheit heißt sicher mehr als nur Dialog zwischen einzelnen Christen, aber es heißt auch weniger als Einheitlichkeit. Die unterschiedliehe Weise, wie Gottes Wort gelebt und geglaubt wird oder wie sich die Kirchen organisatorisch darstellen, sollte nicht davon abhalten, sich gegenseitig als Brüder und Schwestern anzuerkennen.
Diese gegenseitige Anerkennung ist keineswegs eine Nivellierung dogmatischer Glaubenssätze und erkannter Wahrheiten, aber aus dem eigenen Bekenntnis darf nicht die Verdammung des anderen folgen. Bei Wahrung der
eigenen Identität sollte es jeder Kirche und jedem Christen möglich sein, die anderen Konfessionen auf ihr Verhältnis zu Christus hin zu beurteilen. Jeder ist auf seine Weise Christ, aber nicht ein „unvollkommener Katholik“ oder ein „unvollkommener Protestant“. Bei Beibehaltung der Konfessionen und der eigenen Bekenntnisse muß eine gegenseitige „Verketzerung“ unterbleiben. Eine Anerkennung der Confessio Augustana als christliches Bekenntnis könnte in diesem Punkt wesentliche Fortschritte bringen.
Eine grundlegende Forderung, die an die ökumenische Bewe-. gung gestellt werden muß, ist, alles zu unternehmen, diesen Prozeß voranzutreiben und weiterzuführen.
Die gegenseitige Anerkennung und Ernstnahme des Selbstverständnisses der anderen Konfession bedeutet aber auch, daß es über gelegentliche Zusammenarbeit in einzelnen Arbeitszweigen und über ein bedingtes Gastrecht hinaus schließlich zu einer verbindlichen Gemeinschaft der Kirchen, dem Zusammenkommen zu Gebet, Beratung und Zeugnis kommen muß.
Nur wenn diese Offenheit gegenüber anderen Konfessionen besteht, kann die Sehnsucht nach der Einheit glaubwürdig demonstriert und die so verstandene Einheit früher oder später erreicht werden.
(Der Autor ist Redakteur im Evangelischen Preßverband.)
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