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Auf den Spuren der flandrischen Bürger
In dem schon früh verstädterten Flandern entwickelten die Bürger eine hochstehende Kultur. Führende Künstler der Zeit wie Brueghel, Rubens, Jordaens arbeiteten in deren Auftrag, kostbare Möbel, Wandteppiche, Juwelen entstanden.
In dem schon früh verstädterten Flandern entwickelten die Bürger eine hochstehende Kultur. Führende Künstler der Zeit wie Brueghel, Rubens, Jordaens arbeiteten in deren Auftrag, kostbare Möbel, Wandteppiche, Juwelen entstanden.
Vor dreißig Jahren hat sich das Niederösterreichische Landesmuseum mit einer Schau in Brüssel vorgestellt, jetzt sind die Belgier im niederösterreichischen Ausstellungszentrum auf der Schallaburg zu Gast. Sie zeigen 360 Objekte aus dem Besitz eigener Museen und solcher aus Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien und der CSFR zum Thema „Stadtbilder in Flandern. Spuren bürgerlicher Kultur 1477 bis 1787". Die beiden Begrenzungsdaten beziehen sich auf zwei gravierende Ereignisse flandrischer Geschichte: 1477 heiratete Maria von Burgund Maximilian I. von Österreich - es beg*ann die Herrschaft der Habsburger im damals schon stark urbanisierten nördlichen Teil des heutigen Belgien; 1787 reformierte Joseph II. die Verwaltung des Landes.
Dazwischen liegt die spanische Periode mit der zentralen Figur des 1500 in Gent geborenen Kaisers Karl V., des Enkels der früh verstorbenen Maria von Burgund. Diese Ära wurde geprägt durch die Aufstände gegen die absolutistische Regentschaft der Nachfolger Karls V. und führte zur Trennung in die nördlichen Niederlande (Holland) und die südlichen Niederlande (Flandern).
Im 18. Jahrhundert stand Flandern abermals unter der Herrschaft der österreichischen Habsburger, dann unter jener der Franzosen. Nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo (1815) strebten die Großmächte neuerdings eine Vereinigung der nördlichen und südlichen Niederlande an, doch die Kluft zwischen beiden Regionen war bereits zu groß geworden. So kam nach dem Aufstand von 1830 Flandern zum neuen Königreich Belgien. In dieser Zeit sprach das gehobene Bürgertum französisch. Bei der letzten Volkszählung gaben vier von zehn Millionen Belgiern französisch als Muttersprache an, die Mehrzahl - und die stellen die Flamen -niederländisch.
Spuren bis in die Gegenwart
Träger der Kultur war seit dem Mittelalter mehr noch als Fürstenhöfe und Abteien das Bürgertum. In dessen Auftrag arbeiteten Künstler wie Jan Breughel, Pieter Paul Rubens, Jacob Jordaens und Cornelius De Vos. Und wohlhabende Bürger waren es, die sich aus Repräsentationsgründen auch mit kostbaren Möbeln, Wandteppichen, Büchern und Juwelen umgaben. Als Händler und Beamte tätig, hinterließen sie bis in die Gegenwart ihre Spuren. Über die niedrigen sozialen Schichten wissen wir hingegen wenig. Denn wenn Maler wie Breughel oder David Tenier Bauern abbildeten, geschah das aus der Sicht der Oberschicht.
Auf der durch Architekt Gerhard Lindner maßvoll inszenierten Ausstellung tritt uns das öffentliche und familiäre Leben nicht nur in den großen Städten Brügge, Gent und Antwerpen, sondern auch in den kleinen Städten entgegen. Frei in den Raum herabhängende Textfahnen erläutern die Objekte und erklären beispielsweise die Rechtssprechung, die in Gestalt von Folterwerkzeugen und Gesetzbüchern dargestellt wird. Die zwischenmenschliche Kommunikation dokumentieren Druckerpresse, Druckermaterial und Druckerzeugnisse, Anstandsbüchlein und Gemälde von Schützenvereinigungen sowie Bruderschaften. Werke der Frömmigkeit, Altäre, Krippen und Devotionsskulpturen, Wandteppiche, Schmuck, Kleidung, Gerätschaften, Möbel, Gläser, Krüge, Kerzenleuchter, Teedosen und Schokolädekannen lassen den sich verändernden Geschmack der Bürger im Laufe der Jahrhunderte erkennen. Darüber hinaus sagen sie aus, wie die Städter sich selbst sahen und sehen wollten.
Erzählende Wand
In zwei Räumen wurde der Versuch unternommen, moderne Kunst in die Ausstellungsgestaltung einzu-beziehen, indem der Maler Kurt Welther Familienporträts des 17. Jahrhunderts vor Wände stellte, die mit Kleiderstoffen der Ära drapiert sind. Im Eingangsraum setzte er die Architektur der neuen Türen zu einer fast ägyptisch anmutenden erzählenden Wand fort.
Die Ausstellung ist noch bis 27. Oktober geöffnet, an Sonntagen finden um 14 Uhr und um 15.30 Uhr im großen Turnierhof Ritterspiele statt (bei Schlechtwetter im Festsaal). Ausführende sind die slowakische Fechtgruppe „Ludus antiquius Gla-diatorus" und die Musikgruppe „Ti-bia" Sie spielen auf Instrumenten der Renaissance alte Lieder und stellen in historischen Kostümen beziehungsweise Rüstungen Kampfszenen aus dem Dreißigjährigen Krieg dar.
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