6914421-1981_20_13.jpg
Digital In Arbeit

Auf den Spuren der Ladiner

Werbung
Werbung
Werbung

Seit drei Jahren nimmt der Südtiroler Prähistoriker und Archäologe Hans Nothdurfter in Säben bei Brixen (Südtirol) Grabungen vor, um den frühchristlichen Bischofssitz, der seit dem 6. Jahrhundert aus geschichtlichen Quellen bekannt ist, freizulegen und einen st ratifizierten (nach Schichtenfolgen geordneten) Befund zu erstellen. Das gesamte Forschungsprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Bonn) mit Unterstützung der deutschen Archäologen G. Nossack (München) und G. Ulbert und V. Bierbrauer (Bonn) getragen.

Säben gehörte in frühchristlicher Zeit zum Patriarchat Aquileja, was durch die Namensliste von 15 Bischöfen mit romanischen Namen belegt ist und durch die Tatsache erhärtet wird, daß Bischof Ingenuin von Brixen/Sä- ben an der Synode von Aquileja teilgenommen hat. Weiters ist der Umstand, daß die Schutzpatrone von Albeins, einem Weiler unweit von Klausen, Hermagoras und Fortunatus sind, ebendieselben Heiligen, welche Aquileja zu seinen Schutzpatronen hatte, ein klarer Hinweis für diese historischen Zusammenhänge.

Der ehemalige Bischofssitz besteht heute aus einer ausgedehnten Gebäudegruppe (Liebfrauenkirche, Marienka- pelle, Klosterkirche, Heiligenkreuzkirche und Ringmauer), welcher durch seine natürliche Lage malerisch und wuchtig-wehrhaft zugleich wirkt.

Die Erforschung Säbens hat erst spät eingesetzt. 1929 ließ Prälat Adrian Egger erstmals Teile einer frühchristli chen Kirche freilegen, worüber der Wiener Archäologe Rudolf Egger einen grundlegenden Aufsatz geschrieben hat. Osmund Menghin (Innsbruck) hat sich intensiv mit der Siedlungsgeschichte Säbens befaßt und diese Stätte als letzte Zufluchtsstation der Bischöfe von Rätien (Augsburg) festgehalten.

In der Forschungsgeschichte Säbens herrschen große Lücken, weshalb dieses Objekt für die wissenschaftliche Untersuchung sehr dankbar und sehr ergiebig ist. Bekanntlich ist diese Stätte erst in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts germanisiert worden; bis dahin lebte in und um Säben eine autochthone romanisierte Bevölkerung mit römischen Verwaltungsstrukturen, deren Nachkommen wahrscheinlich die heutigen Ladiner Grödens sind. Daß die Liebfrauenkirche in Säben heute noch der Hauptwallfahrtsort der Grödner išt, scheint mehr als eine verkehrsgeographische Dimension zu haben.

Wenn einmal das Grabungsprojekt, das seit nunmehr drei Jahren im Gange ist, abgeschlossen sein wird, wird es möglich sein, viele wertvolle Aufschlüsse über die Siedlungs- und Kulturgeschichte dieses Gebietes und auch anderer Gebiete zu erhalten.

Bereits 1976 hat Karl Kromer (Innsbruck) zusammen mit Hans Nothdurfter ein Gräberfeld auf halber Berghöhe freigelegt, das keinem germanischen Gräbermodell zugeordnet werden konnte. Auf diesen Grabungsergebnissen fußt die jetzige Arbeit Hans Noth- durfters, der inzwischen die Topographie des ganzen Gebäudekomplexes geklärt hat.

Hauptziel seiner archäologischen Grabungen ist der Versuch, Licht in die ethnischen Kontinuitätsprobleme von der Antike herauf zu werfen. Zumal Säben der älteste frühchristliche Bischofssitz im Alpenraum ist, der alle Stürme überdauert hat und Modellcharakter besitzt, erscheint es als durchaus möglich, daß auch eines der strittigsten Probleme der Frühgeschichte und der Archäologie gelöst werden kann: GleichzeitigkeitoderzeitlichesNachein- ander der Kirchenfamilien (Friedhofs- kirche-Gemeindekirche-Bischofskir- che-Taufkirche)?

Bisher hat Hans Nothdurfter, der sein Projekt in ungefähr zwei Jahren abschließen wird, eine erste spätrömisch-frühmittelalterliche Kirche (zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts bis erste Hälfte des 5. Jahrhunderts) mit ei- . nem Taufraum ausgegraben. Zu dieser Kirche gehörte eine Siedlung aus derselben Zeit auf halber Höhe des Berges. Eine weitere Kirche ist in den Weinbergen - ebenfalls auf halber Berghöhe - lokalisiert worden: diese soll demnächst freigelegt werden.

Später sollen noch die Grabungsarbeiten in der Heiligenkreuzkirche abgeschlossen werden; bisher hat man dort auf dem hoch anstehenden Felsen die Bischofskirche aus karolingischer Zeit gefunden und die Baugeschichte der bestehenden Kreuzkirche von den Anfängen an geklärt.

Es wird nicht ausgeschlossen, daß sich auf Säben weitere Kirchen- und Zivilbauten befinden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung