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Auf der Suche nach Wahrheit

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Mit der Trilogie „Wie eine Träne im Ozean" erinnerte das Fernsehen an einen Autor, der es verdient, nicht vergessen zu werden: Manes Sperber (1905-1984). Er war ein Jude aus Galizien, der seinen Glauben bald verlor, der sich aber immer zum Judentum bekannte, und dies so lange tun wollte, „solange ein Jude diskreditiert wird".

Der frühere Kommunist Manes Sperber wandte sich schon 1937 von dieser Ideologie ab, und er verabscheute die Teufel der weltlichen Heilslehren mehr als die Teufel der Religionen.

Er, der Atheist, wandte sich gegen alle diese „Gott-ist-tot-Geschichten": „Wir denken die Unendlichkeit und können sie nicht denken. Wie werden wir mit dem Tod fertig, an den wir nicht glauben können und den es geben wird? In den Legenden und Mythen suchen wir die Götter, um unsere Seele zu pflegen."

Manes Sperber hat sich, nach eigenen Worten, nie in der Wahl seiner Gegner geirrt, „aber oft in dem, wofür ich mich eingesetzt habe". Er hat sich für das Wissen entschieden und gegen das „Meinen", gegen die „praktikable Ignoranz der Ideologien", gegen die scheinbare Gewißheit und für das Suchen, wohl wissend, daß „das Bedürfnis nach Gewißheit größer ist als das Bedürfnis nach Glück". .

Auf den Trümmern zerschlagener Gewißheiten hat er versucht, weiter nach der Wahrheit zu suchen, beherrscht vom Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit. Unverdrossen kämpfte er für eine Ära der neuen Aufklärung, die den Menschen näher zum „Ausgang aus dem Kindergarten der Weltgeschichte" bringen sollte.

Manes Sperber, ein Schüler des Individualpsychologen Alfred Adler, hat sich immer wieder mit Fragen der Gewalt, dem Phänomen der Angst, mit Macht und mit dem Haß auseinandergesetzt.

In der Essaysammlung „Die Achillesferse" heißt es zum Beispiel „Über den Haß", man könne versuchen, dem Haß als individuelle Erscheinung durch heilende Erziehung beizukommen: „Um ihn aber als gesellschaftliches Phänomen bekämpfen zu können, muß jeder religiöse, soziale oder nationale Betrug aufgedeckt und bekämpft werden, jener Betrug, der immer dann sein Unwesen treibt, wenn eine Epoche zögert, sich mit den wahrhaftigen Problemen auseinanderzusetzen."

Als ich ihn 1975 interviewte, gab ich Sperber sein Buch „Zur Analyse der Tyrannis" zum Signieren. Das war für ihn Grund zu einer kleinen Erinnerung: „Schauen Sie", sagte er lächelnd, „dieses Buch wurde zuerst von den Nationalsozialisten verbrannt und dann von den Kommunisten. Jetzt ist es da. Und ich lebe. Soll man da kein Optimist sein?" Und es folgte der Nachsatz: „Das ist der sogenannte post-apokalypti-sche Optimismus."

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