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Auf die Gewinne zugreifen

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(FC) Gemessen an der Situation im Ausland, ist die organisierte Kriminalität in Österreich derzeit kein existenzbedrohendes Problem. Die Hoffnung, daß die Lage schon durch einige Korrekturen der vorhandenen Gesetze und eine bessere Abstimmung der beteiligten Ressorts zu bewältigen sei, ist jedoch trügerisch. International nimmt das organisierte Verbrechen unstreitig bedrohlich zu.

Die der organisierten Kriminalität innewohnende Tendenz zur Ausbreitung über die Landesgrenzen läßt im Hinblick auf die bei unseren östlichen Nachbarn schon eingetretenen Veränderungen und die sich abzeichnende gesamteuropäische Entwicklung für die absehbare Zukunft einen Anstieg der organisierten Kriminalität auch im Inland erwarten.

Hat die organisierte Kriminalität erst einmal richtig Fuß gefaßt, dann bedeutet dies tiefgreifende Veränderungen in allen Lebensbereichen. Besonders bemerkenswert ist, daß dann für weite Teile der Bevölkerung jene individuellen Freiheitsrechte verlorengegangen sind, die zuvor gegen vergleichsweise geringfügige staatliche Beeinträchtigungen vehement verteidigt wurden.

• Die aus erweiterten Anhalterechten der Exekutive eventuell vorübergehend entstehenden Freiheitsbeschränkungen anständiger Leute sind trivial im Vergleich zu den Freiheitsverlusten, die der Verzicht auf abendliche Spaziergänge in den städtischen Fußgängerzonen und die das Leben in bewachten Wohnfestungen auf Dauer mit sich bringen.

Im Bereich des Datenschutzes ist es ein schwacher Trost, vor der Erfassung in behördlichen Informationssystemen sicher zu sein, wenn man gleichzeitig aufgrund seiner gesellschaftlichen Stellung damit rechnen muß, daß organisierte Kriminelle umfassende Informationen über Vermögen und Lebensgewohnheiten zur Vorbereitung einer erpresserischen Entführung sammeln. Dann ertönt der Ruf nach wirkungsvollem staatlichen Schutz verspätet, aber umso lauter. Ob er dann noch gewährt werden kann, bleibt zweifelhaft.

Internationale Erfahrungen zeigen, daß organisierte Kriminalität die gesamte Gesellschaft in Mitleidenschaft ziehen kann. Soll eine solche Entwicklung bei uns verhindert werden, dann reichen die derzeit vorhandenen staatlichen Mittel nicht aus. Daher ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, die entsprechenden Möglichkeiten zu schaffen. Sie liegen ganz allgemein einerseits im Vorfeld der eigentlichen Verbrechensbegehung, andererseits im Zugriff auf die Gewinne der organisierten Kriminalität.

Zu ihrer Verwirklichung muß sich die Gesellschaft rechtzeitig der Entscheidung stellen, ob ihr emstzunehmende Maßnahmen gegen organisierte Kriminalität eine in der funktionierenden Demokratie kontrollierbare Einbuße an privaten Freiräumen gegenüber staatlichem Informationsbedürfnis und faktischen Eingriffen wert ist. Die derzeit vergleichsweise günstige Kriminalitätssituation im Inland gibt uns den unschätzbaren Vorteil, diese Entscheidung in Ruhe vorzubereiten. Es ist ungleich leichter, der organisierten Kriminalität den Eintritt in das Land zu erschweren als schon verfestigte kriminelle Strukturen wieder einzudämmen, wenn noch dazu die Staatsmacht vielleicht schon korrumpiert oder eingeschüchtert ist. Univ. Prof. Franz Csäsär lehrt am Institut für Sirafrecht und Kriminologie in Wien. Sein Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Vortrags vorder Jahreshauptversammlung 1990des Vereins der Freunde und Förderer der Wiener Polizei.

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