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„... auf einem heißen Ofen“

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Die Situation im südlichen Afrika hat sich verschärft, nachdem vor kurzem südafrikanische Truppen von Namibia aus in Angola einfielen. Hunderte von Angolanern und SWAPO-Kämpfern töteten und deren Basen zerstörten. Im Kreislauf des Terrors und ^ Gegenterrors schlittert Namibia immer mehr in einen Bürgerkrieg. Wicsolles weitergehen? ÖVP-Pressesprecher Herbert Vytiska hielt sich zu einer mehrwöchigen Informationsreise in Namibia und Südafrika auf. Hier seine Bestandsaufnahme:

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Die Situation im südlichen Afrika hat sich verschärft, nachdem vor kurzem südafrikanische Truppen von Namibia aus in Angola einfielen. Hunderte von Angolanern und SWAPO-Kämpfern töteten und deren Basen zerstörten. Im Kreislauf des Terrors und ^ Gegenterrors schlittert Namibia immer mehr in einen Bürgerkrieg. Wicsolles weitergehen? ÖVP-Pressesprecher Herbert Vytiska hielt sich zu einer mehrwöchigen Informationsreise in Namibia und Südafrika auf. Hier seine Bestandsaufnahme:

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Für einige politische Beobachter war die „offizielle" Militäraktion süd-und südwestafrikanischer Truppen im Süden Angolas eigentlich keine Sensation. Denn unter vorgehaltener Hand wurde schon lange erzählt, daß das Militärkommando in Windhoek die Taktik seiner Truppen im Buschkrieg an der Nordgrenze, im sogenannten Owambo-Land, seit einem halben Jahr grundlegend geändert hat.

Warteten früher die süd- und südwestafrikanischen Truppen im heimatlichen Busch, bis sie von Guerilla-Kämpfern der Südwestafrikanischen Volksorganisation (SWAPO) angegriffen wurden, so ist man seit einiger Zeit dazu übergegangen, die Nester dieser Guerilla-Truppen aufzuspüren und zu bekämpfen. Eine Taktik, die offensichtlich den Militäraktionen der Israelis abgeschaut ist, mit denen es auch auf militärischer Ebene gute Kontakte gibt.

Im Flugzeug von Kapstadt nach Windhoek findet man nicht nur Geschäftsreisende und Urlauber, sondern auch überraschend viele junge Soldaten in Uniform. Sie fliegen vom Heimaturiaub an die Front. Jeder junge Südafrikaner muß zwei Jahre Präsenzdienst absolvieren. Und ein Vierteljahr muß er im Buschkrieg dienen.

Ein Informationsoffizier im Generalstabsquartier in Windhoek meint kühl berechnend: „Im Regelfall hat der Soldat keine Berührung mit dem Feind. Hat er einen Augenkontakt, dann endet er für einen der beiden letal."

Auf der einen Seite stehen die weißen süd- und südwestafrikanischen Soldaten, unter die sich auch bereiu einige schwarzfarbige Soldaten gemischt haben. Auf der anderen Seite stehen schwarze Buschkämpfer, Leute der SWAPO, beraten von Ostdeutschen, Kubanern und Sowjetrussen, die man zwar nicht an der „Front", aber zu Massen im Hinterland Angolas findet.

Der Buschkrieg wird mit aller Härte und allem Einsatz geführt. Während in Rhodesien auf einen gefallenen Regierungssoldaten elf gefallene Guerillakämpfer gekommen sind, ist es hier ein Verhältnis von eins zu fünfundzwanzig. Was denn auch einen Journalisten des südwestafrikanischen Rundfunks zur Bemerkung veranlaßt: „Unsere Militärs gewinnen die Auseinandersetzung. Aber die Politiker...?'* ,v. '..(j',. .

Der Kampf an der politischen Front dauert schon Jahre. Es geht um die Unabhängigwerdung Namibias - wie Südwestafrika jetzt offiziell heißt - von Südafrika. Wobei die Sicht der Situation nicht so ist, wie sie erst vor kurzem in einem Beitrag im ORF-Nachtjournal dargestellt wurde: Demnach wollten in dem Drei-Millionen-Land die Südafrikaner verhindern, daß die sozialistische Swapo an die Regierung kommt.

Dieser Text enthält mehrere Fehler auf einmal und ist irgendwie symptomatisch für die gelegentlich einseitige Sicht: Erstens leben in Namibia nicht drei, sondern nicht einmal eine Million Menschen. Davon sind etwa 100.000 Weiße und 850.000 Schwarze, die sich wiederum aus neun verschiedenen, zueinander recht kritisch stehenden Hauptstämmen zusammensetzen.

Zweitens geht es nicht um die Verhinderung einer sozialistischen Regierung: Die SWAPO ist eine mehrheitlich kommunistisch dominierte Bewegung.

Dem steht sicher entgegen, daß Namibia noch immer eher den Eindruck eines südafrikanischen Protektorats denn eines unabhängigen Staates macht. Es gibt zwar eine Regierung mit zwölf Regierungsmitgliedern (zehn Schwarzen und zwei Weißen), aber an den entscheidenden Stellen in der Verwaltung sitzen südafrikanische Beauftragte und Beamte.

Was ein Journalist offen kommentiert: „Die Reformen gehen nicht so weit, wie das notwendig wäre. Die Abhängigkeit von Südafrika ist zu groß."

Vom 4. bis 8. Dezember 1978 hat es in Namibia die ersten allgemein zugänglichen Wahlen gegeben. Wahlen, die aber dann letztlich von den Vereinten Nationen nicht akzeptiert wurden, weil die Südafrikaner eine Reihe von Bedingungen letztlich nicht ekzep-tiert haben.

326.000 der 412.000 registrierten Wähler gingen zur Urne, erteilten dem Extremismus eine Absage und gaben ein eindeutiges Votum für einen friedlichen Weg ab. Allein 268.000 Stimmen erhielt die „Turnhallenallianz" (DTA). der lose Zusammenschluß einer ganzen Gruppe von Parteien.

Trotzdem: Neue Wahlen, unter der Aufsicht der UN und der Teilnahme der SWAPO,. sind unumgänglich. Die Taktik der Südafrikaner, auch in den Gesprächen mit fünf westlichen Regierungen ist es, den Zeitpunkt hinauszuschieben. Nicht auf den St.-Nimmerieins-Tag: Pretoria will der sogenannten „Turnhallenallianz" eine Chance geben.

Außerhalb des südlichen Afrikas könnte man gelegentlich meinen, daß es eigentlich nur die schwarze SWAPO und die weiße Minderheit gibt. Tatsächlich haben sich im November 1977 in einer Turnhalle in der 78.000-Seelen-Stadt Windhoek mehrere politische Gruppierungen der schwarzen, der farbigen und der weißen Bevölkerung, die gemeinsam an einer demokratischen Entwicklung interessiert sind, zusammengetan. Man einigte sich auf ein Programm und stellt heute auch die Regierung.

Diese DTA hat es allerdings verabsäumt, sich auch rechtzeitig international zu präsentieren.

Die SWAPO, 1962 zunächst aus einer schwarzen Minenarbeiterbewegung entstanden, hat heute zwei Flügel. Einen, der kommunistisch dominiert ist, der von Angola aus operiert, irti Owambo-Land in Namibia unter der Bevölkerung auch einen starken Rückhalt hat, in dem es aber auch einige sozialistische Politiker afrikanischen Typs gibt. Diese haben allerdings nicht das Sagen.

Dann gibt es noch einen, allgemein als sehr schwach eingeschätzten SWA-PO-D-Flügel. Dieser ist eine Art Dissidentenbewegung, rekrutiert er sich doch an der Spitze aus Leuten, die von der aus Angola operierenden SWAPO nach Namibia übergelaufen sind.

Welche zukünftige Entwicklung Namibia nehmen wird, ist sicherlich schwer abzuschätzen. Tatsache ist, daß zunehmend strategische und wirtschaftliche Fragen eine Rolle spielen. Namibia ist ein Land mit enormen Bodenschätzen und daher gerade für die freie westliche Welt als Rohstofflieferant sehr bedeutend.

Tatsache ist, daß Namibia geradezu eine Vorbildfunktion für Südafrika haben könnte. Gelingt nämlich hier der Übergang von einem einstmals weißen Minoritätsregime zu einem demokratischen Zusammenleben von Schwarzen und Weißen, so kann dies sehr wohl auch die Entwicklung in Südafrika beeinflussen.

Aus einer Randbemerkung wird die problematische Politik des Westens gegenüber Entwicklungsländern ersichtlich: Man hat zwar Geld und Waren, nicht aber politisches Know-how exportiert. Und dieser Umstand trägt sicher mit die Schuld an mancher verzwicktei^ politischen Situation.

In einem Gespräch mit dem Arbeitssekretär der SWAPO-D klagte dieser, daß er zwar massenhaft Einladungen zu Gewerkschaftskursen nach Ostberiin, Prag und Budapest, bisher aber keine einzige von einer westlichen Gewerkschaftsorganisation erhalten habe. Man darf sich über den ideologischen Einfluß des kommunistischen Ostens etwa in Afrika wahrhaft nicht wundern...

Die Unsicherheit, in der sich Namibia derzeit befindet, zeigt sich gerade im Bereich der Investitionen. Eines der großen Probleme Südwestafrikas ist, daß es zwar enorm viele Rohstoffe hat und zu Tage fördert, daß aber die Verarbeitung dieser Rohstoffe mangels einer entsprechenden Industrie außer Landes geschieht.

Für die Zukunft bedarf es daher des Aufbaus einer eigenen weiterverarbeitenden Industrie und des Geldes ausländischer Investoren. Diese allerdings scheuen sich derzeit, in Namibia groß einzusteigen, weil niemand so recht weiß, wie es dort wirklich weitergeht und in einigen Jahren politisch aussehen wird.

Die ganze wackelige Situation widerspiegelt sich im Ausspruch eines 70jährigen Vorstandsmitglieds der Interessengemeinschaft deutscher Südwester: „Wir sitzen mit dem Hintern auf einem heißen Ofen, nur wissen wir es noch nicht..."

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