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Auf Kosten der Frau

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Generalisieren läßt sich folgendes: Fast alle Frauen unterstreichen geschlechtsspezifische Unterschiede. Die Sexualität der Männer wird als eine andere, oft genug als eine fremde wahrgenommen. Sie erscheint vielen Mädchen und Frauen als abgespaltene Triebbefriedigung.

Den Männern geht es nach Meinung vieler Frauen nur ums Äußere und um den raschen Lustgewinn. An dieser Reduktion machen Frauen ihre Kritik fest: Kritik an Männern, die in Frauen vornehmlich Sexualobjekte sehen.

Männer werden vielfach nur als Konsumenten erlebt: Sie geben zu wenig, sie nehmen sich. Was im 20. Jahrhundert, vor allem seit den sechziger Jahren, in unserer Gesellschaft an Freiheit im Umgang mit Sexualität und sexuellen Beziehungen gewonnen wurde, ist in den Augen vieler Frauen vornehmlich den Männern zugute gekommen.

Die Liberalisierung sozialer Normen setzte männliche Sexualität frei, ohne damit schon freiere oder glücklichere Verhältnisse zwischen Männern und Frauen zu schaffen.

Kritik äußern Frauen nicht nur am Verhalten von Männern in kürzeren Liebesbeziehungen. Sie richtet sich vielfach auch gegen die ehelichen Beziehungsmuster.

Wesentlich erscheint auch die Tatsache, daß jun ge Frauen oft nicht in der Lage sind, auf die Sexualität, die sich in eingegangenen Partnerbeziehungen entwickelt bzw. „ergibt”, aktiv Einfluß zu nehmen.

Junge Frauen setzen dem weniger ihre eigenen Vorstellungen, sondern das Recht auf Verweigerung .entgegen. Weibliche Sexualität bleibt als positiver Erfahrungsbereich solcherart oft unentdeckt oder auf passive Erwartungen beschränkt.

In vielen Ehen bzw. in längeren, eheähnlichen Beziehungen bleiben sexuelle und erotische Bedürfnisse unartikuliert und uneingelöst. Der Geschlechtsverkehr wird als Erfüllung „ehelicher Pflichten” erlebt, bisweilen auch als Zumutung.

Herkunftsbedingungen und verinnerlichte Ge- schlechter-Images sind für die eigene Erlebnis- und Genußfähigkeit zwar von entscheidender Bedeutung. Aber sie legen diese nicht schicksalshaft fest. Vor allem dann nicht, wenn Tabus innerhalb einer Gesellschaft durchbrochen werden, wenn sich Normen und Wertvorstellungen offensichtlich verändern. Im Bereich der Sexualität ist beides geschehen: Sexuelles Glück gilt heute als legitim, sexuelle Aufklärung als Erziehungsziel.

Für den einzelnen bedeuten diese gesamtgesellschaftlichen Veränderungen eine Chance zur Emanzipation. Männer haben davon mehr und schneller profitiert. Aber auch ein Teil der heute dreißig- bis fünfzigjährigen Frauen hat diese Chance genützt. Vielfach veränderte sich mit der Sexualität auch der Bezug zum eigenen Körper. Zugleich spielt bei vielen Frauen die Loslösung von verinnerlichten Leitbildern und Moralvorstellungen eine Rolle: Die Lust emanzipiert sich vom Schuldgefühl.

Solche Emanzipationsschritte erweitern den Handlungsspielraum. Sexuelle Freiheiten mögen hier für die eigene Entwicklung von Bedeutung sein. Die meisten Frauen insistieren jedoch zugleich auf ihrem Bedürfnis nach Sicherheit, nach Vertrautheit, nach Intimität. In vielen sexuellen Beziehungen lassen sich diese Bedürfnisse nicht verwirklichen.

Gerade das, was viele Frauen in ihrem Lebenszusammenhang vermissen: Zärtlichkeit und emotionale Kontinuität, kommt in „lockeren” Beziehungen zu Männern oft zu kurz. Viele Frauen machen die emotionale’Qualität, die sich in Zärtlichkeit ausdrückt, zum Angelpunkt ihrer Beziehungen zu Männern.

Auszug aus der Zusammenfassung des Arbeitspapiers „Sexualität in Beziehungen”, das auf Interviews mit Frauen aufbaut.

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