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Auf kurzem Weg zur ASVG-Pension

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Wer durch ein „Versichern vor Torschluß" in bereits reiferen Jahren seine Pensionsansprüche sichern will, wird es nach der Pensionsreform in den meisten Fällen schwerer haben.

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Wer durch ein „Versichern vor Torschluß" in bereits reiferen Jahren seine Pensionsansprüche sichern will, wird es nach der Pensionsreform in den meisten Fällen schwerer haben.

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Es ist eine bekannte Tatsache, daß alles, was mit Geld verbunden ist, Gefahr läuft, zum Gegenstand von Spekulationen und auch von Mißbrauch zu werden. Das gilt natürlich auch für den Pensionsanspruch. Die Frage „Wie komme ich mit möglichst wenig Arbeitsaufwand zu einer möglichst hohen Pension?" hat zumindest insgeheim sicher schon viele beschäftigt. Und vor allem Menschen, die bereits ein reiferes Alter erreicht, aber noch kaum Versicherungszeiten aufzuweisen haben, überlegen naturgemäß, ob es sich bei ihnen für einen Pensionsanspruch „noch ausgeht".

Bisher war es geschickt agierenden Leuten durchaus möglich, mit in wenigen Arbeitsjahren geleisteten Beitragszahlungen zu einer dazu in keinem Verhältnis stehenden Pension zu kommen. Klassisches Beispiel: der Bundesbahnpensionist, der sich in wenigen Jahren in einem anderen Beruf noch eine zweite Pension erwirtschaftete. Eines steht fest: ein solches „Versichern vor Torschluß" wird durch die Pensionsreform zwar nicht unmöglich, aber schwieriger gemacht.

Zunächst gilt es zu unterscheiden zwischen der Alterspension, die dem Versicherten — unter bestimmten Voraussetzungen — nach Erreichen eines bestimmten Alters zusteht, und jener Pension, die beim Eintritt einer Berufsunfähigkeit dem Versicherten (BU-Pension) oder beim Eintritt des Todes den Hinterbliebenen (Ii-Pension) ausbezahlt wird. Die Alterspension, für die immerhin 15 Versicherungsjähre (und diese nicht irgendwann, sondern in einem bestimmten Zeitrahmen)

Voraussetzung sind, eignet sich dabei ungleich weniger für Spekulationen als die BU- bzw. H-Pension, für die weniger Versicherungsjahre Bedingung sind.

Bisher genügten fünf anrechenbare Versicherungs jähre, um einen Anspruch auf eine BU-Pensi-on zu begründen; nur in jenen ganz seltenen Fällen, wo der allererste Versicherungsmonat erst nach dem 50. Lebensjahr erworben wurde, galt — eben um Spekulationen vorzubeugen — eine Wartezeit (wie das Mindestmaß an anrechenbaren Jahren bezeichnet wird) von acht Jahren.

Dazu ein,.Beispiel: Frau Urban ist mit 47 Jahren ein Arbeitsverhältnis eingegangen und kann auf etwas mehr als 60 Versicherungsmonate seither verweisen. Gelingt es ihr nun, Berufsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen nachzuweisen, hat sie nach geltendem Recht Anspruch auf eine BU-Pension, nach dem neuen Pensionsgesetz nicht mehr. Denn ab 1985 beträgt die Wartezeit für eine BU-Pension fünf Jahre plus einen Monat für jeden Lebensmonat über 50 bei der Frau bzw. plus einen Monat für jeden Lebensmonat über 55 beim Mann. Mit anderen Worten: Frau Urban müßte als 53jährige auf mindestens acht anrechenbare Versicherungsjahre verweisen können, um in den Genuß einer BU-Pension zu kommen.

Ein anderes Beispiel: Herr Berger wird mit 57 Jahren berufsunfähig. Er hat insgesamt sieben Versicherungs jähre aufzuweisen, was an sich für einen Pensionsanspruch genügen würde. Nur: Herr Berger hat fünf Jahre zwischen 20 und 25 gearbeitet und dann erst wieder von 55 bis 57. In diesem Fall gilt: Der Beobachtungszeitraum endet immer mit dem Pensionsstichtag und ist doppelt so lange wie die Wartezeit. Auf deutsch: Die für Herrn Berger erforderliche Wartezeit von sieben Jahren ergibt verdoppelt 14 Jahre —jenen Beobachtungszeitraum, in den die für die Wartezeit anrechenbaren Jahre fallen müssen. In dieser Zeit hat Herr Berger aber nur zwei Jahre gearbeitet, die fünf Arbeitsjahre zwischen 20 und 25 werden nicht berücksichtigt, er bekommt keine Pension. Hätte er diese fünf Arbeits jähre zwischen 43 und 48 aufzuweisen gehabt, wäre sein Anspruch begründet.

Wie es nun „Ersatzzeiten" (zum Beispiel Ausbildungszeiten, Wehrdienst, Karenzjahr) gibt, die — obwohl keine Pensionsbeiträge geleistet wurden — bis zu einem gewissen Grad anrechenbar sind, können in solchen Fällen auch sogenannte „neutrale Zeiten" für den Pensionsanspruch hilfreich sein. Als neutrale Zeiten werden bestimmte Jahre oder Monate gewertet, in denen ein Versicherungsverhältnis vorübergehend unterbrochen wurde oder in denen der Versicherte ohne sein Verschulden daran gehindert war, Versicherungszeiten zu erwerben (z. B. Monate des Bezuges einer Alters- oder BU-Pension, des Bezuges von Kranken- oder Arbeitslosengeld). Solche neutrale Zeiten werden gleichsam wie „schwarze Löcher" behandelt, also überhaupt nicht berücksichtigt. (Näheres über neutrale Zeiten in der nächsten Folge der FURCHE-Serie.)

Spekulanten auf eine BU-Pension, die die Minimalbedingungen des alten Rechtes erfüllen, müßten sich nun beeilen, eine etwaige Berufsunfähigkeit nachzuweisen, ehe die neuen, schärferen Bestimmungen in Kraft treten und die Pensionsaussichten zerstören oder in eine weitere Ferne rücken. Denn natürlich können ja jede Frau und jeder Mann weit über das 60. oder 65. Lebensjahr hinaus arbeiten, um einen Pensionsanspruch zu erwerben.

Für die Alterspension gilt nach der Reform: Die Wartezeit beträgt 15 Jahre, diese Versicherungsjahre müssen im Laufe einer Rahmenzeit, nämlich der letzten 30 Jahre, geleistet worden sein. Ist diese Voraussetzung erfüllt, gelten auch alle anderen Versicherungszeiten.

Dazu ein Beispiel: Frau Adler hat von 15 bis 20 fünf Jahre sowie von 50 bis 60 zehn Jahre gearbeitet, insgesamt also 15 Jahre. Da aber davon nur zehn Jahre in den 30-Jahre-Rahmen fallen, hat sie keinen Pensionsanspruch. Ihr Kollege, Herr Steiner, hat hingegen von 20 bis 25 fünf Jahre und dann wieder von 50 bis 65 weitere 15 Jahre gearbeitet. Da letztere in den 30-Jahre-Rahmen fallen, werden auch die weit zurückliegenden fünf Versicherungsjahre, insgesamt also 20 Jahre für die Pensionsberechnung herangezogen.

Mit anderen Worten: Auch die Spekulation auf eine Alterspension muß davon ausgehen, spätestens mit 45 Jahren bei Frauen beziehungsweise mit 50 Jahren bei Männern ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis einzugehen.

Eine Sonderbestimmung eröffnet allerdings einigen, die sowohl nach altem wie auch nach neuem Pensionsrecht auf der Strecke bleiben würden, gute Aussichten. Diese Sonderregelung besagt: Liegen insgesamt 15 Beitragsjahre vor, so ist die Wartezeit für eine Pension erfüllt. Diese Bestimmung wird aber erst 1990 voll wirksam, 1985 fallen zunächst nur jene darunter, die 20 Versicherungsjahre aufweisen können.

Ein Beispiel: Herr Hauser hat von 15 bis 35 gearbeitet und sich dann zurückgezogen. Ihm beschert diese Sonderbestimmung plötzlich eine unerwartete Pension.

Läßt sich auch mit der Höhe der Pension spekulieren? Natürlich -aber auch das wurde erschwert.

Ein Beispiel: Frau Wagner arbeitet im Betrieb ihres Gatten. Es ist ein offenes Geheimnis, daß das Ausmaß der Dienstleistung nicht immer in Einklang steht mit dem angemeldeten Arbeitsverdienst. Oft wird erst in jenen Jahren, die für die Pensionsberechnung herangezogen werden, ein hohes Einkommen angegeben. Das waren bisher fünf Jahre, sind aber ab 1985 sieben, ab 1986 neun und ab 1987 schließlich die letzten zehn Jahre vor der Pensionierung. Sollte Frau Wagner in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen und Wert auf eine höhere Pension legen, könnte sie in Versuchung kommen, ab sofort ein höheres Einkommen anzugeben.

Insgesamt vermindert die Ausweitung auf zehn Beobachtungsjahre sicher die Pensionsansprüche, obwohl einzelne, die gut verdient haben und plötzlich nur mehr eine schlecht bezahlte Arbeit finden, damit unter Umständen besser fahren.

Ein Beispiel, wie man hier noch spekulieren kann: Herr Löffler ist aus einer gut bezahlten Tätigkeit ausgeschieden und braucht noch ein halbes Jahr Versicherungszeit. Er findet aber nur eine sehr schlecht bezahlte Arbeit, deren Annahme die Höhe seiner Pension beeinträchtigen könnte. Da das Kalenderjahr, in dem die Pension anfällt, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage außer Betracht bleibt, sollte Herr Löffler darauf achten, daß diese Beschäftigung nur in dem Kalenderjahr ausgeübt wird, in dem er in Pension geht.

Wieweit solche Dinge noch vertretbar oder bereits Mißbrauch des Sozialstaates sind, das muß jeder einzelne selbst vor seinem Gewissen verantworten.

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