6991675-1986_46_21.jpg
Digital In Arbeit

Auf nach St. Pölten?

Werbung
Werbung
Werbung

Sie selbst sehen sich gerne als Österreichs zweites reines Symphonie-Orchester, und sie haben damit künstlerischen Erfolg, wie auch ihre Japanreise zeigte: die Niederösterreichischen Tonkünstler. Dieses Orchester ohne Chefdirigenten umfaßt zur Zeit etwas hundert Musiker, davon zwanzig Frauen. Das Durchschnittsalter liegt infolge einer guten Mischung von Routiniers und Jugend knapp über dreißig Jahren.

Alle Mitglieder des Orchesters arbeiten ausschließlich—und kollektivvertraglich verpflichtet — in diesem ihrem künstlerischen Beruf. Konzerttätigkeit neben den Orchesterverpflichtungen ist möglich, so sind zum Beispiel das Rasumofsky-Quartett, das Bläserensemble, das Tonkünstler-Kammerorchester (welches unlängst unter der Leitung von Bi-jan Kadhem-Missagh ein Gastspiel in der DDR gab) oder die Solisten Manfred Geyerhalter, Norbert Suchy und Helmut Demmer zu nennen.

Die Tonkünstler setzen große Hoffnungen in den geplanten Aufbau eines niederösterreichischen Landeskonservatoriums. Ihre jungen Mitglieder sind meist ehemalige Absolventen der Musikhochschulen oder des Konservatoriums der Stadt Wien. In letzter Zeit zeigt sich nicht nur bei den Blechbläsern verstärkt das niederösterreichische Begabungspotential: so wurde beispielsweise eine freie Posaunenstelle an einen in Krems und abschließend an der Wiener Musikhochschule ausgebildeten Posaunisten vergeben. Begründete Hoffnung besteht, daß auch die Musikschulen des Landes gemeinsam mit dem geplanten Landeskonservatorium und seinen Zweigstellen eine weitere Aufwertung und Absicherung erfahren. Hier ist eine gewisse Lücke im Nachkriegsaufbau zu schließen.

Das Orchester wird vor allem vom Land Niederösterreich sowie — leider unzulänglich — vom Bund finanziert. Die Einnahmen verbleiben nicht dem Orchester. Mäzene können derzeit im Inland nicht gefunden werden, da die Unterstützungssummen nicht steuerlich begünstigt wären.

Für einregelmäßiges Auftreten in den Wiener Konzertzyklen spricht nicht nur die Tradition, sondern vor allem die international unerreichte Klangqualität der Konzertsäle in Wien. In Niederösterreich finden Gastspiele statt. Auf Einladung von lokalen Kulturämtern, Landesstellen usw. wird in Räumen unterschiedlichster Bühnengröße und Akustik gespielt.

Da es hier keinen Veranstalterring (vergleichbar Salzburg oder der oberösterreichischen LIVA) gibt, ist die Terminkoordination und Orchesterökonomie immer problematisch: Eine Mahler-Symphonie klänge auch in der „Provinz“ bei verkleinerter Besetzung nicht gut; Vergleiche mit Rundfunk und Schallplatte sind jeden Abend möglich. Es besteht also auch ein Nachholbedarf an Spielstätten und an einer Koordinierung der Konzerttermine bei Einzelveranstaltungen. Wenn man die Konzertsäle in St. Pölten und in Wr. Neustadt als landesweit vorbildlich nennt, kann vor allem auch Amstetten als Beispiel eines klanglich gelungenen und perfekt verwalteten neuen Konzertsaales dienen.

Die Einnahmen eines Konzertveranstalters sind meist nicht kostendeckend, daher ist das Orchester verpflichtet, in Niederösterreich selbst gegen geringere Abendhonorare aufzutreten. Hingegen kostet das Orchester bei Auslandsreisen mindestens S 100.000,- pro Abend, die Gagen für Dirigenten und Solisten sowie die Reise- und Aufenthaltskosten sind darin noch nicht enthalten. Eine Ubersee-Tournee in der Dauer von drei Wochen kostete nicht weniger als sieben Millionen Schilling - Summen, die der „importierende“ Veranstalter zu bezahlen hatte. Das Orchester ist somit auch ein hochspezialisierter Wirtschaftsbetrieb für österreichische Musik.

Das entsprechende Management braucht viel Liebe zum Detail und Idealismus (so werden etwa immer wieder schöne neue Werke gefördert). Und die hier musizierenden Menschen vollbringen nach jahrelanger unbezahlter Lehrzeit und täglichem hartem Training Abend für Abend Hochseilakte der Tonkunst.

Nun, nachdem Niederösterreich eine neue Hauptstadt hat, steht eine Ubersiedlung der Tonkünstler nach St Pölten bevor. Wie wird sich die neue Lage auf Programm und Management auswirken? Musiker, aber auch Zuhörer, warten auf die wohlfundierte Antwort.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung