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Auf zur Efrauzipation!

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Es liegt vieles an den Bezeichnungen. Schon um 1900 waren sie in England aktiv. Die Dame Pankhurst ließ sich anketten, um das Frauenwahlrecht zu ertrotzen. Man nannte sie „Frauen­rechtlerinnen“ oder „Suffragetten“. Und beides eignet sich nicht als Schlag­wort. Schon damals gab es „Emanzipa­tion“, die „Emanzipierte“. Wer das er­lebt hat, dem scheinen diese beiden Wörter altmodisch. Die „Emanzi­pierte“ (Victor Margueritte machte sie zur Heldin eines Romans „La gar- conne“), das ist: Bubikopf und Zigaret­tenspitze.

Außerdem klingt „Emanzipation“ nach „Mann“, sogar nach „Èh’mann“, _ als wollte man sich nur vom Eh’mann zipieren, und das ist irreführend.

Wenn man „Emanze“ sagt, bin ich verärgert - ein Horror-Wort. Aber wie nennt man sie besser? Die einzelne und sie alle? „Feministin“• Auch nicht gut.

Frauenbewegung? „Bewegung“ ist kompromittiert. Außerhalb der Physik (Mechanik).

Findet ein Wort, verehrte Damen, und ihr werdet es leichter haben!

Gleichstellung ist (wäre) selbstver­ständlich. Eure Forderungen sind die meinen, solange sie nicht demagogisch sind..

Doch ich weiß: Wenn die Beamten acht Prozent Erhöhung fordern und die Arbeitgeber fünf Prozent bieten, einigt man sich auf sechseinhalb Prozent. Hätten die Angestellten gleich sechs­einhalb gefordert, hätten sie sechsein­halb Prozent nie durchgesetzt. Hätten die Arbeitgeber gleich sechseinhalb ge­boten, hätten sie sechseinhalb Prozent nie durchgesetzt.

Das ist eines der mühsamsten Natur­gesetze.

Also müssen auch die Sprachrohre der Damen mehr fordern, als sie, Hand aufs Herz, durchsetzen wollen. Das ist nichts Böses. **

Wesentlich scheint’mir an diesen Forderungen, daß sie nichts Obligatori­sches, nur Fakultatives einschließen dürfen (sollten). Obligatorisches wäre ebenso abwegig wie, zum Beispiel, Wahlpflicht. Auch Stimmenthaltung ist eine Willensäußerung. Daß ich zu diesem Zweck eigens die Wahlzelle auf­suchen und dort keinen Stimmzettel in das Kuvert tun muß, ist überflüssig.

Die Frauen müssen nicht müssen müssen. Sie müssen nur dürfen dürfen. Es gibt, auch Männer, die nicht arbei­ten.

Andrerseits gibt es auch Frauen, die ihre Männer mißhandeln. (Durch diese Feststellung will ich das bittere Schick­sal mißhandelter Frauen nicht im ge­ringsten abwerten.)

Es gibt, andrerseits, aber auch - und hier wird alles ungeheuer schwierig, es gibt den sogenannten Masochismus. Und zwar beiderlei Geschlechts.

Der Terminus „Masochismus“ ist mir nicht angenehm. Sein Verursacher ist lustigerweise im Lexikon ein unmit­telbarer Nachfolger des komplementä­ren Marquis de Sade (dtv-Lexikon der Weltliteratur, Seite 1162). Leopold von Sacher-Mašoch (Pseudonyme Char­lotte Arand und Zo von Rodenbach), 27. 1. 1836 Lemberg - 9. 3. 1895 Lind- heim/Hessen, Dr. jur. und Dr. phil. Seine Gattin war eine geborene Meister (dtv-Lexikon, Seite 1160).

Eine Szene aus dem „Arzt wider Wil­len“ von Molière will mir nicht ausdem Kopf. Martine beschimpft ihren Mann so lange, bis er sie prügelt, nachdem er ihr diese Sanktion mehrfach vergeblich angedroht hat. Martine schreit vor Schmerz.

Ein Nachbar, Herr Robert, kommt.

Herr Robert. Holla, holla, holla! Pfui, was soll denn das? So eine Ge­meinheit! Verfluchter Kerl, der seine Frau derart schlägt!

Martine (geht auf ihn zu, so daß er Schritt für Schritt zurückweicht, gibt ihm schließlich bei ihrem letzten Schritt eine Ohrfeige): Ich will aber, daß er mich schlägt.

Zwischen Ohrfeigen und Ohrfeigen ist ein Unterschied, und der kann ins Abnorme gehen - könnte Nestroy ge­sagt haben.

Das Problem der Frauen- ... sagen wir bis auf weiteres „Bewegung“, . . . das Problem der Frauenbewegung ist das Problem jeder Bewegung, die

sich ausschließlich gibt, die verkündet: „Alles kommt von ...“

Die Vegetarier sagen: Alles kommt vom Fleischessen. Das Fleisch kann schädlich sein, aber nicht auf jeden Fall.

Die Antifaschisten sagen: Überall sind alte Nazis. Erstens sind sie nicht überall. Zweitens ist nicht jedes ehema­lige Mitglied der NSDAP heute ein Na­tionalsozialist.

Andere sagen: Alles kommt vom Vi­taminmangel.

Der Wiener Schauspieler H.G. hat daher so viel Orangensaft getrunken, daß er ernsthaft erkrankte.

Es gibt kirchenähnliche Institutionen mit dem Anspruch auf Totalität. Die Psychoanalyse zum Beispiel. Vieles, aber nicht alles, wurde durch Erlebnisse in der frühen Kindheit ausgelöst.

(Anspielungen auf die' Kirche na­mens Marxismus erspare ich mir.)

Esgibt vielerlei Unrecht, das Kindern, das jungen Menschen, das alten Menschen, das Arbeitern, das Ange­stellten, das Kranken, das Schülern, das Lehrlingen, das Bauern, das Fuß­gängern, das Farbigen, das Weißen an­getan wird.

Es gibt viel Unrecht, das Auslän­dern, aber auch viel Unrecht, das Inlän­dern angetan wird, Juden und Nichtju­den, Katholiken, Protestanten, Mo­hammedanern und Konfessionslosen, Frauen von Männern, Männern von Frauen, Männern von Männern, Frauen von Frauen.

Es geschieht Menschen durch Men­schen viel Unrecht.

Das höchst bedauerliche Unrecht, das immer wieder Frauen geschieht, ist nur ein Aspekt des allgegenwärtigen Unrechts.

(Aus „Große Mücken, kleine Elefanten", Arte­mis-Verlag, Zürich-München 1980)

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