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Aufbruch der Literaten

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Anspruchsvolle Literatur, junge Autoren erscheinen in wenig bekannten Zeitschriften und Kleinverlagen. Wie sollen sie die Öffentlichkeit erreichen? Gemeinsame Schritte werden geplant.

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Anspruchsvolle Literatur, junge Autoren erscheinen in wenig bekannten Zeitschriften und Kleinverlagen. Wie sollen sie die Öffentlichkeit erreichen? Gemeinsame Schritte werden geplant.

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Nicht nur den Ruf „Herr Ober, einen Mokka!” wird man in Zukunft in Wiens Kaffeehäusern hören. Neben seiner Stammzeitung kann der Gast ab einem noch nicht genau fixierten Tag auch noch einen Eisenreich oder einen Artmann, einen Peter Henisch oder einen Ernst Jandl und somit den letzten Roman oder das jüngste Gedicht eines österreichischen Autors verlangen. Denn Österreichs Autoren, auch den bislang um das tägliche Uberleben kämpfenden Kleinverlagen, soll solcherart geholfen werden.

Die Etablierung kleiner Büchereien in Wiener Kaffeehäusern ist allerdings nur eine von mehreren Hilfsmaßnahmen. So erhalten die Kleinverlage, die vornehmlich anspruchsvolle Literatur heimischer Schriftsteller in kleinen Auflagen herausbringen, vom Unterrichtsministerium eine Gesamtsumme von einer Million Schilling, um für sich zu werben und „unter die Leute” zu kommen.

Daß die Österreicher nicht gerade zu den lesefreudigsten Stützen der Kultur zählen, spiegelt — etwas verzerrt zwar, weil auf statistischen Zahlen basierend — der Witz vom Zweitbuch wider, das neuerdings in den Wohnzimmern der Alpenrepublikaner steht. Sieht man genauer hin, stellt sich heraus: Das „Informationslesen” hat zugenommen und das „Erlebnislesen” abgenommen. Dem Rechnung tragend, bringen die Verlage - erst recht die großen -immer seltener „schöne Literatur” auf den Markt.

Ein Blick hinter die Kulissen enthüllt weiter, daß die meisten der bei uns gekauften und gelesenen Bücher aus der Bundesrepublik Deutschland stammen. Die Folge: Verlage wie etwa „Jugend und Volk” können sich keinen Lektor für Belletristik mehr leisten. Das nur als eines der vielen Beispiele.

Angesichts solch trister Situation, die noch verdüstert wird durch die Tatsache, daß ihr eben nicht reichlich fließender Honorarregen von zehn Prozent pro verkauftem Buch einem Hungerlohn gleichkommt, sofern der Buchhandel auf dem Werk sitzen bleibt (und das ist zum Beispiel auch dem Erfolgsstück deutschsprachiger Bühnen, Peter Turri-nis „Joseph und Maria” passiert), übernehmen die Autoren in eigener Person Lektorat, Umbruch und Layout; der eine und der andere auch noch den Vertrieb. Das heißt, überall in den Kleinverlagen überwacht der Schreiber des Buches auch dessen Herstellung, und ein „Stallmitglied” (es können auch mehrere sein) stellt den Buchhandlungen innerhalb der Landesgrenzen ehrenamtlich die Ware zu. Denn ein kommerzieller Vertrieb mit einem Preisaufwand von 50 Prozent der Verkaufssumme liegt außerhalb der Möglichkeiten.

Bei welchen Verlagen diese Praxis geübt wird? Nach alphabetischer Reihenfolge geordnet: bei „Allerheiligenpresse”, Innsbruck, „David-Press”, Wien, „Drava-Verlag”, Klagenfurt, „Droschl”, Graz, „Fink Verlag”, Bregenz, „Edition Freibord”, Wien, „Frischfleisch & Löwenmaul”, Wien, „Grasl Verlag”, Bad Vös-lau, „Herbstpresse”, Wien, „Januskopf Autorenreihe”, Wiener Neustadt, „Maioli”, Wien, „Edition Neue Texte”, Linz, „Projekt Gangan”, Graz, „Promedia”, Wien, „Ritter Verlag”, Klagenfurt, , .Roetzer”, Eisenstadt, „Salzburger Edition”, Salzburg, „Sub-way-Press”, Graz, „Edition Umbruch”, Mödling, und „Wiener Frauenverlag”, Wien.

Einen Schritt weiter ging im November 1984 der „Verein Literaturzeitschriften und Autorenverlage”, kurz VLA, unter dem Vorsitz von György Sebestyen und Alfred Kolleritsch mit der Erarbeitung eines Konzeptes: einer Liste von Vorschlägen für einen verbesserten Vertrieb und eine effizientere Werbung und PR-Arbeit. Beispielsweise für die alljährlich zu veranstaltende Literaturbuchwoche im Frühjahr (Titel: „Wiener Literaturmesse”), die Teilnahme an den Buchmessen in Frankfurt und in der Wiener Hofburg sowie die Auflage eines Ka-taloges über literarische Neuerscheinungen aller lieferbaren Titel aus Klein- und Autorenyerla-gen inklusive Literaturzeitschriften österreichischer Provenienz.

Höhere Auflagen?

Nicht nur Unterrichtsminister Herbert Moritz hat bei einer Ende April erfolgten Vorsprache von Vertretern des VLA eine Million Schilling zur Realisierung des Konzeptes versprochen. Auch Stadt und Land Wien sowie die Kulturämter der übrigen Bundesländer haben zusätzliche Unterstützung zugesagt, darunter die Etablierung kleiner Büchereien in Kaffeehäusern sowie die Präsentation bei der „Wiener Literaturmesse” vorgestellter Werke in Form von Wanderausstellungen. Darüber hinaus wird die Hochschülerschaft Büchertische einrichten, und die Germanistischen Institute der Universitäten sowie die österreichischen Kulturinstitute werden die Werke der Kleinverlage in ihre Bestände aufnehmen.

Die in den siebziger Jahren zumeist aus Zeitschriftenverlagen hervorgegangenen Kleinverlage lassen deshalb nicht mehr alle Hoffnung fahren, sondern versprechen sich von dieser, sie finanziell nicht belastenden Öffentlichkeitsarbeit höhere Auflagen von mehr Titeln. Vor allem junge Autoren hätten es auf diese Weise leichter, ihr Publikum zu erreichen.

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