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Aufbruch der Religionen als Herausforderung

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Seit ihrer Gründung geht den „Salzburger Hochschulwochen“ der Ruf voraus, ein besonderes empfindliches Sensorium für aktuelle Probleme zu besitzen. Dies gilt auch für die Wahl des diesjährigen Generalthemas „Jesus Christus und die Religionen“. Allerdings ist hier gleich zu Beginn dieser Betrachtung eine Einschränkung am Platze.

Es kommt gerade in der gegenwärtigen Situation eines religiösen und weltanschaulichen Pluralismus darauf an, das spezifisch Christliche mit aller Klarheit herauszuarbeiten und in das in Gang kommende Gespräch der Religionen einzubringen. Doch dieses Gespräch, das man sich erwartet hatte, fand in Salzburg mangels qualifizierter Vertreter der nichtchristlichen Religionen nicht statt.

Der protestantische Theologe Peter Meinhold (Mainz) sprach von der Herausforderung des Christentums durch die konkurrierenden Ansprüche der Religionen und Weltanschauungen. Er bezeichnete die Tatsache der weltweiten Begegnung der Religionen als ein historisch einzigartiges und zugleich für viele Menschen höchst beunruhigendes Phänomen. Seiner Meinung nach gibt es dafür drei wesentliche Ursachen:

• die moderne Mobilität, die es dem Menschen von heute dank der technischen Kommunikationsmittel erlaubt, binnen weniger Stunden die großen Zentren des Islams, des Judentums und des Buddhismus zu erreichen,

• das Wesen der Religionen selber, denen als lebendige Organismen der

-Wille zur Selbstbehauptung und damit auch zur Selbstmitteilung inne- wohnt und

• die neue Erfahrung der Weltprobleme auf dem Hintergrunde unseres in zunehmendem Maße als Einheit erfahrenen Planeten, die die Erfahrung wachsender Abhängigkeit und Interdependenz miteinschließt.

Für Meinhold sind allerdings die Weltprobleme von heute nicht nur die vordergründigen, wie Umwelt, Energieerzeugung und Verteilung, Welthandel und gleiche Teilhabe aller Völker an ihm. Die eigentlichen Weltprobleme von heute lägen tiefer, sie betreffen den Menschen selbst: Behauptung und Schutz der Menschenrechte, namentlich in den jungen Nationen, die Frage nach der Würde des Menschen und ihrer Achtung, die politische Relevanz seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit , und schließlich die Frage des Friedens als politischer Dauerzustand, der nur aus einer echten Friedensgesinnung hervorgehen kann.

Die religiöse Lage der Gegenwart stelle sich auf der einen Seite als Konkurrenz von Ansprüchen auf Wahrheit und Weltgestaltung durch die sich neu begegnenden Religionen, andererseits durch die in politischer Einkleidung wirksamen, die Religion überhaupt ablehnenden politischen Ideologien dar, meinte Meinhold.

Die entscheidene Frage sei nun, wie die schöpferische Antwort des Christentums auf diese Herausforderung durch die konkurrierenden Ansprüche der Religionen und Weltanschauungen lauten muß. Daß sie nicht mehr in der traditionellen Formel der „Absolutheit des Christentums“ geschehen kann, stehe außer Zweifel. Wenn es heute gilt, in den Dialog mit den Religionen und Welk anschauungen einzutreten, so könne diese Aufgabe nur unter der Voraussetzung gleichberechtigter Partner gelöst werden. Hier stellt sich die Frage nach dem eigentlichen geistigen Ort des interreligiösen Dialogs. Es geht heute keineswegs nur darum, die traditionelle Polemik oder den modernen Wettbewerb im Sinne des „Marktmodells“ des amerikanischen Soziologen Peter L. Berger durch den Geist des gegenseitigen Verständnisses und des Respekts zu ersetzen, sondern - um den israelischen Religionswissenschaftler Zwi Wer-blowsky zu zitieren - „um das wachsende Bewußtsein gemeinsamer Verantwortung nicht nur für Mensch und Welt, sondern für die Dimensionen geistiger Existenz gegenüber der von der säkularen Moderne vollzogenen Verengung des Horizonts menschlichen Seins.“

Das ist nun genau das, was Friedrich Schleiermacher die „Religion in den Religionen“ genannt hat - eine Formulierung, an die der Religionsphilosoph Prof. Wilhelm Dupre/Nij-megen anknüpfte. Diese „Religion in den Religionen“, könne nicht einfach durch den Rekurs auf die phänomenal gegebene „Wirklichkeit des Religiösen“ gefunden werden, meint Dupre, vielmehr komme es darauf an, die Frage nach der Wirklichkeit der Religion auf die Frage nach dem Menschen zurückzunehmen und von da her neu zu entfalten.

Das wissenschaftliche Bemühen, die Religionen aus jenen Prinzipien zu verstehen, die sie hervorbringen und die sich an ihnen vergegenständlichen, verdankt sich nicht zuletzt der Aufklärung, die ja primär Religionskritik gewesen ist. Es ist nicht zu übersehen, daß die Religionskritik der Aufklärung die Autonomie der Religion vielfach überhaupt leugnete, indem sie sie zum Epiphänomen erklärte, das in bestimmten Prinzipien des natürlichen gesellschaftlichen Seins grundgelegt ist.

Im Hinblick auf diese Entlarvungstheorien sprach der Philosoph Willi Oelmüller von einer „unaufgeklärten Aufklärung“, die ihre eigenen Bedingungen und Voraussetzungen nicht mehr reflektiert. In der Tat gäbe es keinerlei zwingenden Grund für das Absterben der Religion in den entwickelten Industriegesellschaften, wohl aber könne man tiefgreifende Transformationsprozesse unter dem Einfluß der Aufklärung und ihrer Folgen feststellen.

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