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Aufbruch in das Jahr 1981

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„Wenn es eine ,Artopia’ in Österreich gibt, warum nicht auch eine ,ec- clesiatopia1?” fragte Superintendent Hellmut Santer in seinem Referat und umriß damit knapp das Anliegen der gesamten Pfarrerkonferenz der Evangelisch-lutherischen Kirche, die kürzlich in St Pölten abgehalten wurde. 1981 wird das Toleranzjubiläum in ganz Österreich gefeiert: in Erinnerung daran, daß Kaiser Josef II. 1781 den Bekennem des evangelischen Glaubens durch das Toleranzedikt die Möglichkeit gab, sich nach 150 Jahren des Geheimprotestantismus als Kirche offiziell zu organisieren.

Dieses Toleranzjubiläum darf nicht als historisches Ereignis gefeiert werden, es muß auf die Kirche der Zukunft für Menschen von heute hinweisen. Dazu seien, betonte Superintendent Santer, vor allem eine neue Begegnung mit dem Evangelium und Erweckung der Gemeinden durch missionarische Aktivitäten nötig.

Die Evangelische Kirche will 1981 in Gottesdiensten, Veranstaltungen und Ausstellungen in Wien wie in allen Diözesen zeigen, wie sie lebt und wirkt. Diese Aktivitäten sollen der Förderung des gesamtkirchlichen Bewußtseins dienen. Ein Staatsakt am 16. Oktober 1981 wird offizieller Höhepunkt sein für viele Einzelver anstaltungen, die zu dem erstrebten Bewußtseinswandel führen sollen.

Dieser Aufbruch in das Jahr 1981 erfordert nach Meinung aller Vortragenden nicht nur ein Um- und Hindenken, sondern auch ein Umfühlen, das heißt, ein neues Gefühl für andere Menschen. Es muß zu einem neuen lebendigen missionarischen Aufbruch kommen, denn Erneuerung der Kirche ist nicht erzwingbar, nur erbetbar.

Die Evangelische Kirche kann sich auf dieses Ziel der Erneuerung um so stärker konzentrieren, braucht sie doch im ökumenischen Zeitalter keine Reaktionen, weder auf Handlungen des Staates noch der Katholischen Kirche, zu setzen. „Wir müssen übergehen in Freiheit und Freude zu neuen Initiativen, die von der Kirche ausgehen müssen”, betonte Bischof Oskar Sakrausky, der sich mit der Lage der Gemeinden beschäftigte.

Der geringe Gottesdienstbesuch, die bescheidenen Kommunikantenzahlen und der Umstand, daß noch immer zu wenig junge Leute zum Pfarrerberuf stoßen, sind ebenso wie die verhältnismäßig wenigen Seelsorgefälle, die an die Pfarrer herangetragen werden, Warnsignale. „Niemand sage”, betonte der Bischof, „an dieser Armut sei die Diasporasituation schuld, und niemand klage über mangelnde Freiheit.”

Allerdings habe in der gegenwärtigen Zeit die Kirche an gesellschaftlichem und politischem Einfluß verloren. Den Grund für diese Entwicklung sieht der Bischof in folgendem Umstand: „Es geht uns gut, und vęenn es dem Menschen zu gut geht, glaubt er, auf Gott nicht angewiesen zu sein. Das, was uns nottut, ist Buße.”

Wie die Kirche sich zu einem solchen Aufbruch vorbereiten könne, zeigte Pfarrer Heinrich Hermann Ulrich vom Diakonischen Werk Stuttgart in seinem Vortrag über theologische Grundlegung zur missionarischen Gemeinde. Rektor Pfarrer Herwig Karzel betonte die notwendige Zusammenarbeit von Pfarrern und Gemeinden. Nur wenn die Christenheit die tiefgreifende Herausforderung unserer Zeit annimmt, kann es zu der Entfaltung einer Gemeinde kommen, getragen von missionarischer Spiritualität.

Verpflichtend ist die Weitergabe des Evangeliums in Wort und Tat. Die Umkehr des Menschen und die Nachfolge Christi haben unbedingte Priorität.

Die Welt darf nicht nur als Schauplatz der Sünde, sondern vielmehr als Bauplatz für das Reich Gottes verstanden werden.

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